Reisen ohne Allrad: Erfahrungen on- und offroad
Der 711er ist nicht das sparsamste, schnellste, geländegängigste oder beste Wohnmobil, aber auch ohne Allrad ein guter Kompromiss.
Offroad ohne Allrad am Wohnmobil?
Nach der gestrigen Anreise von der Bretagne genießen wir früh die Ruhe. So einen einsamen Platz hatten wir im ganzen Urlaub nicht. Und auch Sonne am Morgen war in der Bretagne (zumindest bei uns) rar. Aber das hier ist echt ein schönes Plätzchen für die kalte Morgendusche.
Der Bus müsste auch mal duschen. Denn ich bin gestern Abend auf der Suche nach dem perfekten Stellplatz in ein ganz schönes Schlammloch reingefahren. Trotz fortgeschrittener Dämmerung natürlich ohne LED-Festbeleuchtung. Hab aber trotzdem schnell gemerkt, dass die Wiese halb unter Wasser steht und der Schlamm wie Schmierseife ist.
Tja, Allrad wäre besser. So brauche ich Vollgas und darf nicht stehen bleiben. Aber wann braucht man schon mal den spritfressenden Allrad. Viel wichtiger ist Bodenfreiheit. Und letztlich hätte ich auch einen Allrad-Vario nicht über Nacht auf der verschlammten Wiese stehen gelassen.
Es muss nicht immer Allrad sein
Nee, für normale Reiseziele ist Allrad gerade am Vario echt überbewertet. Wenn ich mal so nachrechne, spare ich alleine im Bretagne-Urlaub 300 € Sprit gegenüber einem Allrad-Vario. Davon kann man sich einige Bergehilfen kaufen. Und mit einem Satz Schneeketten, vier GfK-Sandblechen, einem Stahlblech und vor allem zwei GfK-Gitterträgern komme ich aus jedem Sand- oder Schlammloch raus.
Früher dachte auch ich immer, ein Vario muss Allrad haben, aber mit guten Reifen, mehr Bodenfreiheit und einer ausgewogenen Gewichtsverteilung kommt auch so ein 4×2-Camper offroad ziemlich weit. Also toi toi toi, bis jetzt haben mich die meine AT-Reifen auch im Schlamm noch nicht im Stich gelassen und ich kann die Waffleboards lassen, wo sie sind.
Hauptnachteil des Mercedes 711 ohne Allrad
Nur Fotos gibt es von solchen Aktionen immer nicht. Klar, ein Land Rover mit guten Reifen kann da gemütlich anhalten und Angeberfotos machen. Das ist beim 711er ohne Allrad nicht drin. Könnte zwar jemanden an die Seite stellen und fotogen mit Absicht reinfahren. Aber sorry, das hier ist ein Hobbyblog. Da ist es egal, ob ich nun coole Schlammspritzfotos habe oder nicht. Weiß vor dem Urlaub noch nicht mal, ob ich die Berichte überhaupt freischalte.
Also ja, Allrad ist natürlich cooler. Kann ja auch nicht innehalten, wenn ein Land Rover neben dem Bus steht. Dieser Defender hat sogar richtige Mudracer drauf. Allerdings sind das nun wieder keine Winterreifen so wie meine Falken Wildpeak.
Mehr als Allrad vermisse ich aber die Schmutzlappen, die nach dem Schweißen meiner Owatrol-Sünden noch fehlen. Der Bus sieht schlimm aus. Gar nicht mal so an der Seite, aber unten drunter.
Vorteile beim Reisen ohne Allrad
Ist mir echt peinlich, wenn an der Tankstelle unter dem Bus der Schlamm abbröckelt. Aber auf der anderen Seite bin ich auch stolz auf meinen Offroad-Bus, denn bei Verbrauch und Reisegeschwindigkeit kommt da kein alter Allrad-LKW mit. Immerhin beträgt der Durchschnittsverbrauch mit dem 5,5 t schweren Mercedes 711 D über 4000 km „nur“ 13,2 Liter inklusive Motorvorwärmung per Dieselstandheizung.
Das nimmt sich bei 100er Autobahnschnitt bestimmt auch ein moderner Allrad-Sprinter. Öl verbraucht mein OM 364A mit über 210.000 km auf der Uhr übrigens 0,06 Liter pro 1000 km. Hab seit dem letzten Ölwechsel vor 35.000 km genau 2 Liter nachgefüllt.
Kasseler Berge im 711er
Wer weiß, was ich auf der Autobahn für eine Dreckfahne hinterherziehe. Bloß schnell nach Hause. Bei Rückenwind und mit durchgewärmtem Antriebsstrang legt der Bus selbst bergauf ein ganz schönes Tempo vor. Bergab sowieso. Wobei man da mit 105 PS bergauf durchaus auch mal im zweiten Gang landen kann. Und aus dem komme ich berghoch wegen des Lochs zum dritten so schnell nicht wieder raus. Also vmax 60 km/h.
Aber heute läuft’s. Nur am Gießener Dreieck vertrödele ich den ganzen Zeitgewinn wieder, weil ich in der Baustelle falsch abfahre. Der richtige Zeitverlust ist aber ein LKW-Stau in den Kasseler Bergen.
Mogele den Bus zwar auf der linken Spur vorbei, aber da bin ich nicht der einzige LKW.
Im Gegensatz zu richtigen LKWs darf ich das aber. Der Mercedes 711 ist schließlich ein Wohnmobil unter 7,5 t. Sonst ist dieses Schild übel gemein für die LKWs. Wenn ich nämlich bergab mit Schwung überhole und mich vor so einen 500-PS-Truck setze, darf der dann am Berg nicht legal überholen. Mache mir echt keine Freunde mit sowas. Aber es ist auch erstaunlich, wie wenig das Überholverbot die großen LKWs juckt.
Resümee zur Bretagne-Reise ohne Allrad
Als es wieder rollt, sind die restlichen Kilometer schnell gemacht. War eine schöne kleine Test-Tour in die Bretagne. Weiß jetzt, dass ich die richtigen neuen Vorderfedern eingebaut habe. Und hab gelernt, dass man auch im Kurzurlaub einen Akkuschrauber braucht.
Ansonsten machen sich ohne Allrad vor allem gute Reifen und die Hilfsmittel zur Selbstbergung bezahlt. Und es gab keinen einzigen Stellplatz, für den ich Allrad gebraucht hätte. Es hätte auch keinen Stellplatz gegeben, den ich nur mit Allrad erreicht hätte. Ich war immer genau da, wo ich sein wollte oder maximal konnte.
So, und nun ist gemäß Wartungsplan eine große Durchsicht nebst Wechsel aller Öle und Filter dran. Dazu muss ich unbedingt das Lenkrad wieder geradestellen. Also ja, nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub. Und ein alter LKW ist ein alter LKW. Das ist kein Rundum-sorglos-Paket.
856 km | 4.011 km