Vorhang im Fahrerhaus nähen: Kälteschutz am Hubbett
Vor- und Nachteile, Planung, Stoffauswahl und Test des selbst genähten Vorhangs als Sicht- und Kälteschutz im Camper-Fahrerhaus.
Hubbett ohne Vorhang: Vor- und Nachteile
Das selbst gebaute Hubbett in unserem Mercedes 711 Fensterbus ist jetzt schon acht Jahre in Betrieb und hatte noch nie einen Vorhang. Man schäft da oben ohne Sichtschutz wie in einem Glashaus, wird von allen gesehen, kann aber auch alles sehen. Da wir meistens einsam stehen, ist das nicht nur kein Problem, sondern echt toll. Naja, und manchmal auch überraschend.
Und so gibt es ohne Vorhang im Fahrerhaus schon auch mal unangenehme Momente. An den fehlenden Sichtschutz gewöhnt man sich. Aber wenn ständig das Kissen runterfällt, ist das schon nervig. Am meisten aber fehlt der Vorhang im Winter. Da braucht man einfach den Kälteschutz, aber auch den Schutz vor Kondenswasser und Eis innen an den Scheiben im Fahrerhaus. Ist nämlich dumm, wenn die Decke an der Frontscheibe festfriert.
Dazu hat das Hubbett keinen vorderen Anschlag für die beiden Matratzen. Da noch 20 cm Platz bis zur Frontscheibe sind, kann also die vordere Matratze vorrutschen und dort ein bisschen runterhängen. In der Mitte ist dann ein Spalt, worüber sich die Kids immer beschweren. Und auch ich mag es nicht, wenn die Matratzen gegen das Sonnenrollo drücken.
Vorhang, Plissee oder Hülle im Camper-Fahrerhaus?
Dass also ein Vorhang im Fahrerhaus rund um das Hubbett sinnvoll ist, haben nach dem letzten Winterurlaub nun auch meine Kinder eingesehen und mir die Freigabe zum Bau gegeben. Wichtigste Anforderung ist, dass der Vorhang straff vor dem Hubbett sitzt, damit die Matratzen nicht mehr verrutschen und keine Kissen runterfallen können. Dazu sollen die Seiten auch aufgemacht werden können, um wenigstens etwas Aussicht sowie bei geöffneten Oberfenstern Durchzug zu haben.
Für mich ist zudem der Kälteschutz durch den Vorhang im gesamten Fahrerhaus wichtig. Also auch unter dem Hubbett. Und zwar sowohl dann, wenn das Hubbett unter der Decke hängt, als auch im abgelassenen Zustand. Und während der Fahrt darf mir der Vorhang natürlich nicht die Sicht versperren.
Hab auch mal kurz über so eine Lösung mit Plissee-Rollos wie bei den Ducato-Campern nachgedacht. So ein Plissee sieht zwar professionell aus, ist mir aber zu filigran. Wenn ich mich da im Hubbett quer im Fahrerhaus mal richtig ausstrecke, zerdrücke ich den schönen Faltenbalg an der Scheibe. Kälteschutz dürfte mit einem Plissee auch nicht verbunden sein. Und die Kissen fallen trotzdem runter.
Ganz kommod finde ich aber so eine äußere Thermohülle um das Fahrerhaus wie bei diesem Fiat Ducato Camper. Da sind Sicht- und Kälte- bzw. Hitzeschutz ideal. Hatte mal selbst sowas ähnliches gebaut, aber das hat sich nicht bewährt. Ist viel zu nervig, das Teil jedes Mal dranzumachen und abzumachen und wegzuräumen. Erst recht am hohen Mercedes Vario. Also Vorhang. Innen.
Stoff für den Fahrerhaus-Vorhang
Die Stoffwahl für den Vorhang im Fahrerhaus ist anspruchsvoll. Einerseits sollte der Vorhangstoff möglichst dick sein, andererseits aber auch möglichst klein zu verstauen. Im Sommer wäre ein luftiger Stoff gut, im Winter ein dichtes, schweres Material. Kuschlig soll der Vorhangstoff auch sein. Dennoch robust. Und wenn ich den Vorhangstoff im Schlaf gegen die innen feuchte oder gar vereiste Seitenscheibe drücke, will ich trotzdem warme und trockene Füße behalten.
Wenn das Hubbett abgelassen ist, brauche ich für vollständigen Sichtschutz eine Stoffbahn von mindestens 354 x 110 cm. Die Stoffbreite ist aber sowieso meist 150 cm. Das passt ganz gut, denn dann schützt der Vorhang auch dann noch das ganze Fahrerhaus, wenn das Hubbett unter der Decke bleibt. Da hinten im Wohnmobil alles verdunkelt ist, reicht ein Vorhang bis zur B-Säule.
Irgendein normaler Stoff scheidet für den Vorhang im Camper aus. Gerade wasserdicht, kuschlig und robust sind schon ganz besondere Anforderungen. Da bleibt nur Hightech-Gewebe aus dem Outdoor-Bereich übrig. Bestelle mir also Softshell. Das ist auf der einen Seite schön flauschig und auf der anderen Seite so dicht gewebt, dass der Stoff wasserdicht und so robust ist, dass ich da kaum durchpieksen kann.
Vorhangstoff im Camper befestigen
Plan für den Vorhang im T2N
Die Befestigung des Vorhangs im Fahrerhaus des Mercedes 711 ist nun nicht besonders anspruchsvoll. Oben am Dach eine Leiste, am Hubbett eine Leiste und darunter hängt der Vorhang von allein. An den Seiten kann ich den ja irgendwie verspannen. Also alles ganz einfach. Zumindest theoretisch.
Praktisch aber funktioniert meine Idee überhaupt nicht. Trotz der Klemmleiste oben und den sechs Nietmuttern über der Windschutzscheibe sitzt der Vorhang keineswegs straff, sondern wirft Falten. Nee, der Vorhang soll ja nicht irgendwie schlaff runterhängen, sondern straff zwischen Decke und Hubbett sitzen.
Auch klemmen die zwei Leisten den Stoff nicht fest genug. Also alles noch mal abbauen. Plan machen. Der Vorhang braucht oben, in der Mitte und prophylaktisch auch unten Schlaufen. In diese Stofftunnel ziehe ich ein Gummiseil ein, das dann oben aus der Klemmleiste rausschaut und ein Durchrutschen des Vorhangs verhindert. Oben sitzt der Keder über der Halteleiste und am Hubbett darunter.
Stoff nähen
Ist schon cool, wenn man eine Nähmaschine im Haus hat und jemanden, der sie bedienen kann. Da sind drei solche Stofftunnel über immerhin je 354 cm ratzfatz genäht.
Befestigung des Vorhangs an Decke und Hubbett
Die Aluleisten zur Befestigung des Vorhangs verschraube ich oben am Dachrahmen mit Nietmuttern. Für solche Sachen ist eine Nietmutternzange echt genial.
Unten am Hubbett allerdings nehme ich für die Befestigung des Vorhangs mit der Klemmleiste Spax-Schrauben. Die schwächen das Profil des Hubbetts weniger als Nietmuttern. Aber bei solchen Blechschrauben braucht man schon das Original, sonst lockern die sich mit der Zeit. Die Spax-Schrauben haben aber so kleine Zacken an der Seite, dass die im Alu richtig festfressen. Am besten wäre es natürlich gewesen, den Vorhang bei ausgebauter Frontscheibe einzubauen. Aber auch so komme ich gerade so mit Bohrmaschine und Akku-Schrauber ran.
Zwischen Decke und Hubbett sitzt der Vorhang jetzt so straff, dass ich da wahrscheinlich das ganze Hubbett aufhängen könnte. Das machen die genähten Kederprofile oben und unten, durch die der Stoff nicht unter der Klemmleiste verrutschen kann.
Anpassung der Deckendämmung
Im Prinzip ist so ein Vorhang im Camper schnell genäht und befestigt. Aber eben nur im Prinzip. Etwas tricky ist ein sauberer Anschluss an die Deckendämmung. Hab ja bei mir unter der Decke Armaflex und darauf weißes Kunstleder.
Vorn über dem Hubbett hab ich allerdings beim Bau gepfuscht. Und das Armaflex nur zwischen, nicht aber über die Deckenprofile geklebt. Dachte, ich muss Höhe sparen. Aber natürlich sind das genau die kalten Stellen, an denen sich Kondenswasser im Fahrerhaus niederschlägt.
Reiße also die Deckenverkleidung über dem Hubbett wieder runter. Die alte Verkleidung kann ich wegschmeißen. Denn die Oberfläche von Armaflex zieht es da gleich mit ab.
Klebe eine neue Dämmschicht über die Stahlprofile und dann wieder das weiße Kunstleder oben drüber. Solche Arbeiten gehen zwar mit dem Bindulin Sprühkleber leicht von der Hand, ergeben aber unschöne Anschlüsse. Kann das über der Frontscheibe kaschieren, indem ich das Kunstleder gemeinsam mit dem Vorhang unter die obere Klemmleiste klemme.
[Notiz für mich: Klebereste vom Bindulin Sprühkleber am besten mit Bindulin Universalverdünnung entfernen. Aceton oder die anderen beigezogenen Lösungsmittel funktionieren komischerweise nicht.]
In der Mitte mache ich auch einfach noch ein Querprofil rein. Nehme dazu T-Profile, um dort Netze für Kleinkram anzubringen. Höhe im Hubbett ist nämlich echt überbewertet. Aber meine Reiseführer will ich schon griffbereit haben. Früher habe ich da aus dem Bett runter aufs Armaturenbrett gelangt. Aber das geht nun nicht mehr. Ja, und hinter dem Sichtschutz ist es nun dunkel. Brauche also noch Licht im Hubbett. Ist jetzt richtig gemütlich da oben.
Sicherlich gibt es elegantere Lösungen für den Vorhang im Fahrerhaus, aber dieser selbst genähte Stoffvorhang rund um das Hubbett gefällt mir und ist echt praktisch. Hab zum Glück auch die letzten 50 cm vom Stoff nicht abgeschnitten, so dass der Vorhang auch bei hochgefahrenem Hubbett komplett vor den Scheiben sitzt.
Befestigung mit Gummizügen
Bisher hatte ich noch keinen Plan, wie und wo ich den Vorhang während der Fahrt verstaue. Aber beim Bauen kommen die besten Ideen. Die Länge des Vorhangs unter dem Hubbett entspricht nämlich zufällig genau der Hubbettbreite. Jetzt müssten nur noch drei Schlaufen angenäht werden. Und nein, dafür baue ich den Vorhang nicht noch mal ab. Also ein Brett quer durch die geöffneten Seitenfenster stecken und die Nähmaschine ins Fahrerhaus holen.
Dann werden unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen vor Ort die drei Aufhängungen des Vorhangs unterm Hubbett angenäht, die ich bislang planerisch vollkommen ignoriert hatte. Und wenn ich beim Nähen bei der Sache gewesen wäre, hätte ich ja einen Gummiring einnähen (lassen) können. Aber was solls, der Schnipsgummi mit Knoten machts auch.
Wenn das Hubbett unter der Decke verstaut ist, stört der Vorhang nicht, sondern wird automatisch mit hochgefahren und unten abgespannt. Finde nur doof, dass man jetzt meine schöne Hubbettkonstruktion mit den Zugfedern nicht mehr sieht. Sieht irgendwie so allerweltsmäßig aus.
Test des Vorhangs im Fahrerhaus
In der Winterversion ist das komplette Fahrerhaus vom Vorhang verkleidet. Der Bus wirkt dann innen eigentlich gar nicht wie ein Camper, sondern wie ein kleines Tiny House mit 5 m Innenlänge. Der Eindruck ist durch die optisch abgeschlossene Vergrößerung um das Fahrerhaus komplett anders als im vorn offenen Fensterbus.
Das ausziehbare Doppelhubbett im Fahrerhaus ist ja gegenüber einem festen Bett im Heck sowieso schon ein unheimlicher Platzgewinn. Aber mit dem Vorhang wird dieses Mehr an Raum nun auch optisch erlebbar. Hätte nicht gedacht, was so ein einfacher Vorhang ausmacht.
Kissen fallen jetzt nicht mehr runter. Entscheidend ist aber, dass der straff sitzende Vorhang den Kontakt mit der im Winter vereisten Frontscheibe verhindert, ebenso wie mit Kondenswasser an den Lexan-Seitenscheiben.
Generell ist der Einfluss des kalten Fahrerhauses viel weniger unangenehm als ohne Vorhang. Der wind- und wasserdichte Softshell-Stoff bringt eine deutlich Verbesserung des Raumklimas im Fahrerhaus. Und trotzdem ist er von innen schön flauschig und angenehm.
Insgesamt also ist der Vorhang beim Test im Winter super. Allerdings werde ich an einsamen Stellplätzen den freien Rundumblick aus dem Hubbett vermissen. Kann zwar den Vorhang seitlich komplett öffnen. Aber zwischen Frontscheibe und Hubbett bleibt halt der straff gespannte, nicht durchsichtige Stoff. Aber wenn es mich nervt, kann ich ja ein paar Gucklöcher reinschneiden.
Materialinfos
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- Alu-Leisten zur Befestigung des Vorhangs lagen noch rum, da braucht man nichts Besonderes.
- Wasserdichtes Softshell für den Vorhang (Tolkostoffe): Klick
- Nietmutternzange für die Befestigung der oberen Alu-Leiste an der Karosserie (BGS 405): Klick
- Spax-Schrauben mit Halbrundkopf 5,0×20 für die Befestigung der Alu-Leiste am Hubbett
- Elastische Kordel 5 mm für das Abspannen des Vorhangs (extremtextil): Klick