Wüstenpisten ohne Allrad: Sandtuning für den 711er
Wüsten und Wüstenpisten gehören zu meinen Lieblingszielen, auch wenn der Bus ohne Allrad verschärfte Vorbereitung braucht.
Wie weit ist es zur nächsten Wüstenpiste?
Schon im Herbst war uns klar, dass wir im neuen Jahr wieder mal wieder eine größere Männertour machen könnten. Erst will ich mit den Jungs nach Marokko, aber dafür müssten wir 3700 km bis zu den ersten Wüstenpisten von Merzouga fahren. Dagegen sind es nur 1050 Kilometer bis zur Fähre Genua und dann noch mal 500 km bis zur tunesischen Sahara bei Douz.
Tunesien ist zwar wesentlich kleiner als Marokko und nicht ganz so abwechslungsreich, aber das ist für zwei Wochen kein Nachteil. Bisschen Schiss habe ich nur vor 24 Stunden Fähre. Hoffentlich ist da kein Sturm. Aber egal, jetzt mache ich erstmal mit dem Tunesien-Reiseführer Wunschpunkte in die Karte. Kann ja nicht nur Wüstenpisten fahren, sondern muss auch etwas Bildung vermitteln.
Ohne Allrad zum Tembaine?
Aber trotz der ganzen Bildungsziele aus dem Reiseführer soll die Wüste natürlich der Höhepunkt der Tunesien-Reise werden. Mit dem Wrangler gibt’s dafür ein prinzipiell ganz gut geeignetes Gefährt, in dem man auch schlafen kann. Aber den Jeep will hier keiner. Alle wollen mit dem 711er Bus fahren, der keinen Allrad hat.
Dabei bin ich schon mit vier unterschiedlich konfigurierten Mercedes-Bussen in der Wüste gewesen. Und weiß ziemlich gut, was die können und vor allem, was die nicht können. Egal, was ich so an Ausreden schreibe, aber ein Mercedes Vario ohne Allrad hat eben keinen Allrad und ist damit im Nachteil, sobald es sandig wird.
Aber die KTM hat auch kein Allrad und geht durch den Sand wie das heiße Messer durch die Butter. Für Tunesien heißt das, dass ich den Mercedes 711D schon bis zum Tembaine bringen will, aber den Weg zum verlorenen See für aussichtslos halte. Wenn da der Wind doof steht oder der Sand zu warm ist, wird das selbst im Unimog zur Strapaze.
Aber bei Wüstenpisten in so einem Bus geht’s sowieso nicht darum, unbedingt irgendwo anzukommen, sondern seine persönlichen Herausforderungen und Grenzen zu finden und damit glücklich zu werden. Mit der richtigen Vorbereitung kann da auch ein Mercedes-Bus ohne Allrad ein paar Weichsandfelder oder kleinere Dünen vernaschen. Die Frage ist nur, mit wie viel Aufwand.
Tuning des Mercedes 711D
Hilfsmittel für die Selbstbergung
Die Jungs sind jedenfalls trotz (oder wegen?) der Aussicht auf viel Schaufelarbeit begeistert und ich kann die Vorbereitungen starten. Grundsortimente an Hilfsmitteln für die Selbstbergung sind sowieso immer dabei. Also vor allem drei Schaufeln, ein langes Kinetikseil, ein Greifzug, zwei GfK-Gitterroste, vier GfK-Sandbleche und zwei Stahlsandbleche. Schneeketten sind eher bei Schlamm relevant, aber natürlich auch an Bord.
Damit wir bis zum Tembaine kommen, werden wir vor allem die Sandbleche massiv einsetzen müssen. Aber mit 8 Blechen kann ich schon fast eine richtige Straße anlegen. Baue daher den Skiträger rechts am Heck noch zum zweiten Sandblechhalter um. Damit sind die Bleche schneller greifbar und leichter zu verstauen. Die Bleche stellt man nur unten in den Halter und fixiert die oben mit einem Spannband. Man darf da nur nicht die dünnen Bändchen aus dem Baumarkt nehmen. Besser sind die massiven Kukko-Spanngurte.
Temporärer Umbau auf Einzelbereifung
Sandbleche machen Arbeit und sind eigentlich nur Mittel zur Bergung, Wiederbeschleunigung und Überbrückung übler Abschnitte. Am besten, man kommt mit viel Schwung komplett durch ein Weichsandfeld oder über eine kleine Düne drüber. Bei sowas stören aber die Zwillinge, weil die vier Walzen den Motor zu viel Kraft kosten und gleichzeitig zu starkes Luftablassen verhindern.
Kernstück meines Plans für mehr Geländegängigkeit des Mercedes 711 sind daher der temporäre Umbau auf Einzelbereifung und das Fahren mit sehr niedrigem Luftdruck. Dazu muss ich im Vorfeld die Falken Wildpeak AT3WA auf die Reaktion bei verschiedenen Luftdrücken testen.
Hab zwar auch mal über so eine Art Raupenhülle über den Zwillingen nachgedacht. Aber der Spalt zwischen den Reifen ist nicht das Problem. Das eigentliche Problem ist die (für diesen schwachen Motor) zu breite Fahrspur. Es ist besser, wenn die Hinterachse genau in der Spur der Vorderachse läuft und sich die platten Reifen eher lang als breit machen. Es geht eben beim Sandfahren nicht nur um eine möglichst große Aufstandsfläche, sondern vor allem auch um eine schmale Reifenspur. Also nein, selbst diese schön eingepackten Zwillinge sind schlechter als Einzelbereifung.
Zusätzliche Ersatzreifen
Da Wüstenpisten und Offroadstrecken viele spitze Steine bedeuten, sind Reifen mit extrem niedrigem Luftdruck ziemlich gefährdet. Hab mal auf einer Wüstentour gleich vier Reifen verloren. Zwar haben die Falken Wildpeak als echte All-Terrain-Reifen verstärkten Flankenschutz und sind erwiesenermaßen recht robust. Aber ich bin die auch noch nicht mit 0,5 bar und Überlast gefahren.
Bestelle also sicherheitshalber zwei zusätzliche Ersatzreifen. Die kommen hübsch abgedeckt aufs Dach. Und da ich sowieso langfristig bei den Falken Wildpeak AT3WA bleiben würde, ist das auch kein unnötiger Aufwand. Winterreifen sollte man sowieso nicht zu lange drauf lassen. Spätestens vor der nächsten Tour auf die Eisstraßen würde ich ohnehin neue Reifen drauf machen.
Gewicht reduzieren
Das A und O auf Sandpisten ist das Verhältnis aus Motorleistung, Gewicht und Aufstandsfläche. Der Bus muss also so leicht wie möglich werden. Aktuell hat unser ausgebaute Mercedes 711D ein Leergewicht von 4850 kg. Direkt abmontieren könnte ich die Hängerkupplung – das bringt 50 Kilo. Weitere 100 kg könnte ich einsparen, wenn ich die beiden abgebauten Zwillingsräder irgendwo deponiere. Mehr Leergewicht kann ich aber nicht einsparen.
Also muss ich bei der Beladung vorsichtig sein. Wenn ich mit Wasser und Diesel sowie vor allem mit Lebensmittelvorräten sparsam bin, bringt das 200 kg weniger. Weitere 150 kg spare ich, wenn die Passagiere auf kritischen Passagen laufen. Und wenn erst alle acht Sandbleche verlegt sind, schaffe ich es vielleicht, den Bus fahrfertig unter 5000 Kilo zu drücken.
Um die Belastung besser einschätzen zu können, kaufe ich sogar extra eine Radlastwaage. Vorn rechts hat der Bus leer 988 Kilo Radlast. Das macht also 1500 kg Radlast hinten bei Einzelbereifung im beladenen Zustand. Meine 235/85 R16 mit dem Lastindex 120 haben eine Traglast von 1400 kg, aber das gilt auch bei 100 km/h und hat garantiert noch 30% Luft. Da lasse ich es mal drauf ankommen. Wenn mir ein Reifen wegfliegt, habe ich die Grenzen halt erfahren.
Radsichungsmuttern für Einzelbereifung
Einzelbereifung bedeutet in meinem Fall ja, dass ich die inneren Zwillinge runter nehme. Dafür muss ich testen, ob die Gewindebolzen geeignet sind oder ob ich Distanzringe brauche. Weiterhin muss ich die äußeren Federringe weglassen und brauche Radmuttern mit breiterem Bund. Für sowas gibt es (nur) von Heico passende Radsicherungsmuttern mit integriertem Druckteller und Sperrverzahnung (Heico-Lock M14x1,5). Das ist die beste Variante, um kritische Bauteile auf Wellblechpisten zu sichern. Und ein paar Ersatzradbolzen schaden auch nicht.
Heckträger für 2 Reserveräder
Naja, und dann muss ich die zwei temporär arbeitslosen Räder von der Hinterachse irgendwo verstauen. Dazu schwebt mir ein über dem Anhängebock verschraubtes U-Profil vor, auf dem ich die Räder verlasten kann. Dann ist allerdings die Hecktür blockiert, so dass das wirklich nur was für die temporäre Nutzung ist.
Bei der Breite der Schiene von 200 mm richte ich mich nach den 235er Rädern, bei der Länge von 1600 mm denke ich an zwei Räder nebeneinander oder auch mal ein Moppet. Die GS werde ich nicht mitnehmen, aber vielleicht haben die Jungs ja Bock, mit einer Simme im Sand zu spielen.
So eine Schiene aus 2 mm Edelstahl ist als U-Profil schnell konstruiert und von Versandmetall nach Hause geliefert. Mit der Flankenhöhe von 70 mm habe ich vielleicht ein bisschen übertrieben, aber das gibt ja auch Stabilität. Die Unterkonstruktion ist ebenfalls schon fertig konstruiert, ich weiß nur noch nicht, ob ich die bis zum Urlaub zusammengeschweißt kriege.
Solarstrom für mehr Druckluft
Ein Projekt, das nun auch endlich mal realisiert werden muss, ist vernünftige Druckluft im Bus. Der Kompressor ist schon lange da, aber ich muss den Bus strommäßig aufrüsten. Bestell mir also bei Osnatech ein ultraleichtes 420-W-Solarpanel für das Aufstelldach (Euronergy EUQJH57J420). Das Modul wiegt nur 2,7 Kilo und ist so flexibel, dass ich das ohne Unterkonstruktion auf die leicht konkave Aluwanne des Aufstelldachs kleben kann.
Die Solaranlage geht aber nicht direkt auf die Versorgerbatterien, sondern auf einen mobilen Runhood 2,4-kW-Balkonspeicher mit integriertem 4,8-kW-Wechselrichter (Runhood F2400). Das hat den Vorteil, dass ich mit der 29 Kilo schweren Akkubox nicht nur unterwegs Strom ohne Ende habe, sondern in der Nichturlaubszeit (und das ist ja die längste Zeit im Jahr) das ganze Haus über den Akkuspeicher mit Solarstrom vom Bus und/oder einer stationären Anlage versorgen kann.
Damit haben wir so viel Solarstrom, dass ich die Reifen am Bus unbegrenzt aufpumpen und sogar meinen alten Traum vom mobilen Sandstrahlen und Schweißen in der Wüste wahr machen kann. An der kleinen Box läuft nämlich sogar mein Fülldrahtschweißgerät. Ein Schweißpunkt zieht zwar ein Prozent des Akkus, aber ich hab im Urlaub Zeit und kann die Box jederzeit mit Sonnenkraft nachladen. Dazu können wir elektrisch heizen, kühlen und kochen.
Tarnung und Verdunklung
Da wir viel an der algerischen Grenze bzw. am innertunesischen Sperrgebiet unterwegs sind und ich kein gesteigertes Interesse an nächtlichen Besuchen der Nationalgarde habe, muss ich weiter an der Verdunklung arbeiten. Der Bus darf zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang nicht zu sehen sein, egal, ob oder wie lange wir da drin bei voller LED-Beleuchtung Skat spielen.
Los geht’s
Meine Bauliste für die Vorbereitung der Wüstentour ist lang. Dazu muss ich Pässe neu machen, den LKW-Führerschein verlängern, Reiseführer sowie Luftbildkarten studieren und GPS-Tracks malen. Naja, und normal arbeiten muss ich auch noch. Dabei ist die perfekte Vorbereitung auf einen kleinen Wüstenurlaub eigentlich eine jahresfüllende Beschäftigung.
Klar, man kann da auch einfach so hinfahren und gucken, wie weit man mit einem Mercedes-Bus kommt. Das habe ich aber mit 25 so gemacht. Jetzt muss das alles ein bisschen planmäßig ablaufen. Über die Phase, dass ich unbedingt einen Allrad-LKW brauche, bin ich allerdings auch schon drüber. Dabei wäre das hier mal ein richtiger Verwendungszweck.
Hey Tom, viel Erfolg bei der Vorbereitung! Welches Kinetikseil verwendest du, bzw. mit welcher Bruchlast?
Das ist ein 9-m-Seil mit 10 t Bruchlast (Oh, ich dachte, das hätte 7 m). Hier gibt es ein Foto und die Quelle.
Super, freue mich auf deine Berichte. Mit den Jungs in die Wüste, das wird sicherlich mal wieder ein cooles Abenteuer. Vermutlich sind die beiden „Kleinen“ inzwischen auch ganz schön groß. Und die Großen (wenn sie dabei sind) können den 711 notfalls tragen…
Mein „Großer“ ist derzeit nur am Rechner, wenigstens hat der Kleine richtig Spaß am 711 und den anderen Fahrzeugen.
Ja, die „Kleinen“ sind beide einen Kopf größer als ich, aber kommen gerne noch mit.
Ich hatte eine Anfrage zu dem Solarmodul und muss mich korrigieren: Das Solarmodul hat 420 und nicht 470 Watt. Habe das oben korrigiert und dazu den korrekten Modulnamen ergänzt.
Übrigens könnt ihr Kritik und solche Hinweise gerne direkt per Kommentar schreiben, auch ich mache Fehler, das ist doch kein Problem.