ᐅ Mercedes Allrad-LKW: Funktion Differentialsperre und Verteilergetriebe
Fast jeder Allrad-LKW hat eine Differentialsperre. Unser Mercedes 1124 sogar 3. Doch wie funktionieren Verteilergetriebe, Differentialsperre und Nebenantrieb? Das haben sich und dann mich auch die Mönche von Athos bei der ersten Probefahrt mit ihrem „neuen“ Feuerwehrwagen Mercedes 1222 gefragt.
Da schreib ich doch gern mal eine Anleitung fürs Fahren mit Verteilergetriebe, Differentialsperre und Nebenantrieb am Mercedes Allrad-LKW. Der MB 1222 (NG) nimmt sich diesbezüglich eh‘ nicht viel zum MB 1124 (LK).
Verteilergetriebe im Allrad-LKW
Funktion des Verteilergetriebes
Vom Getriebe führt eine kurze Gelenkwelle zum Verteilergetriebe. Dieses Verteilergetriebe verteilt die Kraft des Motors und die Drehzahl des Getriebes auf die Vorderachse und die Hinterachse.
Der Mercedes LK hat permanenten Allrad. Es werden also Vorderachse und Hinterachse immer mit angetrieben. In diesem Fall gibt es im Verteilergetriebe ein Differential, das Drehzahlunterschiede zwischen Vorderachse und Hinterachse ausgleicht.
Das Verteilergetriebe ist als Untersetzungsgetriebe schaltbar. Das Verteilergetriebe darf aber nur im Stand geschalten werden. Es gibt einen Straßengang, die Leerlaufstellung und einen Geländegang. Der Schalter dazu befindet sich neben dem normalen Schalthebel auf der Motorabdeckung.
Am Schalter für das Verteilergetriebe sind mehrere Symbole. Vorn ist das Symbol für den Straßengang – ein Gleichheitszeichen. Nach rechts ist die Neutralstellung – eine Null. Und hinten ist der Geländegang – eine gewellte Linie.
Schaltstellungen des Verteilergetriebes
Normalerweise fährt der Allrad-LKW im Straßengang. Da sind die Gänge 1:1 übersetzt. Und der LKW erreicht die angegebene Höchstgewindigkeit. Wenn der Allrad-LKW aber auf der Straße mal nur 60 schafft, ist im Verteilergetriebe höchstwahrscheinlich nur die Untersetzung gewählt. Oder das Verteilergetriebe hat nicht umgeschalten.
Im Geländegang wird das Getriebe nämlich noch einmal untersetzt. Der LKW fährt also im selben Gang nur halb so schnell. Je nach Übersetzungsverhältnis. Der Geländegang ist immer dann sinnvoll, wenn der LKW langsam fahren soll. Also an starken Steigungen oder im Gelände. Aber auch beim Rangieren ist der Geländegang im Verteilergetriebe sinnvoll.
In der Neutralstellung 0 hingegen wird überhaupt keine Kraft durchgeleitet. Diese Stellung hat praktisch keine Bedeutung. Es muss immer entweder der Straßengang oder der Geländegang eingelegt sein.
Funktion der Differentialsperren im Mercedes LKW
Varianten verbauter Differentialsperren
Differentialsperren mussten bei der Bestellung eines Allrad-LKWs separat geordert werden und sind daher nicht automatisch verbaut. Ein Allradantrieb ohne Differentialsperren ist sogar schlechter als nur ein Hinterradantrieb mit Differentialsperre. Wenn beim ungesperrten Allradantrieb nämlich ein einziges Rad im Schlamm frei drehen kann, wird die gesamte Kraft auf dieses eine drehende Rad geleitet. Die anderen drei Räder bleiben einfach stehen.
Daher werden Differentialsperren in allen allradgetriebene LKWs angeboten. Unterschieden wird nach Mitteldifferential- oder Längssperre, Hinterachssperre und Vorderachssperre. Erst wenn die Differentialsperre wirklich eingelegt ist, leuchtet die Kontrolllampe im Armaturenbrett.
Alle Differentialsperren werden bei Mercedes über kleine separate Drehschalter auf dem Motortunnel pneumatisch geschalten. Der Luftdruck legt also die Differentialsperre ein. Da die Differentialsperren selten benutzt werden, sollten die Ventile immer erst einmal gereinigt und in Betrieb gesetzt werden. Sonst gibt es Probleme beim Einlegen der Sperren.
Schon beim Kauf eines Allrad-LKW hilft ein kurzer Blick vor den Schalthebel. So wie hier bei unserem Mercedes 1124 mit Sperrenvollausstattung. Besonders selten ist die Vorderachssperre (links). Dagegen ist die Hinterachssperre (Mitte) recht häufig zu finden. Eine Längssperre hingegen (rechts) haben viele Allrad-LKWs von Mercedes. Die Schalter im Mercedes NG sind auch dieselben wie im LK.
Funktion und Schaltung der mittleren Differentialsperre
Die Längssperre sorgt dafür, dass sich die Wellen zur Vorderachse und zur Hinterachse immer gleichschnell drehen. Die Nutzung der Mitteldifferentialsperre ist vor allem sinnvoll bei sehr steilen Anstiegen mit engen Kurven und Rollsplitt. Die Längssperre ist eigentlich die Basisausstattung von Differentialsperren.
Wenn bei Allrad-LKWs überhaupt eine Differentialsperre vorhanden ist, dann die Längssperre im Verteilergetriebe. So wie bei diesem etwas armselig ausgestatteten Feuerwehr-Mercedes MB 1222. Doch für den jetzigen Einsatzzweck als Feuerwehrwagen auf der Mönchsrepublik Athos ist die Längssperre dieses MB 1222 bestimmt völlig ausreichend. Denn auf Athos gibt es kaum Kiesgruben und Sanddünen. Aber steile, enge Straßen.
Funktion der hinteren Differentialsperre
Die Hinterachssperre sorgt dafür, dass Kraft und Drehzahl immer gleichmäßig zwischen dem rechten und dem linken Hinterrad verteilt werden.
Das ist wichtig, wenn ein Hinterrad keine Traktion hat. Ohne Differentialsperre würde hier ein Rad immer frei drehen. Das eigentlich festsitzende Rad hingegen dreht sich überhaupt nicht.
Funktion der vorderen Differentialsperre
Die vordere Differentialsperre ist sehr selten. Aber ich kann versichern, im Gelände macht die vordere Quersperre die entscheidenden Meter. Ist schon erstaunlich, was vier gleichmäßig drehende Räder selbst im tiefen Sand für eine Traktion bringen.
Wobei man die Notwendigkeit einer vorderen Differentialsperre auch nicht überbewerten darf. Denn für einen Stellplatz habe ich die vordere Differentialsperre nie gebraucht. Für Spielereien im tiefen Sand aber schon.
Verwendung von Differentialsperren
Wenn der Schalter für die Differentialsperre gedreht wird, muss die Differentialsperre noch lange nicht eingelegt sein. Die Ventile können undicht sein oder die Sperre selbst kann klemmen. Erst wenn die Kontrollleuchte im Armaturenbrett angeht, ist die Differentialsperre auch wirklich drin. Und umgekehrt.
Die Schaltreihenfolge der einzelnen Differentialsperren ist festgelegt. Zuerst schaltet man die Längssperre im Verteilergetriebe. Dann die Quersperre der Hinterachse. Erst in der letzten Eskalationsstufe wird die Quersperre der Vorderachse eingelegt.
Die Differentialsperren sollten nur eingelegt werden, wenn das Fahrzeug leicht rollt oder steht. Nicht jedoch dann, wenn schon eine Seite durchdreht.
Allerdings darf man mit eingelegter Differentialsperre oder leuchtender Kontrollleuchte auf keinen Fall auf fester Straße fahren. Durch die hohe Traktion können bei eingelegter Differenzialsperre Drehzahlunterschiede zwischen einzelnen Rädern nicht ausgeglichen werden. In der Kurve müssen beide Räder ja unterschiedlich schnell drehen. Eingelegte Differentialsperren führen auf der Straße zu extremen Verspannungen, die bis zum Bruch des Differentials führen.
Deswegen verzichten gerade Armee-LKWs gern auf Differentialsperren, da ungeschulte Rekruten gern mit eingelegten Differentialsperren fahren und damit die Lebensdauer der LKWs deutlich herabsetzen.
Und Reparaturen an den Differentialen sind aufwändig. So wie hier beim Umbau der Achsübersetzung an der gesperrten Vorderachse unseres Mercedes LK 1124.
Nebenantrieb
Der neue Feuerwehrwagen der Mönche von Athos hat einen Nebenantrieb. Das kann alles mögliche sein. Vom Generator über die Wasserpumpe bis zur Seilwinde. Geschalten wird auch der Nebenantrieb pneumatisch. Allerdings kommt es hier darauf an, ob und was für ein Getriebe verbaut ist.
Bei mechanischen Getrieben mit Schaltsperre kann der Nebenantrieb nur im Leerlauf eingeschalten werden.
Getriebe ohne Schaltsperre können den Nebenantrieb im ersten oder zweiten Gang bei fahrendem Fahrzeug betreiben.
Bei Splitgetrieben kann der Nebenantrieb auch noch mit zwei verschiedenen Drehzahlen betrieben werden.
Verteilergetriebe und Differentialsperren: Quellen
- Foto vom Feuerwehrwagen MB 1222 in Athos und der Schalteinheit im MB 1222: Von und mit Genehmigung von Theodosios Simonopetritis
- Infos zu Verteilergetriebe, Differentialsperre und Nebenantrieb: Betriebsanleitung Mercedes Leichte Klasse (LK), S. 56 ff.
- Die richtige Betriebsanleitung für den MB 1222 (Mercedes NG) wäre die hier: Klick
Lieber Tom! Deine Beschreibung des Differentialgetriebes ist wirklich super gut und verständlich, einfach perfekt! Wir haben einen Mercedes Vario 814 Baujahr 1999 und fahren gerade zum Weißensee zum Eislaufen und werden ein paar Tage im Schnee campen. Wir müssen für die Frostschutzpumpe die Winterstellung einstellen, werden aber aus der Beschreibung nicht schlau. Beim Drehknopf in der Mitte sieht man oben und unten eine 1 und rechts und links eine 0. Wo muss der Pfeil hinzeigen, damit die Winterstellung aktiviert ist? Hast du eventuell auch ein Foto von dieser Einstellung? Wenn du uns hier weiterhelfen könntest, wären wir dir sehr dankbar! Liebe Grüße Brigitte und Andy
Ja, die Anleitung für die Benutzung der Differentialsperren des Mercedes 1222 sollten ja auch die Mönche von Athos verstehen. Ein paar beschriftete Bilder sagen da mehr als 1000 Worte.
Ihr habt offenbar einen druckluftgebremsten Mercedes Vario. Dazu habe ich keine Unterlagen. Die Frostschutzpumpe ist allerdings ein Standardbauteil, sodass ich mal in meine Unterlagen zum Mercedes LK von 1996 schaue. Das Problem in den Druckluftleitungen und Druckluftkesseln der Bremsanlage ist Kondenswasser, das im Winter vereisen und die Ventile blockieren kann. Bei Temperaturen unter +5°C solltet ihr freigegebenes Frostschutzmittel (Bevo, Blatt 325, Klick) auffüllen und dann den Hebel an der Frostschutzpumpe in Stellung 1 drehen. Die Frostschutzpumpe spritzt dann automatisch Frostschutzmittel in das Bremssystem, damit das Kondenswasser in der Druckluftanlage nicht gefrieren kann (Vgl. Mercedes-Benz AG: Neue Lastkraftwagen Leichte Klasse, Einführungsschrift für den Kundendienst, S. 127 f.)
Ich weiß allerdings nicht, ob euer Vario einen Drucklufttrockner und/oder Entwässerungsventile verbaut hat. Mit diesen Ventilen kann man das angesammelte Kondenswasser aus den Druckluftkesseln ablassen. Sollte man ggf. auch ab und zu mal machen.
Kauft einfach mal eine Bedienungsanleitung (in der Mercedes Werkstatt) und lest die in Ruhe durch. Die Betriebsanleitung finde ich auch super erklärt.