Škoda 706 RT: Gefährliche tschechische LKW-Legende
Der rundliche Frontlenker Škoda 706 RT von 1957 ist ein seinerzeit moderner tschechischer LKW mit einer gefährlichen Schwäche.
Seltene Škoda-LKW
Nun ja, das Foto von der Škoda 706 RTHP CAS25 Feuerwehr mit Doka ist nicht so toll. Hab ich in letzter Sekunde aus dem auf der böhmischen Elbe schaukelnden Paddelboot mit Handyzoom gemacht [11]. Aber obwohl die guten alten Škoda-LKWs früher so präsent waren, ist es heute schwer, mal ein Fotomodell zu finden. Selbst unsere jahrelang hart bespielten Škoda-Kinderkipper von Gabrovo sind mittlerweile verschrottet.
Umso mehr freue ich mich über das neue Buch zu Škoda Lastwagen und Bussen, für das der ehemalige Direktor des Dresdner Verkehrsmuseums Archive durchwühlt, Oldtimertreffen besucht und sein Wissen systematisch aufbereitet hat. So ist ein opulenter Infobildband entstanden, der mir mit geschätzten 500 Fotos, zahlreichen informativen Tabellen und einer Menge gebildeter Geschichten gerade die Adventszeit versüßt. Bin gleich motiviert, auch mal meine Bilder rauszusuchen.
Hab es da aber schwerer, denn ich will eigene Fotos aus freier Wildbahn und hab keine Zeit für Archive oder Oldtimertreffen. Doch obwohl selbst meine Kinder immer die Augen offen halten und einen ŠKODA von einem ZIL-131 von einem Praga V3S von einem Tatra 148 unterscheiden können, sieht man in Tschechien kaum noch Škoda 706 RT. Klar, die Entwicklung des rekonstruierten 706 Frontlenkers (RT = rekonstruovaný, trambusový) stammt genauso wie der erste Frontlenker von Mercedes aus 1955. Und einen LP 315 habe ich ja auch noch nie live gesehen.
Geschichte des Škoda 706 und 706 R
Dabei ist der Škoda 706 sogar ein LKW von 1939, der über mehr als 50 Jahre in 4 Generationen gebaut wurde. Während die ersten beiden Generationen des 706ers klassische Hauber waren, sind 706 RT und LIAZ 706 MT Frontlenker. [4]
- 1939 – 1943: Škoda 706 (Hauber mit Sechszylinder-Dieselmotor)
- 1945 – 1958: Škoda 706 R (rekonstruovaný = rekonstruiert)
- 1957 – 1970: Škoda 706 RT (rekonstruovaný, trambusový = rekonstruiert, frontlenkermäßig mit Direkteinspritzung)
- 1969 – 1990: Škoda/LIAZ 706 MT (modernizovaný trambus = modernisierter Frontlenker)
Die Produktion des Škoda 706 als Hauber mit Sechszylinder-Dieselmotor begann 1939 in Mladá Boleslav (Jungbunzlau) und kam unter der deutschen Besatzung bis 1943 nicht über 426 meist von der Wehrmacht eingezogene Exemplare hinaus. Doch heimlich haben die Tschechen noch im Krieg den Nachfolger 706 R entwickelt. Ein russischer Luftangriff vom 09.05.1945 um 19:00 Uhr hat das Škoda-Werk und sämtliche Maschinen jedoch so zerstört, dass die Produktion in die Flugzeugfabrik Avia in Prag verlegt wurde. Die Flugzeugproduktion war zu dem Zeitpunkt sowieso nicht vorstellbar. [4]
Und so lief der Škoda 706 R ab 1945 bei AVIA in Prag vom Band. Da Flugzeugwerker aber etwas Besseres sind als schnöde LKW-Monteure und die Tschechoslowakei 1950 dann doch wieder Flugzeuge herstellen wollte [4], wurde 1951 in Jablonec nad Nisou (Gablonz an der Neiße) das Liberecer Autowerk (Liberecké Automobilové Závody LIAZ) gegründet und die Produktion nach knapp 8000 Exemplaren in die neuen Werke um Reichenberg am Fuß des Isergebirges verlagert.
Nun hat die LKW-Produktion rund um Liberec schon eine lange Tradition. Schließlich bestand die Reichenberger Automobilfabrik RAF seit 1907. 1913 wurde RAF von Laurin & Klement aus Jungbunzlau übernommen, die ihrerseits 1925 mit Škoda in Pilsen fusionierten [6].
Allerdings verlief der Produktionsstart des Škoda 706 R bei LIAZ Ende 1951 etwas holprig. Viele Maschinen blieben in Prag, die Eisenbahnen waren überlastet und die für die Produktion festgelegten Fabriken zeichnen sich nicht gerade durch besondere LKW-Expertise aus [4]:
- Motoren des Skoda 706 R kommen aus einer alten Staubsaugerfabrik (Elektro-Praga Rýnovice, heute ein Ortsteil von Jablonec in Richtung Liberec / Reichenberg)
- Achsen produziert die Maschinenfabrik ROTEX in Liberec-Hanychov
- Fahrgestellmontage erfolgt in der ehemaligen Hutfabrik TONAK sowie
- einer Fabrik für Heimöfen in Mnichovo Hradiště (Münchengrätz)
Trotz der Schwierigkeiten hat Škoda von 1945 – 1958 insgesamt 28.400 der rekonstruierten Hauben-LKWs Škoda 706 R hergestellt. Hätte jetzt hier gern ein Foto. Aber so einen alten Škoda Hauber habe ich noch nicht gesehen.
Produktion des Škoda 706 RT von 1957 – 1970
Parallel zum Auslaufen der Hauberproduktion wurden bei LIAZ 1957 schon einmal 62 Frontlenker Škoda 706 RT als Vorserie montiert. 1958 startete dann die richtige Serienproduktion von 4.070 RT mit dem neuen Fahrerhaus und dem Lenkrad direkt hinter der Fahrzeugfront.
Weitere Besonderheit des Škoda 706 RT ist der Sechszylinder-Dieselmotor mit damals moderner Direkteinspritzung [3, S. 16], der seinen typischen, satten Sound direkt zwischen Fahrer- und Beifahrersitz entfaltet.
Auffälliges Merkmal des Škoda 706 RT sind auch die Trilex-Felgen, die den Reifenwechsel auf der Straße erleichtern.
Schon 1959 begann die DDR mit dem Import von Škoda 706 RT [2, S. 90], darunter 4000 Müllfahrzeugen 706 RTK [1, S. 101]. Aber auch die schweren 16-t-Kipper 706 RTS mit der im Vergleich zum IFA W50 fast doppelten Nutzlast waren weit verbreitet. Am häufigsten war der RTS aber in den tschechischen und generell osteuropäischen Sandkästen.
Auch unsere beiden RTS Kinderkipper taten selbst noch mit zerstörtem Fahrerhaus lange Dienst auf der Kinderbaustelle. Genau genommen sind diese DDR-Sandkastenkipper ja bulgarische Kipper von Gabrovo. Aber das passt, denn der echte Škoda RT wurde als Madara 706 ja auch in Lizenz in Bulgarien (und als Huang He QD 352 in China) gefertigt. [1, S. 93, 98]
Ab 1962 hat LIAZ den Škoda 706 RTHP als Tanklöschfahrzeug CAS 25 (Cisternová Automobilová Stříkačka) mit einem 3500-Liter-Tank und dem für tschechische Feuerwehren typischen Heckdachwerfer ausgeliefert. [7]
1964 rollte der erste Škoda 706 RTP mit Allradantrieb vom Band. 1968 dann, im Jahr des Prager Frühlings, erreichte LIAZ die Spitzenproduktion mit 9.142 RT, bevor die reguläre Montage des Škoda RT Ende 1970 nach 90.000 LKWs auslief.[4]
Tja, und dann sollte ab 1970 ein wesentlich modernerer Nachfolger des RT mit Kippfahrerhaus produziert werden. Aber es kam alles anders, was mir aber eine separate Geschichte zum Škoda 706 MT wert ist.
Trotz der schon laufenden Produktion des Nachfolgers hat das LIAZ-Werk 1984 und 1985 noch einmal 3.215 Škoda 706 RT aus restlichen und extra neu gefertigten Teilen montiert. LIAZ soll sogar noch bis in die frühen 1990er Jahre ein paar Handvoll der beliebten RT gefertigt haben.[4]
Kleine Typenkunde des 706 RT
Die einzelnen Typen und Ausführungen des Škoda 706 RT wurden recht konsequent durch einen angehängten Buchstaben bezeichnet [4]:
- Škoda 706 RT: Fahrgestell mit Fahrerhaus mit und ohne Pritsche
- Škoda 706 RTS: Kipperfahrgestell mit oder ohne Aufbau
- Škoda 706 RTS1: Kipper mit schneller Übersetzung
- Škoda 706 RTH: Fahrgestell für Sprengwagen
- Škoda 706 RTHP: Feuerwehrfahrgestell, meist für ein Tanklöschfahrzeug CAS 25 mit Dachwerfer
- Škoda 706 RTK: Müllwagen
- Škoda 706 RTTN: Sattelzugmaschine
- Škoda 706 RTD: Verlängerter Pritschenwagen mit Flachbett
- Škoda 706 RTP: Pritschenwagen mit Allradantrieb (ab 1964)
- Škoda 706 RTO: Omnibusfahrgestell
Stückzahl, Verbreitung und Bedeutung des RT
Während die tschechische Wiki von 90.000 Stück ausgeht [4], schreibt Dünnebier von 157.328 Škoda 706 RT [2, S. 79]. Das kann aber nicht sein, wenn 13 Jahre lang jährlich 4.000 bis maximal 9.000 Stück produziert wurden. Da glaube ich eher den Tschechen. Oder Dünnebier hat die bulgarischen und chinesischen Nachbauten mit eingerechnet.
Jedenfalls haben die RT mit dem großen, schicken Frontlenkerfahrerhaus und dem kernigen Motorsound das Straßenbild der Tschechoslowakei wie kaum ein anderer LKW geprägt. Dazu kommen ja noch einmal knapp 15.000 Busse RTO auf demselben Fahrgestell und mit einer typischen, rundlichen Gurkenform [1, S. 192].
In der deutschen Zulassungsstatistik des KBA taucht kein einziger regulär zugelassener Skoda LKW auf. Aber für Tschechien sind auf BOS-Fahrzeuge noch 45 Škoda 706 RT Tanklöschfahrzeuge gelistet [10], davon 6 im Ústecký kraj (Aussiger Kreis). Meine 200-m-Fernsichtung von der Elbe in Velké Březno [11] ist da aber nicht dabei.
Technische Daten des Škoda 706 RT
Bei Produktionsbeginn 1957 war der Škoda 706 RT ein moderner, leistungsfähiger Frontlenker-LKW, der es mit der westlichen Konkurrenz nicht nur optisch, sondern auch technisch aufnehmen konnte. Einzige Schwäche ist eigentlich die mechanische Feststellbremse ohne Federspeicher [8]. Da kann man zwar ohne Druckluft losfahren, aber nicht bremsen. Jedenfalls wurde mir immer eingeschärft, mich von den gefährlichen Škoda-LKW fernzuhalten.
Technische Daten | Škoda 706 RT |
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Quellen | Škoda Lastwagen und Busse, S. 90 // Typenkompass DDR-Lastwagen, S. 16 // Tschechische Wikipedia |
Vorgänger | Škoda 706 R |
Nachfolger | Škoda 706 MT |
Besonderheit | Früher Frontlenker mit Direkteinspritzung |
Zeitraum | 1957 – 1970 (Nachfertigung 1984-1992) |
Stückzahl | 90.000 Stk. |
Motortyp | R6-Direkteinspritzer |
Kühlung | Wassergekühlt |
Hubraum | 11.781 ccm |
Leistung | 118 kW / 160 PS |
Drehmoment | 687 Nm |
Verbrauch | 25-30 l |
Getriebe | 5+1 unsynchronisierte Gänge, optionaler Overdrive |
Allrad | 4×4 ab 1964 |
Rahmen | Leiterrahmen |
Fahrerhaus | Frontlenker |
Leergewicht | 5,8 t |
Gesamtgewicht | 15,0 t |
Radstand | 4.000 mm |
Quellen zu den technischen Angaben
Also mir hat die Literaturarbeit zum Škoda 706 RT Spaß gemacht. Hoffen wir mal, dass Michael Dünnebier seinen Unruhestand weiter kreativ nutzt. Wie wäre es denn mal mit einem Buch zum Praga V3S 6×6? Mit sowas würde ich mich gern im nächsten Advent an den Kamin setzen.
- [1] Auf 239 Seiten beschreibt Michael Dünnebier Škoda Lastwagen und Busse, darunter auf 20 Seiten den Škoda 706 RT sowie den Reisebus 706 RTO (S. 90-110, Motorbuch-Verlag 2023): Klick
- [2] Technische Daten zur Škoda-Baureihe 706 RT sowie Fotos von Pritschenwagen, Kranwagen, Müllwagen und Sprengwagen finden sich im Typenkompass Osteuropäischer Lastwagen und Busse (Michael Dünnebier, Motorbuch-Verlag, 2017, Seite 78-81): Klick
- [3] Der Typenkompass DDR-Lastwagen von Ralf Kunkel zeigt einige weitete Škoda 706 RT Pritschen-LKW, Dreiseitenkipper, Sattelzugmaschinen, Straßensprengwagen und Müllfahrzeuge (Motorbuch-Verlag, 2015, Seite 16-25): Klick
- [4] Tschechische Wikipedia zum Škoda 706: Wiki CZ
- [5] Infos zur Reichenberger Automobilfabrik RAF: WIKI D
- [6] Infos zum Liberecer Autowerk LIAZ: Wiki D
- [7] Liste tschechischer Tanklöschfahrzeuge CAS 25: Wiki D
- [8] Deutsche Wiki zum 706 RT: Wiki D
- [9] Tschechische Originalprospekte zum Škoda 706 RT (liaz.cz): Klick
- [10] Fotos und technische Daten tschechischer Feuerwehrfahrzeuge auf Škoda 706 RT (bos-fahrzeuge.info): Klick
- [11] Die Škoda-Feuerwehr aus dem Titelbild ist sogar im Satellitenbild zu erkennen (Google Maps): Klick
Und, habt ihr noch Geschichten zum Skoda 706 RT? Noch einen Kinderkipper im Sandkasten? Oder den Klang im Ohr? Vielleicht sogar einen der hübschen LKWs in der Halle stehen?
Im DEFA-Film „Weite Straßen – stille Liebe“ von 1969 ist Manfred Krug mit einem Škoda 706 RT „Auf Achse“: YouTube
Der Film wurde auf ORWO-Sw-Film NP 100 gedreht, sieht super aus, besser als das Kodak-Material.
(Da ist noch echtes Silber in der Gelatine 😉 Gibts noch immer als KB-Fotofilm…
Grüße Haubidü
Ich hatte nur Augen für den Škoda 706 RT gleich am Anfang des Films. Dann habe ich noch durchgezippt und die Szene gesehen, als der LKW dramatisch über der Brücke hängt und Manfred Krug sich abseilen muss. Aber den Rest der Handlung oder gar die Qualität des ORWO-Films kann ich nicht beurteilen.
Hallo Tom, ich denke beide Interessen sind ja nicht unbedingt Mainstream und etwas abseitig, das ist ja das Schöne dran… Ich freue mich auf weitere Blogs von Dir, es gibt immer wieder klasse Ideen und was zu staunen und zu lernen. Weiter so! Du hast einen festen Platz in meiner Leseleiste. Dir und deiner Familie
Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins Neue Jahr!
Grüße Haubidü
Ich danke dir für die Grüße und den Kommentar, denn da ich hier keine Cookies und kein Google Analytics habe, tappe ich immer ein bisschen im Dunkeln, ob oder wer sich für so einen abseitigen Beitrag wie zum Škoda 706 RT interessiert. Aber mir gefällt’s, und darauf kommt’s an. Ja, und jetzt sind wir schon 2.
Ich bin den Sattel, eine Zicke, ein Kipper mit großer Kabine und Mitte der 80ziger ein sogenannten Sprengwagen gefahren. Den hatte ich 1980 neu bei der Berliner Stadtreinigung bekommen und bis zur Wende gefahren. Diese Kommunalfahrzeuge haben aber keine 160 PS. Ich glaube das sie nur ca 130 oder sogar nur 120 PS hatten. Der Wechsel der Einspritzpumpe, die ich noch von meinem Sattel hatte, hat ihm die restlichen PS wieder gegeben. Da die alte Probleme machte und es keine gab, wurde umgestapelt, von Auto Trans zur Stadreinigung. Ist ja VEB gewesen
Ich suche schon seit langen einen der zum Verkauf steht, aber es gibt kaum welche. Dann sollte er auch als Kipper die große Kabine für 4 Personen haben. Sehr schwer!
Ich danke dir für deine schöne Geschichte zum Ŝkoda 706 RT. Wenn du da ernsthaft einen suchst, würde ich ins tschechische Internet gehen. Seznam.cz ist die dortige Suchmaschine, die sogar mehr Marktanteile als die Google-Suche hat. Mit dem Stichwort Prodej Škoda 706 RT findet man da vielleicht ab und zu mal was.
Ach so, was ich zum Škoda 706 RTTN noch fragen wollte: Was war denn an dem Sattel so zickig?