Škoda-LIAZ 706 MT: Der nie zu kaufen sein sollte
Der Škoda-LIAZ 706 MT vom Liberecer LKW-Werk sollte eigentlich nie zu kaufen sein, wurde aber auch in der DDR ein Bestseller.
Eigentlich sollte es den Škoda 706 MT nie zu kaufen geben
Das entschuldigende Wörtchen eigentlich ist typisch für die Retrospektive auf den Fahrzeugbau im Ostblock. Denn eigentlich sollte es den Škoda-LIAZ 706 MT so nie zu kaufen geben. Vielmehr wollte LIAZ schon 1969 moderne Trucks der Serie 100 mit Kippfahrerhaus verkaufen. Aber es blieb bei diesem eigentlich. Denn Pläne sind Pläne und die Realität ist die Realität. Und so gab es eben doch den Škoda 706 MT zu kaufen, der eigentlich nicht mehr als ein Übergangsmodell sein sollte.
Ist jedenfalls interessant, was der ehemalige Direktor des Verkehrsmuseums Dresden zu erzählen hat. Sitze also am Kamin und studiere die 239-seitige Geschichte der LKWs und Busse von Škoda. Mit dem ersten großen tschechischen Frontlenker Škoda 706 RT bin ich schon durch. Jetzt ist der Nachfolger Škoda-LIAZ 706 MT dran.
Entwicklung vom Škoda zum LIAZ
Seltenes Zwischenmodell Škoda 706 MS
Grund dafür, dass es den Škoda LIAZ 706 MT eigentlich nie zu kaufen geben sollte, war die geplante Einführung des Nachfolgers LIAZ 100. Aber wegen des Mangels an Presswerkzeugen für das schon neu entwickelte Fahrerhaus hat das LIAZ-Werk Mnichovo Hradiště (Münchengrätz) die schon ab 1965 verfügbaren, neuen Motoren M 630 mit 192 PS in den ansonsten unveränderten Škoda 706 RT mit alten Achsen und Trilex-Felgen eingebaut.
Die paar Dutzend verkauften Exemplare dieses Zwischenmodells Škoda 706 MS sind absolute Exoten [4] und wegen des alten Fahrerhauses und der alten Achse äußerlich eigentlich nicht zu erkennen.
Evolution zum Škoda 706 MT
1969 war das neue Kippfahrerhaus zwar immer noch nicht zu kaufen, dafür gab es die noch einmal leistungsgesteigerten Motoren M 634 sowie neue Schaltgetriebe mit Split, neue Hinterachsen und Scheibenräder [1, S. 110]. Und obwohl man diese hilfsweise Weiterentwicklung so nie verkaufen wollte, gibt es dann wenigstens mal einen neuen Namen als Škoda 706 MT (modernisierter Frontlenker / modernisovany Trambus).
Abgesehen von den Scheibenrädern ist der neue Škoda 706 MT an der karosseriebündigen Klappe unter der Frontscheibenmitte zu erkennen. Der alte RT hat dort ein auffälliges Rohr für den Kühlmitteleinlass. Ansonsten sieht der neue Škoda-LKW genauso aus wie der alte.
Die Technik unter dem Blech des Ŝkoda 706 MT hat sich allerdings in mehreren Stufen weiterentwickelt. Und so schlecht ist es natürlich auch nicht, wenn ein bewährtes und beliebtes Fahrerhaus beibehalten wird. Ist ja nachhaltig, wenn Presswerkzeuge länger benutzt werden. Insofern könnte man Mangelwirtschaft auch mit Ressourcensparsamkeit übersetzen. Und man muss ja nicht immer nur kaufen, kaufen, kaufen.
LIAZ 706 MT ab 1984
Ab 1984 firmiert der robuste und langlebige MT nur noch unter dem Markennamen LIAZ 706 MT. Hab mich schon immer gefragt, warum der MT einmal als Škoda und einmal als LIAZ auftritt. Konnte mir nicht vorstellen, dass es auch in einer Planwirtschaft Markenstreitigkeiten zwischen Škoda in Pilsen und LIAZ in Reichenberg gab.
Jedenfalls sollte der alteingeführte Name Škoda dem Maschinenbau und der PKW-Produktion vorbehalten bleiben und die Neugründung LIAZ (für Liberecké Automobilové Závody / Liberecer Automobilwerke) mit ihrem eigenen Namenskürzel zurechtkommen.
Aber vielleicht waren die LIAZ-Kaufleute auch die tschechischen Wortspiele mit Ŝkoda leid, was ja schade oder Schaden bedeutet. Da kann zwar Emil Ritter von Škoda nichts dafür, aber sowas wie „Schade, dass der Škoda einen Schaden hat“ ist beim LKW-Verkauf schon nervig. Also trägt der MT seit 1984 statt des geflügelten Ŝkoda-Pfeils ein schmuckloses LIAZ-Schild.
Dabei ist LIAZ für den Verkauf von LKWs eigentlich ein ganz dummer Name, weil seit 1959 ein sowjetrussischer Omnibushersteller als LiAZ / ЛиАЗ firmiert (Likinski Awtobusny Zawod / Ликинский автобусный завод).
Wie auch immer. Wenn der rundliche Frontlenker keinen hervorspringenden Kühlereinfüllstutzen und ein LIAZ-Schild trägt, kann das nur ein LIAZ 706 MT mit Baujahr zwischen 1984 und dem Ende der Serienproduktion 1988 sein, wobei einzelne MT noch bis 1990 nachgefertigt wurden.
Typen und Modelle der LKWs von LIAZ
Verkaufsbezeichnungen Škoda / LIAZ 706
Škoda hatte sich ja schon in den 1930er Jahren Verkaufsbezeichnungen für LKWs ausgedacht und 60 Jahre konsequent durchgezogen. Der Škoda 706 hat 70 Dezitonnen Zuladung und einen Motor mit 6 Zylindern [4]. Der Vorvorgänger Škoda 606 war ein Sechstonner mit Sechszylindermotor. Ganz einfach.
Dazu wurden wie schon beim Škoda 706 RT auch die verschiedenen LKW-Typen des LIAZ 706 MT durch angehängte Buchstaben für Baureihe und Baumuster unterschieden [8; 10]. Hinzu kommen Ziffern für bestimmte Ausführungen. Unter diesen Namen wurden die Škoda-LKW auch in der DDR verkauft [8; 10]:
- Škoda 706 MT4: Fahrgestell mit Fahrerhaus mit und ohne Pritsche mit 4600 mm Radstand
- Škoda 706 MT5: Pritsche mit 5400 mm Radstand
- Škoda 706 MTS 24: Dreiseitenkipper mit Motor MŠ634 mit 155 kW
- Škoda 706 MTSP 24: Dreiseitenkipper mit Allrad
- Škoda 706 MTSP 25: Allrad-Kipper mit vorn verstärktem Rahmen für den Anbau eines Schneepflugs
- Škoda 706 MTSP 27 AGRO: Allrad-Kipper für landwirtschaftlichen Einsatz mit Aufsätzen für Mist- oder Düngerstreuer, Großraumkipper, Fäkalientank
- Škoda 706 MTC: Fern-LKW mit verlängertem Radstand (5.400 mm) und Zollverschluss
- Škoda 706 MTTN: Sattelzugmaschine
- Škoda 706 MTTN LUX: Sattelzugmaschine in der Luxusausführung mit Bett, Ablagen und Staufächern für Fernverkehr
Für den LIAZ gelten dieselben Bezeichnungen, nur dass die LKWs ab 1984 statt als Ŝkoda eben als LIAZ verkauft wurden. Allerdings haut das mit der 706 nicht ganz hin, denn der MT hat selbst mit Allrad 8,6 Tonnen Zuladung. Müsste also eigentlich ein Ŝkoda-LIAZ 866 MT sein.
LIAZ 706 MTSP 24 Kipper und MTSP 25 Schneepflug
Der MT wurde recht kontinuierlich weiterentwickelt und in vielen verschiedenen Versionen nicht nur in Tschechien, sondern ins ganze Ausland einschließlich der DDR verkauft. Äußerlich bleiben die MT aber gegenüber dem älteren RT weitgehend unverändert. Und auch die Hinterachsen mit Außenplaneten im LIAZ 706 sind nichts, was ich im Vorbeifahren unterscheiden könnte. Da sind eher die Scheibenräder und die kurze Kabine des MTS 24 typisch, denn der alte Škoda 706 RTS steht auf Trilex-Felgen und hat ein größeres Fahrerhaus.
Auch die schweren Škoda-Kipper MTS 24 wurden zahlreich in die DDR verkauft. Wie am Differential in der Vorderachse zu erkennen, ist das hier sogar ein LIAZ 706 MTSP mit Allradantrieb. Konkret dürfte es sich bei diesem Kipper um einen MTSP 25 mit verstärktem vorderen Rahmen und Aufnahmen für einen Schneepflug handeln [10].
Militärisches Sondermodell Tansania-LIAZ
Obwohl der Bedarf des tschechischen Militärs mit Praga V3S und Tatra 815 schon lange gedeckt war, hat LIAZ zwischen 1985 und 1987 insgesamt 562 speziell modifizierte Allrad-Versionen des LIAZ 706 MT verkauft. Da mit 527 Stück der überwiegende Teil nach Tansania ging, heißt dieses Modell in Tschechien auch der „Tansanier“ [11]. Ein paar einzelne Exemplare wurden zudem nach Angola, in den Irak, nach Nordkorea und nach Pakistan verkauft.
Zu erkennen ist der Tansania-LIAZ-MT an der rechts hinter der Kabine hochgelegten Luftansaugung mit Zyklonfilter. Dazu lieferten einige weitere zusätzliche Ausstattungen gute Verkaufsargumente für den Export des Tansania-LIAZ [11]:
- Fahrgestell mit Pritsche und Plane
- Kurze Kabine mit Dachluke
- 6-Zylinder-Diesel M 634-6 mit 212 PS
- Zuschaltbarer Allradantrieb
- Differentialsperren Vorder- und Hinterachse
- Teilweise verbaute Winde
- Wattiefe 1200 mm
- Steigfähigkeit 60 %
Die genau 12 in der Tschechoslowakei verbliebenen, droh-olivgrünen Tansania-LIAZ MT waren gefürchtet, weil damit die Knüppelgarde des Geheimdienstes unterwegs war [11].
Škoda-LKWs in der DDR
Für Laien sind die verschiedenen Škoda-LKWs in der DDR kaum zu unterscheiden gewesen, da sich die frühen RT nur durch die Trilex-Felgen und den Kühlmitteleinlass von den späteren Škoda 706 MT unterscheiden. Die Kommunalvarianten waren in der DDR eher Škoda RT, der Rest meist MT.
Aber fast alle Škoda-LKWs hatten das auch in der DDR sehr beliebte, viersitzige Frontlenker-Fahrerhaus (Trambus). Hier sind also ein paar besondere Vertreter der Škoda-LKWs auf den Straßen der DDR, die ich gesehen oder von denen ich gelesen habe:
- Müllfahrzeuge Škoda 706 RTK BOBR für Sammelcontainer [3, S. 24]
- Pritschenwagen Škoda 706 MT 4 und MT 5 mit längerem Radstand und 8,2 bis 8,9 t Nutzlast [3, 27]
- Dreiseitenkipper Škoda LIAZ 706 MTS 24 mit 8,6 t Nutzlast [3, 29]
- Sattelzugmaschine Škoda LIAZ 706 MTTN 3, 4 und 5 mit 200 PS und 9,1 t Sattellast [3, 32]
- Biertankwagen Skoda 706 MT AC 60/3 [12]
Soweit ich weiß, hatte die NVA keine Škoda im Einsatz. Aber sonst wurden die Škoda-LKWs in der DDR in verschiedensten Bereichen eingesetzt, einfach weil sie gegenüber dem IFA W50 fast die doppelte Nutzlast hatten und damit den großen Bedarf an schweren LKWs deckten:
- Kommunale Müllentsorgung,
- Sprengwagen,
- Kofferaufbauten für den schweren Werksverkehr,
- Sattelzugmaschinen für Speditionen wie die Deutrans,
- Großraumpritschen in der Landwirtschaft,
- Kipper im Bauwesen.
Škoda-LIAZ 706 MT kaufen?
Nun nehmen die Tschechen in Bezug auf die Produktionsprobleme bei LIAZ und die Verzögerungen beim eigentlich vorgesehenen Kippfahrerhaus kein Blatt vor den Mund. Insofern ist den Tschechen auch zu glauben, wenn sie für den LKW begeistert sind und am liebsten heute noch den Škoda 706 MT kaufen würden [4].
Vielleicht haben gerade die Produktionsprobleme bei LIAZ zur Legendenbildung beigetragen. Denn so ist das 1957 moderne Frontlenkerfahrerhaus des 706 RT während der laufenden Produktion der äußerlich fast unveränderten 190.000 RT und MT bis 1990 langsam zum Oldtimer gereift. Und es hat ja auch Vorteile, wenn man die Ventile bequem vom Fahrersitz aus einstellen kann.
Zudem wurden auch die Kinder in der Tschechoslowakei und der DDR frühzeitig an den Škoda 706 MTS 24 herangeführt. Selbst wir haben die robusten Škoda-Spielzeugkipper aus Bulgarien gern für unseren Sandkasten gekauft. Allerdings sind die beiden Kipper mittlerweile verschrottet.
Und als ich für den Beitrag so einen Škoda-Kipper 706 MT kaufen wollte, habe ich mich bei den aktuellen Preisen für gebrauchte Kinder-LKWs von Škoda ganz schön hingesetzt. Und lieber ein altes Foto aus dem Kinder-Garten rausgesucht.
Wobei unsere beiden vor langem gekauften Škoda-Spielzeugkipper von Gabrovo aus Bulgarien auch 706 RTS gewesen sein könnten. Da die Kühlerklappe fehlt, läuft alles auf die Frage hinaus, ob die typischen DDR-Sandkastenkipper Trilex-Felgen oder Scheibenräder, ein langes oder kurzes Fahrerhaus haben. Aber das kriege ich nur raus, wenn ich wirklich wieder mal so einen MTS24 für den Sandkasten kaufe.
Technische Daten des Škoda / LIAZ 706 MT
Beim Škoda-LIAZ 706 MT hat es 1969 zwar (noch) nicht für ein modernes Kippfahrerhaus gereicht, aber dafür wurde der bewährte Škoda 706 RT Stück für Stück in allen Aggregaten modernisiert und fortentwickelt. Und das ist ja immerhin besser als umgekehrt, wenn ein Facelift aufs nächste folgt, man aber technisch eigentlich immer denselben LKW kauft.
Technische Daten | Škoda / LIAZ 706 MT 4 |
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Quellen | Škoda Lastwagen und Busse, S. 90 // Typenkompass DDR-Lastwagen, S. 16 // Tschechische Wikipedia // LIAZ |
Vorgänger | Škoda 706 RT |
Nachfolger | LIAZ 100 |
Besonderheit | Lizenznachbauten in Bulgarien (Madara) und China (Huang He) |
Zeitraum | 1969 – 1990 |
Stückzahl | 100.000 Stk. |
Motortyp | R6-Direkteinspritzer |
Kühlung | Wassergekühlt |
Hubraum | 11.940 ccm |
Motor | Škoda M 634 |
Leistung | bis 155 kW / 212 PS im MŠ 634 |
Drehmoment | 755 Nm (77 kpm) |
Verbrauch | 28 l |
Getriebe | 2x 5+1 Splitgetriebe Praga 10P80 |
Allrad | 4×4 |
Rahmen | Leiterrahmen |
Fahrerhaus | Frontlenker |
Leergewicht Fahrgestell | 7,4 t (MTS 24) |
Zul. Gesamtgewicht | 16,0 t |
Radstand Allrad | 3.650 mm (MTS 24 und MTS 27) |
Quellen und Infos zum MT
Im großen Škoda-LKW-Buch gibt es viele historische Fotos, interessante Geschichten und technische Angaben zum Škoda-LIAZ 706 MT. Und auch die beiden kleinen Nachschlagewerke sowie die tschechische Wikipedia bieten gute Informationen rund um Škoda-LKWs und Busse.
Viele der Quellen zum MT sind ja Tschechisch. Auch wenn ich Suchanfragen wie Prodej LIAZ 706 MT (Verkauf LIAZ 706 MT) bei Seznam (dem tschechischen Google-Schreck) schon noch hinkriege, lasse ich mir die Webseiten einfach von meinem Browser übersetzen.
- [1] Michael Dünnebier: Škoda Lastwagen und Busse (Motorbuch-Verlag 2023): Klick
- [2] Michael Dünnebier: Typenkompass Osteuropäischer Lastwagen und Busse (Motorbuch-Verlag 2017, Seite 82-86): Klick
- [3] Ralf Kunkel: Typenkompass DDR-Lastwagen (Motorbuch-Verlag 2015, S. 27-33): Klick
- [4] Tschechische Wikipedia zum Škoda 706: Wiki CZ
- [5] Reichenberger Automobilfabrik RAF: WIKI D
- [6] Liberecer Autowerk LIAZ: Wiki D
- [7] Deutsche Wiki zum LIAZ 706 MT: Wiki D
- [8] Originalprospekte zum Škoda 706 MT (liaz.cz): Klick
- [9] Škoda-Feuerwehren scheinen immer auf dem alten 706 RT aufzubauen (bos-fahrzeuge.info): Klick
- [10] Private tschechische Fanseite zum LIAZ 706 MT mit Fotos (liaznavzdy.cz): Klick
- [11] Tschechischer Beitrag zum Tansania-LIAZ (motorguru.cz): Klick
- [12] Skoda 706 MT AC 60/3 Biertankwagen (Modellbausatz 1:87 H0): Klick
Im nächsten Beitrag geht es um denjenigen LKW, der eigentlich anstelle des Škoda-LIAZ 706 MT schon ab 1969 verkauft werden sollte, den Dakar-Rallye-Truck LIAZ 100/110.
Vielen Dank, sehr Aufschlussreich habe mit 16 Jahren meine ersten Fahrübungen auf ein MTS 24 gemacht bevor ich meine Lehre beim Kraftverkehr Leipzig begonnen habe bis heute der schönste LKW für mich inklusive was Skoda Liaz heraus gebracht hat.Kann mich noch an die Begeisterung meines Vaters errinnern als er in den 70’ern vom 706 RTS auf ein MTS 24 umgestiegen ist
Danke für deine Geschichte. Der Škoda-LIAZ MTS sieht zwar gleich aus, aber da steckt wirklich ein komplett anderer LKW drunter.