Norwegen: Hinnøya, deine Farben!
Von Eis und Schnee in den schwedischen Bergen von Abisko runter zu Sonne und Regen auf der norwegischen Insel Hinnøya.
Schneeberge um Abisko
Nach dem gestrigen Nordlichtspektakel hier bei Kiruna sind in der Nacht viele Wolken aufgezogen. Am Morgen alles grau in grau. Da es mit -10°C nicht sehr kalt ist, könnte Schnee im Anmarsch sein. Und bei Schnee ist die Passstrecke der E10 von Kiruna über Abisko nach Narvik sicherlich kein Vergnügen. Also los. Heute müssen wir schnell machen.
Trotz der Kälte und ohne nächtliche Heizung funktioniert die Dämmung im Wohnmobil. Aber an und um die Ringschrauben, die über Einziehmuttern direkt in die Dachprofile geschraubt sind, bildet sich Kondenswasser. Das war mir auch vorher klar und ist kein Problem. Die Luftentfeuchtung findet sowieso vorne an der Frontscheibe statt.
Aber ich brauche die kräftigen Ringschrauben, weil dort während der Fahrt das Hubbett gesichert wird. Starte mitten im Umbau schon mal den Motor. Der OM 364 springt an, läuft aber ziemlich unrund. Klar, wenn die Dieselstandheizung nicht geht. Ob ich Spikes montiere? Nee, jetzt noch nicht. Noch sind die Straßen nur vereist. Wenn ich aber zwei Stunden Spikes in die Reifen schraube, könnte ich oben in Abisko schon in den Schnee reinkommen.
Trotz der Spurrinnen fährt es sich ganz gut, denn durch die Kälte ist das Eis stumpf und nicht besonders glatt. Auch die Bremsprobe zeigt, dass Winterreifen und ABS ihre Arbeit super machen. Also weiter wie gehabt. Rechts der lange, zugefrorene See Torneträsk, an dessen Rissen und Eisschollen man sieht, wie Eis und Wind arbeiten.
Immer dichter kommen wir an die Berge, die so aussehen, als ob man mit einem kleinen Spaziergang hochlaufen könnte. Dabei ist der Schnee einen Meter tief und man kommt kaum von der Straße weg. Selbst mit Schneeschuhen wird das wohl nichts mit „schnell mal auf den Berg laufen“.
Dazu ist erstaunlich, dass links auch immer noch die Erzbahn von Kiruna nach Narvik verläuft. Manchmal durch Tunnel, meist aber über offene Strecke. Wenn es hier schneit, müssen die ordentlich räumen, um ihr Erz nach Narvik zu transportieren.
Dann das schwedische Skizentrum Abisko. Skihänge, Skihütten, Schneemobilrennen.
Kurz danach Hunderte Rentiere auf einem Hügel. Ist unklar, was die da fressen. Aber irgendwie scharren die Rentiere im Schnee und holen sich etwas, das darunter liegt. Machen das ja auch nicht erst seit gestern. Trotz des Zauns sind die recht scheu. Kaum ist man 100 m ran, setzen die sich in Bewegung.
Hier auf dem Foto sieht man gut den Straßenzustand. Das Dunkle ist blankes Eis. An den hellen Stellen ist das Eis von Schnee bedeckt. Aber es fährt sich mit den Falken Wildpeak als echten Winterreifen mit weicher Gummimischung nicht so schlimm, wie es aussieht. Reifen und LED-Zusatzscheinwerfer waren meine beste Vorbereitung für diese Polartour. Dabei wirken die LED-Lämpchen auf dem Dach am Tag so mickrig, sind in der Dunkelheit aber echte Monster.
Vereiste E10 von Abisko nach Narvik
Die Grenze nach Norwegen ohne Kontrollen oder Besetzung. Klar, das Einreiseverbot für Wohnmobile ohne Hybridantrieb war natürlich mein Aprilscherz 2023.
Hier oben auf dem Pass von Abisko merkt man schon, wie die relativ warme Luft vom Atlantik am Gebirge aufsteigt und es sicherlich gern und oft und viel Schnee gibt. Sieht schön aus mit der Sonne, dem Schnee und den Wolken.
Aber die Straße ist nun schon etwas rutschig mit dem Eis und dem Schnee oben drauf. Der Winterdienst sorgt nur dafür, dass es keine Verwehungen gibt, stumpft die Oberfläche aber nicht ab. Warum auch, hier im Norden fahren alle mit Spikes.
Müsste mich jetzt zwar hinstellen und in zwei Stunden die Schraub-Spikes montieren. Doch was nützen mir die Spikes? Ich könnte vor allem schneller fahren. So wie die Norweger eben auch. Nee, da fahre ich lieber langsam und spare die Zeit fürs Einschrauben. Ist ja nicht weit bis runter ans Meer. Will erst mal schauen, wie die Straßen unten am Atlantik sind. Erst wenn es da auch Eis gibt, mache ich die Spikes rein.
Und so kommen wir bald sicher runter. Dass wir unten sind, erkennen wir erst, als links Wasser zu sehen ist. Also richtiges, flüssiges Wasser. Das ist der Ofotfjord als letzter Zipfel vom Vestfjord. Das ist der Atlantik.
Nur eine halbe Stunde brauchen wir für die 500 m bzw. 30 km vom Pass Abisko bis zum Meer. Sehen dann auch schon die Brücke nach Narvik, die wir allerdings links liegen lassen. Wir wollen direkt auf die Lofoten.
Einmal rund um den Ofotfjord
Mittagspause auf einem Platz, der komplett vereist ist. Hier aber ist das Eis oberflächlich angetaut und dadurch extrem glatt. Dazu läuft das Wasser in Strömen übers Eis. Wenn die Straßen so wären, würde ich ohne Spikes keinen Meter fahren. Dabei geht es mit den Reifen noch. Zu Fuß klatsche ich direkt hin.
Rufe zwischendurch bei der Walsafari an. Mist, seit 2 Wochen fand wegen des schlechten Wetters schon keine Walsafari mehr statt. Schicke trotzdem eine E-Mail mit unserem Reservierungswunsch. Mal sehen, ob und wann wir ein Okay kriegen, denn davon hängt jetzt die ganze weitere Reiseplanung ab.
Wir trödeln aber nicht lange, sondern fahren weiter in Richtung Lofoten. Mittlerweile beginnt die schönste Stunde des Tages.
Alles ist in warmes Licht getaucht und unsere Kunstexpertin erklärt uns ganz begeistert was vom Komplementärfarben- sowie vom Hell-Dunkel-Kontrast, also der besonderen Wirkung von zum Beispiel hellem Orange und dunklem Blau. Und genau das ist hier gerade in Hülle und Fülle zu sehen.
Das sind zwar noch nicht die offiziellen Lofoten, aber es ist trotzdem wunderschön auf Hinnøya. Die weißen Berge, die grünen Wiesen, das blaue Meer. Dazu ist es mild wie im Frühling. Zumindest im Vergleich zu den Bergen um Abisko.
Tjeldsundbrua auf die Insel Hinnøya
Dann über die große Tjeldsund-Brücke (Tjeldsundbrua) rüber auf die Insel Hinnøya.
Mitten im schönsten Sonnenuntergang fahren wir auf die größte norwegische Küsteninsel Hinnøya. Gefühlt sind das schon die Lofoten. Tatsächlich aber fangen die Lofoten erst weiter draußen an. Hab mal Hinnøya in meiner Karte der Lofoten grün ausgemalt. Sonst sieht man ja in dem Inselgewirr nicht durch.
Die wirklich größte Insel Norwegens ist aber Spitzbergen. Deswegen darf Hinnøya „nur“ die größte Küsteninsel sein. Das tut der Schönheit von Hinnøya aber keinen Abbruch.
Das Licht ist jetzt echt episch. Alle sind vollkommen aus dem Häuschen und hängen hinter der riesigen Frontscheibe. Die hinteren Lexanscheiben sind mittlerweile so trüb und zerkratzt, dass man da nicht mehr so schön sieht. Muss wohl nach dem Urlaub mal ran und die Seitenscheiben ersetzen, um die Panorama-Rundsicht auch auf den hinteren Sitzbänken zu erhalten.
Hab ja nach der Pleite mit dem Mercedes 1124 nicht umsonst einen Fensterbus gekauft und dafür auf Allrad verzichtet. Allrad ist am Vario sowieso überbewertet. Aber ohne große, klare Fenster, das geht gar nicht.
Sonnenuntergang auf Hinnøya
Das Wasser am Strand von Hinnøya ist so klar und frisch, dass die Kinder direkt reinspringen wollen. Aber kommt, wir warten noch auf einen ordentlichen Sandstrand.
Die Straßen hier auf Hinnøya sind zumindest auf der E10 eisfrei und fast trocken.
Hier wird eben alles vom „warmen“ Wasser des Golfstroms umspült.
Jedenfalls sieht Hinnøya echt nicht wie eine Insel weit nördlich des Polarkreises aus.
Trotzdem ist das hier alles noch ein Fjord. Und die Baumeister rechnen mit einem sehr sanften Atlantik ohne großen Wellengang.
Dennoch ist das ein richtiges Meer, an das hohe, schneebedeckte Berge reichen. Sowas gibt es nicht oft.
Wollen wir hier baden? Nee, hier ist doch der Steinstrand. Da gibt es auf den Lofoten bessere Plätze.
Aussichtsreicher Stellplatz auf Hinnøya
Nach einer Stunde Farbspektakel setzt sich das Blau gegen das Orange durch und der Abend senkt sich über Hinnøya. Obwohl die Insel mittlerweile mit der Tjeldsundbrua ans Festland angebunden ist, pendeln die Fähren von Lødingen nach Bognes. Ist nach Süden 200 km kürzer als der Weg rund um den Fjord.
Wir fahren noch ein bisschen und landen nach einer kleinen Bodenwellenhopserei an einer südwestlichen Inselecke von Hinnøya.
Hatte den Stellplatz gezielt rausgesucht, um freien Blick nach Norden und Westen zu haben. Wenn alles gut läuft, könnten wir nämlich heute abend Polarlichter und morgen früh die Berge auf der anderen Fjordseite leuchten sehen. Doch hier ist alles für Camper gesperrt. Die handgeschriebenen Schilder nehmen wir sehr ernst und stellen uns dahin, wo nur normale Verbotsschilder stehen.
Obwohl es gerade zu regnen anfängt, laufen wir noch ein Stück. Es ist wirklich hübsch hier, aber mein Plan mit den Nordlichtern wird bei der Wolkendecke wohl nicht aufgehen.
Nach dem Abendbrot hört der Regen auf. Doch Polarlichter gibt es deswegen noch lange nicht zu sehen. Heute wird das nichts. Und so gehen wir 23 Uhr ins Bett.
Rautas Rastplats – Abisko – Riksgränsen – Grenze Schweden / Norwegen – Narvik – Bogen i Ofoten – Evenskjer – Tjeldsundbrua nach Hinnøya – Kongsvika – Hinnøya | Norwegen | 282 km | 2.844 km
Danke für die tollen Fotos Tom!
Aber ich glaube es gibt Dinge die man mit den eigenen Augen gesehen haben sollte um sie wirklich zu „begreifen“. Das ist zum einen das LED Licht und die pastell Farbtöne von Orange und Blau 😉
Gruß
Martin
PS: Gibts genug LPG-Tankstellen? Die verkaufen vermutlich LPG mit 95% Propan und 5% Butan…
Die Fotos von Hinnøya sind alle nur mit meinem Handy gemacht und ungefiltert. Da ist natürlich alles ein wenig blass. Aber die künstlichen Reiseführerfotos mag ich auch nicht. Vielleicht kann man sich die Farben ja trotzdem vorstellen.
Ansonsten hatte ich noch keine Veranlassung, nach LPG-Tankstellen in Norwegen zu recherchieren.
Respekt fuer den Ritt zu dieser Jahreszeit!
„Reindeer Moss“ ist eine Hauptnahrungsquelle im Arktischen Winter.
Diese sehr nahrhafte Flechte ist trotz irreführenden Namens kein Moos. Wie auch Flechten keine Pflanzen sind, sondern ein Pilz mit Alge als photosynthetisierender Hausfreund …
Aha, es ist wirklich erstaunlich, dass die Rentiere in einer derartigen Zahl dort was zu fressen finden. Da muss die Flechte echt nahrhaft sein.
Hi Tom,
Ich habe bei meinem Vario die Lexanscheiben ausgebaut und Camping-Klappfenster eingebaut.
Melde dich wenn du Interesse an den Lexanscheiben hast. 4 Stück hab ich noch übrig.
Grüße
Tom
Danke für dein Angebot, aber das kommt schon zu spät. Halte die Scheiben in Ehren und im Schatten, die sind neu teuer. Und klare gebrauchte Lexanscheiben sind sicherlich selten. Hätte gar nicht gedacht, dass es sowas überhaupt gibt.
Normalerweise schreibe ich ja ungern über ungelegte Eier. Aber vielleicht sollte ich ja wirklich mal meine interne Wunsch- und Bauliste veröffentlichen, damit sich meine Probleme dann ganz von alleine lösen.
Also noch mal vielen Dank für dein Angebot.
Hi Tom,
Bitte gerne.
Ja glaube auch das Lexan Scheiben nicht oft gebraucht angeboten werden. War Zufall und passte halt gerade.
Hast du dich mal mit dem Neukauf von Lexan Scheiben beschäftigt und hast vielleicht eine Bezugsquelle?
Ich hätte ja gerne wieder Lexan Scheiben für die Kurbelfenster auf Fahrer-und Beifahrerseite und für die kleinen Dreiecksfenster.
Grüße
Tom
Die neuen Seitenscheiben sind von Solarplexius, die können solche Polycarbonatscheiben kratzfest und UV-stabil mit Prüfzeichen bis 8 mm herstellen. An den Ober-, Dreiecks- und Kurbelfenstern der Drehtüren bin ich dran. Da ist die Geometrie nicht so einfach. Nach den Reiseberichten kommt da sicherlich mal ein Beitrag mit den genauen Maßen.
Hi Tom,
das hört sich doch sehr gut an. Sag mir gerne bescheid wenn es da etwas neues gibt.
Eventuell können wir die Produktionskosten senken wenn wir beide zusammen bestellen.
Ich brauche die beiden Kurbelfenster und die Dreiecksfenster, das Oberfenster ist bei mir noch aus Lexan (mit Prüfzeichen).
Grüße
Tom
Wenn Solarplexius erst einmal das CNC-Modell hat, dürften die Kosten sich nicht mehr groß ändern. Die Scheiben sind ja nicht gewölbt und brauchen keine speziellen Formen, sondern werden aus großen Platten zugeschnitten. Tja, und jetzt rate mal, wer die Scheiben schon ausgebaut hat und gerade scannen lässt. Wenn das alles dann auch so funktioniert, wie ich mir das vorstelle, kann ich die Daten ja für Nachnutzer bei Solarplexius hinterlegen.
Was ich aber gebrauchen könnte, wären zwei ausstellbare Dreiecksfenster mit Dichtung und Anbauteilen. Eventuell auch im Tausch gegen meine einbruchsicheren Lexanscheiben.
Das wäre super mit den Daten hinterlegen.
Hast du deine Scheibe ausgebaut und zu Solarplexius zum scannen geschickt?
Mein Dreiecksfenster ist fest verbaut und nicht ausstellbar, leider nicht mehr aus Lexan. Das wollte ich auch noch gegen Lexan tauschen.
Lass mich erstmal die Lofotenreise zu Ende machen. Und dann muss ich noch die ganzen Widrigkeiten und das Hin und Her in so einem experimentellen Prozess hinter mich bringen. Würde da gern erst dann weiter ins Detail gehen, wenn ich die Sache erfolgreich abgeschlossen habe (oder endgültig gescheitert bin).
Hallo TOM zwo 🙂
Lexan oder Polycarbonat bekommst Du beim Glashandel, oder online. Ich kann nur nicht sagen ob ein Zertifikat des Materials ausreicht oder ein Prüfzeichen in die Scheiben gebrannt sein muss um diese im Fahrzeug zu verbauen?
Gruß Peter
Die Scheiben müssen alle ein Prüfzeichen haben, was die Sache kompliziert macht.