Berg Athos: Pilger-Welcome im Kloster
Das Kloster gibt sich mit dem Empfang für die Pilger echt Mühe, wobei wir gar keine Pilger, sondern nur Arbeiter sind.
Piste von Dafni zum Kloster Simonos Petras
Die aufwändige Einreiseprozedur nach Athos ist geschafft. Ab jetzt ist die Welt nicht mehr bunt, sondern nur noch Sepia.
Ach Quatsch, so einfarbig ist Athos gar nicht. Und ich glaube sogar, dass sich die Mönche freuen, wenn Pilger (oder Arbeiter) ein paar bunte Farbtupfer reinbringen. Wie ich jedenfalls so dastehe und mir Athos besehe, kommt nun doch der angekündigte Lotse in seinem Land Rover. Und er hat sichtbar Spaß daran, uns Staub fressen zu lassen. Mönche sind eben auch Männer. Das erste, was er übrigens bewundert, sind meine 2 hübsch abgedeckten Ersatzräder auf dem Dach. Wusste doch, dass die Eindruck machen.
Das Tempo kommt mir allerdings entgegen, denn wie schon in Albanien auf der Südroute von Theth nach Shkodra festgestellt, ist nichts schlimmer, als dass auf einer Piste ein langsamer Geländewagen vor einem herumkutscht, während ich mit dem Mercedes 711 ja immer Schwung brauche. Aber außer Staub bietet diese Piste keine Herausforderung.
Meine ganzen Ängste, die Pisten auf Athos wären zu steil für unseren 4×2-Camper, stellen sich als unbegründet heraus. Und beim Mercedes T2N/Vario ist Allrad mal wieder überbewertet. Die Pisten sind breit, in einem guten Zustand und nicht zu steil. Meist reicht der zweite Gang. Das ist zwar auch der Wanderweg zum Kloster, aber hier wandert kein Pilger lang. Die Pilger werden mit dem Allrad-Sprinter abgeholt.
Gibt immer schöne Aussichten runter aufs Meer, bald schon auch aufs Kloster Simonos Petras. Und über allem thront der 2.033 m hohe Mount Athos, der aussieht, als ob er gerade vulkanisiert. Dabei ist das gar kein Vulkan.
Stellplatz am Kloster Simonos Petras
Wir müssen uns im Kloster erstmal orientieren. Bin noch sehr vorsichtig, weil ich nichts falsch machen will. Aber unser Mönch ist supernett und lässt uns gleich heimisch fühlen. Es gibt sogar mehrere Stellplätze zur Auswahl. Ich wähle den neben einem Mercedes 1222 AF oberhalb vom Kloster. Dort stehen wir gerade und zentral. Wasser, Schatten und sonstigen Luxus haben wir ja selbst dabei, brauchen also keine Versorgung. Allerdings sieht uns hier jeder Pilger, der zum Kloster will.
Dafür ist es von unserem Stellplatz nicht weit bis zum Sorgenkind, einem Unimog U1300L der Bundeswehr, der auf Athos nun als Spreng- und Gerätewagen dient.
Pilger-Welcome im Kloster
Aber so schnell geht die Arbeit nicht los, denn Effizienz, Produktivität und Termintreue sind keine Erfindungen aus Athos. Ganz im Gegenteil basiert die tausendjährige Kontinuität der Klosterinsel ja gerade auf dem Beibehalten von Althergebrachtem. Und genau deswegen sind wohl auch die meisten Pilger hier.
Viele Pilger streben mit der Einreise in die Mönchsrepublik Athos wohl endlich mal Ruhe vom hektischen, auf ständige Veränderung und Optimierung ausgerichteten Leben da draußen an. Die Pilger halten inne auf einer Insel, auf der es nur Männer und eben keine Verpflichtungen gibt. Tatsächlich ist das aber ein Irrtum. Denn u.a. ist Athos gar keine Insel, sondern eine Halbinsel.
Komisch ist aber, dass die Pilger alle das gleiche Gesicht zeigen. Da sehe ich nichts vom Frohlocken und Jauchzen. Als wir mit den Pilgern zum Empfang im Kloster geführt werden, probiere ich auch mal, ausdruckslos zu gucken. Allerdings bin ich nicht so das Lamm, sondern eher Hammel und kann mich insofern nicht ganz der klösterlichen Ehrfurcht hingeben. Muss auch an das Heil meiner Jungs denken.
Das ist jetzt nicht negativ gemeint, aber die fürsorglichen Mönche nennen sich nicht umsonst alle Vater Soundsosius. Die verstehen die Pilger wirklich als ihre Schäfchen, die gehegt und gepflegt und auf die richtige Weide geführt werden müssen. Das fängt damit an, dass hier kein Pilger zu Fuß ins Kloster kommt, sondern von der Fähre in Dafni abgeholt wird. Und das erklärt auch das Frauenverbot. Also ich jedenfalls kenne keine Frau, die sich derart devot herumführen lassen würde.
Zur Begrüßung gibt es eine Art Welcome-Party für die neuen Pilger. Nur eben ohne Party. Wir sind zwar zum Arbeiten hier, nehmen aber trotzdem am Empfang für die Pilger teil. Ein vielsprachiger Mönch erklärt das ganze Pilgerprogramm, das früh um 04:00 Uhr mit einer Messe beginnt. Den Rest habe ich schon wieder vergessen. Betrifft uns ja nicht.
Dann werden wir mit den Pilgern in den schon eingedeckten Pilgerspeiseraum geführt. Und zwar mit einer solchen jeden Widerspruch ausschließenden Höflichkeit und Fürsorge, dass ich schon damit rechne, jetzt gleich von den Mönchen in einen TrippTrapp gezwängt und gefüttert zu werden. Aber noch sind wir unsicher und sitzen genau wie die anderen 13 Pilger mit gesenktem Kopf schweigsam an dem einen langen Tisch und stochern im Essen.
Wenn man Obst und Gemüse mag, ist das Essen reichlich und gut. Aber es traut sich keiner der Pilger, auch nur ein Wort zu sagen oder mal aufzublicken. Das kennen wir von unserem fast genauso großen Küchentisch nun ganz und gar nicht. Gemeinsames Essen ist kommunikativer Lebensmittelpunkt. Dann ist es 14 Uhr und plötzlich verschwinden alle Pilger. Ich will jetzt nicht sagen, endlich. Aber die Stimmung bei uns vorn an der Arbeiterecke wird deutlich gelöster.
Unterkunft der Pilger und der Arbeiter
Die Pilger bekommen Pilger-Kammern im Kloster. Wir sind in der strengen klösterlichen Hierarchie niedriger angesiedelt und man zeigt uns ein Zimmer im neu wie alt gebauten, etwas abseitigen Arbeiterhaus. Hmm. Naja. Die Attraktivität der optionalen klösterlichen Behausung sinkt. Lege also mein Pilgergesicht ab und storniere den Übernachtungsplan der Mönche. Wenn ich Pilger in Athos wäre, hätte ich sowieso mein Ultraleichtzelt dabei. Denn frei und ungebunden kann ich am besten in mich gehen.
Wir nutzen aber zumindest den Kühlschrank der verwahrlosten Arbeiterküche. Und das auch nur notgedrungen, weil mein Reparaturversuch am Absorberkühlschrank im Bus erfolglos war. Da werde ich wohl nochmal ranmüssen.
Pilger-Siesta im Kloster
Am Nachmittag knallt die Sonne voll auf die Bergflanke und es ist echt heiß. Da läuft kein Pilger oder Mönch freiwillig draußen herum. Alle hängen wahrscheinlich in kühlen Räumen ab und machen Mittagsmeditation. Jedenfalls passiert nichts und man sieht auch niemanden.
Nur die Gastarbeiter sind am Werkeln. Auch wir bauen den ganzen Hitzeschutz auf und richten uns häuslich ein. Der Bus steht ganz günstig zur Sonne und so dicht neben dem Mercedes 1222 AF, dass wir auch von der Seite Schatten haben. Dazu weht frischer Wind durchs Aufstelldach, und Türen muss man ja auf Athos sowieso nicht nur nicht abschließen, sondern noch nicht einmal überhaupt zumachen.
Arbeit am Unimog
Tja, hier in der Werkstatt ist zwar auch niemand. Aber ich bin kein Pilger und nicht zum Faulenzen auf Athos. Schleppe also meine Werkzeugkiste hoch zum Unimog, bei dem die Kupplung nicht mehr funktioniert.
Auf dem Hof der Werkstatt laufen einige Katzen und Kater herum, die zwar recht scheu, aber extrem neugierig sind. Kaum legt man irgendwo was hin, sitzen sie drauf. Wenn ich aber komme, flitzen sie weg.
Während also die Jungs die ganze Zeit mit den Katzen spielen, sprühe ich schonmal alle relevanten Schraubverbindungen mit WD40 ein. Sehe recht schnell, dass der Unimog U1300L in einem erbärmlichen Wartungszustand ist.
Wenn ich die schwarze Bremsflüssigkeit sehe, weiß ich, warum das Kupplungspedal durchfällt. Fange gleich mal eine Liste mit notwendigen Arbeiten an. Am frühen Abend kommt der Werkstattmönch und gibt mir die schon im Vorfeld mittels meiner Glaskugel bestellten Ersatzteile. Der Einbau neuer Geber- und Nehmerzylinder ist schnell gemacht.
Allerdings fehlen neue Kupplungsschläuche und ich muss beim Wechsel der uralten Bremsflüssigkeit aus der Kupplungsbetätigung anfangen zu improvisieren. Unterhalte nebenbei auch noch drei Kinder. Was, schon 22 Uhr? Schluss für heute. Entlüften machen wir morgen.
Küchenputz im Arbeiterhaus
Das Klosteressen haben wir wegen der psychischen und zeitlichen Zwänge direkt abbestellt. Da putze ich lieber vor dem Abendbrot auch noch die Küche im Arbeiterhaus. Fühle mich wie Günter Wallraff und wasche erstmal das ganze Geschirr ab, egal ob von uns oder unseren Klassengenossen. Dann kratzen wir den Schmand von Tischen, Platten und Kochstellen. Endlich sieht es hier wieder wie eine Küche aus und wir können gesittet das Abendbrot einnehmen.
Ich mache das natürlich auch mit Blick auf meine Rolle als wirklicher Vater, da bei meinen Schäfchen ein gutes Vorbild wesentlich besser funktioniert als so eine klösterliche Befehlskette. Zumindest langfristig. Hoffe ich.
Jetzt um 23 Uhr steht der Mond rund und voll über dem schon lange abgeschlossenen Kloster und es weht ein kühler Wind. Wir schlafen natürlich frisch und frei im Bus. Die Frage ist nur noch, ob ich die Markise einklappe oder nicht. Ach, egal. Ab ins Bett jetzt.
Ouranoupoli / Ουρανούπολη – Dafni / Δάφνη (Fähre) – Heiliges Kloster Simonos Petras / Ιερά Μονή Σίμωνος Πέτρας | Athos | 8 km | 2.798 km