Karyes: Turbulente Hauptstadt der Mönchsrepublik Athos
Karyes als Hauptstadt der griechisch-orthodoxen Mönchsrepublik Athos ist Zentrum, Einkaufsmeile und Rummelplatz der Mönche.
Lage von Karyes, der Hauptstadt auf Athos
Karyes ist nicht nur das Zentrum und die einzige „Stadt“ auf Athos, Karyes liegt auch genau in der Mitte der Mönchsrepublik.
Kurzer Weg von Koutloumousiou nach Karyes
Der Wanderweg vom Kloster Koutloumousiou nach Karyes ist ein Witz. Sieht man ja gut im Luftbild. Unten links das Kloster. Oben in der Mitte ist schon die sogenannte Hauptstadt der Mönchsrepublik Athos. Das sind auf direktem Weg gerade mal 500 m.
Dabei ist Karyes keine Hauptstadt der Mönchsrepublik im eigentlichen Sinn, sondern lediglich eine Ansammlung von ein paar Läden, Dienstleistern, Verwaltungsbauten und Konaki genannten Niederlassungen von Klöstern. Dieses Konaki zum Beispiel wird hier gerade mit einfachen Mitteln saniert. In dieser Bruchbude wohnen die Abgesandten des serbischen Kloster Hilandars für die Heilige Versammlung der Mönchsrepublik. Vor allem die improvisierten Schornsteine finde ich immer interessant. Da kann ich mir direkt ausmalen, wie es drinnen aussieht. Und nur der mitleidigen Maria ist es zu verdanken, dass es nicht öfter brennt.
Der erste Bäcker hat so komische Schilder draußen. Nee, der noch nicht. Merke aber am zentralen Kirchplatz, dass nach den ersten drei Häusern die halbe Stadt schon vorbei ist und bestimmt nicht noch ein Bäcker kommt. Schon gar kein besserer. Also die 50 m wieder zurück.
Mein Reflex war schon nicht verkehrt. Denn es gibt genau noch fünf Blätterteigtaschen. Zwei mit Feta und drei mit Spinat. Na toll. Aber das ist nicht nur der einzige Bäcker in Karyes, sondern in der ganzen Mönchsrepublik. Da hatte ich mir nach bislang 90 km Wanderung mehr versprochen. Okay, eins von jeder Sorte.
Übrigens ist Karyes wirklich so klein, wie es aussieht. Ich stehe hier ein paar Schritte vom ersten Gebäude entfernt und sehe schon den Kirchplatz. Mehr isses nich.
Links geht zwar noch eine kleine Gasse ab. Aber da kommt auch nur die Niederlassung des Russenklosters Panteleimonos.
Karyes, Hauptstadt der Mönchsrepublik Athos
Orientierung in Karyes
In Karyes steppt der Bär. Also zumindest könnte er das, denn der zentrale Platz ist eine große Wiese um die Kirche des Protaton.
Gegenüber gleich der Friedhof. Hinten rechts ist die Niederlassung vom Kloster Iviron.
Tja, und vom Friedhof aus sieht man dann schon wieder die Kirche des Protaton mit dem Glockenturm.
Das war’s mit der großen Hauptstadt der Mönchsrepublik Athos. Ist echt nur dieser Kirchplatz mit einer Reihe Häuser und drei Gassen ringsum. Und was wie Wohnhäuser aussieht, sind die Unterkünfte für die 19 Äbte und Abgesandten der Insel. Der 20. Abt von Koutloumousiou hat ja sein Kloster.
Verwaltung der Mönchsrepublik
Karyes ist eben genauso wenig eine Stadt, wie die Mönchsrepublik eine Republik ist. Der Heilige Berg Athos ist eher so eine Art loser Verbund von 20 kleinen Klosterkönigreichen. Die Äbte schicken in ihrer Funktion als die regionalen Könige je zwei Vertreter in die zentrale Verwaltung, damit die Mönche nach Herzenslust in der Heiligen Versammlung (Hierá Sýnaxis) palavern, aber letztlich nichts bestimmen können.
Es gibt auf Athos ja nicht einmal eine gemeinsame Uhrzeit. Also Mönchsrepublik? Nee, der Begriff ist wirklich lustig. Klingt irgendwie so demokratisch. Wahrscheinlich wollte man sich mit dem Begriff der Mönchsrepublik vor 1000 Jahren von den umliegenden König- bzw. Kaiserreichen abgrenzen. Aber dabei ist es dann geblieben.
Das Ding hier heißt ja auch nicht Parlament, sondern das ist die Heilige Versammlung (Ιερή Επιστασία). Aus der Mitte von je 2 Abgesandten der 20 Klöster auf Athos werden 4 Mitglieder der Regierung (Protat) bestimmt, die Beschlüsse nur einstimmig treffen dürfen. Das ist ganz clever geregelt, denn jeder hat 1/4 Siegel und nur alle 4 Teile zusammen ergeben das Siegel der Mönchsrepublik Athos.
Ich glaube schon fast, dass die einzig gemeinsame Verwaltungsarbeit darin besteht, das Pilgerbüro in Ouranoupoli zu betreiben. Früher musste man das Diamonitirion hier in diesem Gebäude in Karyes beantragen. Aber das macht natürlich keinen Sinn.
Verkehrszentrum Karyes
Die einzige befestigte Straße der Mönchsrepublik führt vom Fährhafen Dafni über die Berge nach Karyes. Hier im Zentrum kommen die Pilger-Sprinter von der Fähre an. Wer keinen Kloster-Shuttle hat, muss von hier ein Taxi oder so einen Taxi-Bus nehmen.
Tankstelle der Mönchsrepublik
In Karyes gibt es auch die einzige öffentliche Tankstelle der Mönchsrepublik. Der Liter Diesel kostet übrigens genau einen Euro.
Berufsfeuerwehr der Mönchsrepublik
Eine weitere große Sache in der Mönchsrepublik Athos ist die Berufsfeuerwehr. Ausweislich der Nummernschilder sind das aber griechische Fahrzeuge. Die Kennzeichen der Feuerwehren der einzelnen Klöster beginnen hingegen mit AO für Ágion Óros (Άγιον Όρος / Heiliger Berg).
Polizeistation von Karyes
Auch die Polizei wird nicht direkt von der Mönchsrepublik, sondern von Griechenland gestellt. Und so haben die Polizeifahrzeuge auf Athos griechische Kennzeichen. Würde mich mal interessieren, was die im Jahr so für Fälle bearbeiten. Ikonenbeleidigung? Äpfelklau? Mönchsstalking? Fastenbruch? Kurze Hosen?
Irgendwelche Verkehrskontrollen scheint die Polizei jedenfalls nicht zu machen. Gibt ja sowieso keinen TÜV in der Mönchsrepublik Athos.
Entsprechend beliebt sind und entsprechend lange fahren die alten LKWs kreuz und quer über die Halbinsel Athos.
Einkaufsparadies der Mönchsrepublik Athos
Die Shoppingmeile der Athos-Hauptstadt kommt höchstens auf 100 Yards. Ich stehe fast am Hauptplatz. Hinten am Taxistand ist das Ende. Mehr ist das nicht. Und Karyes ist die einzige Einkaufsgelegenheit in der ganzen Mönchsrepublik. Abgesehen von den Ikonen- und Souvenirshops an den Klöstern und in Dafni.
Zur anderen Seite ist die Einkaufsmeile schon wieder zu Ende.
Aber trotzdem isses hübsch in der Mönchsrepublik.
Und in Karyes sieht man mal Mönche, die einer ganz normalen Beschäftigung nachgehen.
Wer jedenfalls das Gefühl kennt, nach drei Wochen in der Wüste endlich mal wieder in einem richtigen Supermarkt zu sein, kann nachempfinden, was die Mönche fühlen mögen, wenn sie aus allen Teilen der Mönchsrepublik nach Karyes strömen. Selbst das ist nämlich normalerweise gar nicht so einfach.
Entsprechend breit aufgestellt ist das Angebot in den beiden Supermärkten. Wobei das eher Tante-Emma-Läden sind. Nur ohne Emma.
Und trotzdem geht es in der Mönchsrepublik ziemlich modern zu. Gibt einige Produkte, die auch bei uns gerade hip sind. Und das Fleisch wird auch nicht nur für die Gastarbeiter sein.
Die Supermärkte der Mönchsrepublik sind echte Vollsortimenter. Nur Brot gibt es keins.
Das große Fressen von Karyes
Auch ich kann mich nicht beherrschen und kaufe viel zu viel ein. Cola, Bananenmilch, Joghurt, Pfirsiche, Nektarinen, Bananen. Hab jedenfalls keinen Plan, wie ich das alles in den Rucksack kriegen und die nächsten Tage schleppen soll. Denn jede 100 Gramm mehr sind bei den Höhenmetern auf meiner Wanderung wie eine Tonne Sand schippen.
Trinke also erstmal die Bananenmilch aus. Hinterher die halbe Cola. Dann noch einen Joghurt. Einen Pfirsich. Und dieses komische Fetagebäck.
Danach ist mir schlecht. Kann mich kaum bewegen. Hätte ich doch bloß mal nicht so viel gekauft. Wasser, Brot und ein bisschen Obst hätten doch vollkommen gereicht. Muss also erstmal ewig lange im Stadtzentrum von Karyes sitzen bleiben und den ganzen Mist verdauen.
Was machen Griechisch-orthodoxe Mönche in Karyes?
Ist aber interessant, vor dem Gebäude der Hierá Sýnaxis („Heilige Versammlung“) herumzusitzen. Es kommen viele Pilger und Mönche vorbei. Normalerweise sind ja alle Mönche gleich angezogen. Die einen haben etwas schäbigere Kutten, manche etwas bessere. Aber hier in Karyes sitzen ja die Chefs und die gesamte Verwaltung der Insel. Da laufen sogar Mönche mit feinen lila Seidenkutten rum. Also ganz hohe Tiere. Oder die sich dafür halten.
Griechisch-orthodoxe Mönche sind ja auch nur Menschen und bilden insofern den Querschnitt der Gesellschaft ab. Es gibt große und kleine, dicke und dünne, lustige und ernste Mönche. Nur bärtig sind sie alle.
Und alle sind hier auf dem großen Jahrmarkt der Mönchsrepublik.
Manche Mönche haben einen Pilger im Schlepptau. Ist bestimmt nervig, wenn man sich ständig um andere Leute kümmern muss und seinen eigentlichen Verpflichtungen nicht nachkommen kann. Und dann die Unterwürfigkeit der Leute. Nee, das wäre nichts für mich. Beides nicht.
Eins aber eint die Mönche auf Athos, das ist die Liebe zu Pick-ups und Geländewagen. Auch wenn die natürlich auf den heutigen, breiten Pisten ziemlich überflüssig sind.
Heiliger Städtebrei der Mönchsrepublik Karyes
Nach einer Stunde auf dem Boulevard von Karyes stopfe ich meinen ganzen Rauscheinkauf in den Rucksack, der nun viel zu schwer ist. Dabei ist die Kunst beim Wandern, mit möglichst wenig Vorräten und Gepäck auszukommen, also alles knapp zu kalkulieren. Aber das eine ist halt Theorie, das andere die Praxis. Trotzdem kann das Wandergepäck nie leicht genug sein. Am besten wäre, sich wie eine Katze aus dem Land zu versorgen. Aber das wird in der Mönchsrepublik schwierig.
Naja, egal. Jetzt muss ich mich erstmal durch den Häuserbrei von Karyes wurschteln. Hier scheint jeder bauen zu können, wo und wie es ihm beliebt, solange das Häuschen nur irgendwas von einem Kloster hat.
Wer etwas auf sich hält, errichtet im Hinterhof sogar eine kleine Kapelle.
Nach einer kleinen Irritation bin ich dank GPS wieder auf dem richtigen, nun wieder sehr einsamen Pilgerweg zum Kloster Stavronikita.
Ein Stück abseits des Einkaufs- und Pilgertrubels wird es in der großen Hauptstadt der Mönchsrepublik Athos wieder ganz ruhig.
Und so schön wie es ist, wenn mal Leben in der Bude ist, aber die versteckten Ecken von Karyes gefallen mir am besten.
Nur mein Rucksack ist zu schwer. Könnte vielleicht noch einen Pfirsich essen. Aber der ist innen so gut wie verfault. Bin fast froh darüber und lege gleich die ganzen drei Pfirsiche für die Ameisen an die Seite.
Karyes ist eigentlich so wie dieser Pfirsich. Erst denkt man sich, wie toll das alles ist. Lecker sieht`s auch aus. Aber tatsächlich ist dann doch alles irgendwie ein bisschen fad. Nee, das Zentrum der Mönchsrepublik ist vielleicht für Mönche eine Attraktion. Aber mir als zivilisationsgeschädigtem Besucher gefällt es in den Wäldern und rund um die Klöster von Athos wesentlich besser. Freue mich schon auf das Kloster Stavronikita.
Karyes, Hauptstadt der Mönchsrepublik Athos: Infos
- Offizieller Name: Karyes / Καρυές
- Anzahl der Einwohner: ca. 165
- LKW-Sichtungen: LP 811, Mercedes LK 1117, Unimog U 2150, Renault M210
- Zufahrt: Betonstraße vom Haupthafen in Dafni
- Mehr Infos zu Karyes: Wiki
- Hier gibt es eine Karte mit der Übersicht und Beschreibung aller Klöster auf Athos.
- Wanderstrecke: Koutloumousiou – Karyes | 0,5 km lt. Karte (1,0 km mit Umwegen) | 0,25 h netto | 30 m Aufstieg (roter GPS-Track in der Karte von Athos)
die größe der stadt im vergleich zum land … ist sehr treffend …
Karyes ist relativ zu Athos gesehen genauso groß wie Berlin im Vergleich zu Deutschland und stellt als Hauptstadt auch ungefähr 1/20 der Gesamtbevölkerung der Mönchsrepublik Athos.