Federn der Vorderachse am Wohnmobil verstärken
Muss am Mercedes 711 die platten Federn verstärken und aufsprengen, damit das Fahrwerk zu Gewicht und Wunschhöhe des Wohnmobils passt.
Problem schwacher Vorderfedern am Wohnmobil
Schon immer bin ich mit den Vorderfedern an unserem Mercedes 711 D unzufrieden. Viel zu schwach, viel zu wenig Federweg und generell falsch konfiguriert. Mercedes geht davon aus, dass die linke Seite mit dem Fahrer und den Fahrzeugbatterien ca. 150 kg schwerer ist als die rechte Seite und verbaut original unterschiedlich starke Federn links (A6693200702) und rechts (A6693200602), die nicht getauscht werden dürfen [1, S. 99].
Allerdings stimmen die Annahmen für unterschiedliche Vorderfedern beim Einsatz als Wohnmobil nicht mehr. Links sind 2 Starterbatterien unterm Sitz, rechts arbeiten 2 gleich große Aufbaubatterien. Links sitzt der Fahrer, rechts ein mittlerweile gleich schwerer Beifahrer. Eher ist die rechte Seite sogar schwerer, da rechts die Standheizung und der große Wassertank für die Scheibenwaschanlage montiert sind. Das wiegen Lenker, Pedalerie und Lenkgetriebe auf der linken Seite nicht auf.
Die Radlastwaage bei der Hauptuntersuchung zeigt, dass die linke Vorderfeder (ohne Prüfer) 1,02 t und die rechte Vorderfeder 1,12 t zu tragen hat. Diametral zu den Annahmen von Mercedes bei der Konstruktion des 711ers ist die rechte Seite also real 100 kg schwerer. Insofern passt die Stärke der Federn nicht und das Wohnmobil hängt rechts immer runter.
Verstärkung des Fahrwerks am Wohnmobil
Dazu kommt, dass die Vorderachse mit 2,3 t voll ausgeladen ist. Und so steht (und fährt) das Wohnmobil das ganze Jahr auf ungleichmäßig belasteten und generell zu schwachen Federn an der Vorderachse und hängt vorn auch tiefer in den Federn als hinten. Mittlerweile hebe ich den Rahmen bei langen Standzeiten mit Unterstellböcken aus den Federn. Das geht ganz easy und schont Federn und Reifen.
Aber das ist keine Dauerlösung und so suche ich schon lange nach einer Möglichkeit für die Verstärkung der Vorderfedern am Wohnmobil. Insgesamt brauche ich keine Auflastung, da der Mercedes 711 genug Reserven hat. Die Vorderachse aber ist an der Grenze und die Federn sind sowieso deutlich zu schwach, dazu nach 30 Jahren definitiv hinüber. Aber die haben auch schon einiges mitgemacht.
Problem bei der Auswahl der richtigen Sprengung
Nun kann ich neue Vorderfedern aus dem Regal nehmen oder speziell anfertigen lassen. Liebäugele mit Vorderfedern aus dem Allrad-Vario, da diese schon von Haus aus mehr Sprengung an der Vorderachse mitbringen. Aber ich will ja nicht nur die schlaffe Vorderfeder erneuern, sondern das Fahrgestell vorn wieder höherlegen und zugleich auf die Klötze zwischen Vorderachse und Vorderfeder verzichten.
Im Foto sieht man schön die malträtierte Vorderfeder und die Klötze für die Höherlegung mit der originalen Feder. Diese Klötze sollen raus und durch eine stärker aufgesprengte Feder ersetzt werden.
Für die Auslegung der richtigen Vorderfedern liegt die Radlast also bei 1,15 t. Weniger wäre zwar besser, aber das ist illusorisch. Dieser Wert ist gegeben. Wenn ich schon neue, stärker aufgesprengte Vorderfedern einbauen kann, will ich die Klötze weglassen und die Höherlegung allein über die Sprengung realisieren. Dazu muss ich die Sprengung festlegen.
Wie meine Skizze zeigt, haben die platten Vorderfedern an meinem Mercedes 711 nach 30 Jahren nur noch 20 mm freien Federweg. 55 mm ist die Feder dick und 65 mm bringen die Unterlegklötzer. Macht 140 mm belastet im Bestand. Die neuen Federn vom 814er Allrad-Vario sollen unbelastet 200 mm ohne Klotz bringen.
2-Blatt-HD-Parabelfedern vom Allrad-Vario
Ich weiß, dass die Skizze doof ist, aber die zeigt das ganze Problem mit der Sprengung der Vorderfedern. Denn alle Angaben zur Sprengung beziehen sich immer auf eine belastete Feder. Die Sprengung ist dabei der Abstand der gedachten Linie zwischen den beiden Augen und der Unterkante der Feder. Theoretisch gibt es Federraten, aber die sind halt nur Theorie, weil mich am Ende nur der Abstand zwischen Karosserie und Achse interessiert. Und natürlich der freie Federweg, der im Moment ein Witz ist.
Am Ende gebe ich meine Berechnungsversuche auf und rufe beim Federnfachmann an. Verstehe zwar nicht alles, notiere mir aber die Faustregel für die Federrate der angepeilten Allradfeder vom Mercedes 814, wonach sich die Sprengung pro 100 kg Last um 10 mm verringert. Mit 1200 kg Last auf einer Feder vermindert sich die Sprengung von unbelastet 180 mm auf nur noch 60 mm. Da gebe ich bei der Bestellung neuer Vorderfedern lieber noch mal 30 mm dazu, denn Aufsprengen einer Feder ist kein Problem.
Hab ja schon die Höherlegung von DFF aus Thüringen verbaut und bin damit die letzten 7 Jahre gut gefahren. Vertraue also auch diesmal auf die Beratung vom Federnfachmann und bestelle die 30 mm stärker aufgesprengten Allrad-Federn. Fahre zur Abholung der Federn nach Dingelstädt. Der Chef persönlich kommt extra am Sonnabend in die Firma. Wo gibt’s das noch?
Einbau der neuen, stärker aufgesprengten Vorderfedern
Also die neuen Vorderfedern sind schon deutlich anders als die alten. Erstmal haben die stärkeren Heavy-Duty-Parabelfedern nur 2 Blätter. Und dann sind die wesentlich stärker aufgesprengt als die Originalfedern vom Mercedes 711. Wobei die 22 cm Sprengung meiner neuen Vorderfedern ja im unbelasteten Zustand gemessen sind. Tatsächlich wird die Sprengung bei eingebauter Feder mit Belastung angegeben. Aber wie gesagt – ich hab Vorgaben definiert, DFF die richtig verstärkten Federn rausgesucht.
Eingebaut habe ich die neuen Vorderfedern selber. Alles was man dazu an Spezialwerkzeug braucht, ist ein schwerer Dreiarm-Abzieher wie der von Kukko. Ansonsten ist der Einbau stärker aufgesprengter Vorderfedern kein besonderes Problem, sofern die Federbriden noch passen.
Test der verstärkten Vorderfedern
Die Anleitung zum Einbau der neuen Vorderfedern ist ja schon eine Weile online. Aber vor dem Testbericht zu den aufgesprengten, stärkeren Vorderfedern wollte ich wenigstens 5000 km mit dem neuen Wohnmobil-Fahrwerk fahren. Klar, Höhe der Karosserie von 55 cm über dem Boden und ein Federweg von 13 cm sind mehr als zufriedenstellend. Aber ob sich die neuen, verstärkten 2-Blatt-Federn wirklich bewähren, musste ich erst testen.
Dazu brauchte ich für die stärker aufgesprengten Vorderfedern ja auch verlängerte Stoßdämpfer. Teste nun 7 Jahre die Stoßdämpfer von Marquart, die mit den originalen Mercedes-Dämpfern nicht zu vergleichen sind. Nun sind die Stoßdämpfer noch einmal länger und dazu dünner, damit die auch bei einer extremen Verschränkung wirklich nirgendwo anschlagen.
Nach dem Test der neuen Vorderfedern und Stoßdämpfer bin ich jedenfalls zufrieden, auch wenn das Fahrverhalten mit den aufgesprengten Vorderfedern nicht mehr ganz so sportwagenmäßig ist. Vor dem Fahrwerksumbau hatte das Wohnmobil ja nur 20 mm Federweg. Jetzt ist mit 130 mm freiem Federweg wesentlich mehr Bewegung im Vorderwagen.
Aber dafür passen die verstärkten Federn im Wohnmobil jetzt endlich zu den tatsächlichen Radlasten und gewährleisten eine Höherlegung ohne Distanzklötzer. Und der Bus steht auch wieder gerade und hat nicht mehr dieses Keilfahrwerk. Hätte gleich mal neue, verstärkte Vorderfedern einbauen sollen.
Infos zum Federn verstärken am Wohnmobil
Es gibt Punkte im Leben, da kommt man mit der Fahrgestellnummer nicht weiter und muss mal ins Risiko gehen. Bedenkt also, dass der Einbau stärkerer Vorderfedern am Wohnmobil kein Dienst nach Vorschrift ist. Und auch wenn ich selbst mit einem Umbau sehr zufrieden bin, solltet ihr immer die technischen Warnhinweise unten auf jeder Seite beachten.
Werkstatthandbuch
- [1] Neue Transporter 507 D-814D (T2), Einführungsschrift für den Kundendienst, Stuttgart 1986
- [2] Werkstatthandbuch Federung T2N, 32-0050 Vorderfeder aus- und einbauen
Originale 3-Blatt-Vorderfeder
- Originale Vorderfeder Fahrerseite als Parabelfeder Dreiblatt: Mercedes A6693200702
- Originale Vorderfeder Beifahrerseite als Parabelfeder Dreiblatt: Mercedes A6693200602
Verstärkte Parabelfedern und Dämpfer
- Die verstärkten Federn sind HD-Parabelfedern mit 2 Lagen vom Federnfachmann (DFF 33356800+30): Klick
- Die verstärkten und verlängerten Stoßdämpfer kommen (wieder) von Marquart: Klick
Werkzeug zum Federwechsel
Federn und Stoßdämpfer lassen sich mit dem üblichen Bordwerkzeug wechseln. Man braucht halt nur große, hohe Unterstellböcke und einen schweren Abzieher.
Danke für den Bericht! Neue Federn sollte man eh beim Kauf eines alten Transporters/LKWs mit einplanen, die haben sich auch bei trocken gelagerten Feuerweren nicht nur gerne schon gesetzt, sondern sind auch oft schon ziemlich angerostet…
Parabelfedern scheinen ja eh weicher zu sein als Trapezfedern mit der gleichen Grundgeometrie, das macht wohl auch einen Teil des verlorenen Sportwagenfeelings aus.
Musstest Du die Spur nach der Aktion neu einstellen, oder hat das alles noch gepasst?
Ganz hervorragender Beitrag. Stehe vor dem selben Problem mit dem Federweg, bloß halt bei nem Vario O814. Was haben die tollen Federn denn gekostet?
Bei welchem Fahrzeug du die Federn ersetzen musst, spielt eigentlich keine Rolle. Damit die Federung passt, brauchst du eigentlich nur die Fahrgestellnummer und die Radlasten, um die Federn und mit der Federrate dann auch die Sprengung richtig auslegen zu können. DFF ist da sehr flexibel. Ich weiß nicht, was die Federn jetzt kosten, aber vor einem Jahr waren es 400 Euro pro Stück.
Der Mercedes 711 hat schon original Parabelfedern – aber die waren nach 30 Jahren halt nicht mehr zu gebrauchen. Die Frage nach der Spureinstellung ist genau richtig, auf das Thema bin ich nämlich gar nicht eingegangen. Also ja, nach solchen Arbeiten sollte man immer die Spur überprüfen und gegebenenfalls korrigieren. Danke für den Hinweis, Matthias.