Serbien: Im Kinder-LKW über die EU-Grenze zum heiligen Berg Fruška Gora
Am Morgen dämmert es mir: Wir stehen auf der knapp 50 km langen Insel Csepel. Mitten in der Donau sozusagen. Erkundungsspaziergang zur Ráckevei-Donau, die östlich vorbeifließt. Fast vorm Busfenster.
Erkundungen rund um den Thermalcampingplatz Ráckeve
Aber nur fast. Denn uns trennt ein Schlammloch von der Donau. Sieht gar nicht so schlimm aus.
Doch die Reifen zeigen, wie tief der Schlamm gestern Abend war. Ich hatte wohl etwas zu wenig Respekt vor der Pfütze. Doch plötzlich war hinten rechts die Traktion weg. Zum Glück hat mich sofortiges Vollgas gerettet. So eine kleine Tongrube kann schon tückisch sein. Steht ja nicht umsonst das Wasser drin.
Mittlerweile sind die Brötchen fertig gebacken. Großes Frühstück im Bus. Danach die Frage, was wir denn nun mit dem mühsam gefundenen Aqualand anfangen. Bleiben wir hier auf dem Thermalcampingplatz Ráckeve? Hmm. Alles ziemlich ruhig hier. Mal auf den Platz schleichen. Das Tor ist noch abgesperrt. Also durch die Rezeption. Tss, Tss: Einfache Baumarktterrassentüren. Beide sind schon verzogen und klemmen. Auf dem Platz ein paar ungarische Wohnmobile. Minigolf. Nett angelegt. In einem Thermalbecken sitzen einige ältere Ungarn. Aber alle Spaßanlagen sind leer. Schade. Mein Jüngster will unbedingt im Sommer nochmal hierher kommen. Aber jetzt im Herbst wird das wohl nichts mehr mit dem Thermalcampingplatz. Faul im 37°C warmen Becken herumsitzen ist keine Kindertagesbeschäftigung. Heilquelle hin, Heilquelle her.
Landstraßen durch Ungarn
Also weiter. Zum Meer. Wir hoppern über elende Straßen nach Süden. Anders als auf Wellblech gibt es hier nur keine ideale Geschwindigkeit. Also 80 auf der Mitte. Zumindest wenn kein Lada von vorn kommt. Oder kein Porsche mit Anhänger überholen will.
Autobahn wäre schon besser. Zumal ja die Plakette schon bezahlt ist. Abzweig verpasst. Abkürzung über einen Restaurantparkplatz. Restaurant? Kommt wie gerufen. Also alle rein. Ich denke erst, wir wären in eine geschlossene Gesellschaft geplatzt. Lange Tische. Großfamilien im Sonntagsstaat. Riesiges Buffet.
Aber nein, das hier ist so eine Art All-you-can-eat-Restaurant. Und perfekt für meine Familie. Jeder kann sich einen Happs von diesem und von jenem nehmen, ohne dass ich erst fremdsprachige Speisekarten entschlüsseln muss. Auch ich mag so ein Buffet: Ein Löffel Fischsuppe ohne Fisch. Ein Schälchen Gulaschsuppe ohne Fleisch. Ein paar Kartoffeln und ein bisschen Sauerkraut vom Hauptessen. Gemüsesalat, saure Gurken und gebackener Blumenkohl. Alles auf einem Teller. Danach Obstsalat und Kuchen. Perfekt.
Nach einer halben Stunde sind alle satt und sehr zufrieden. Ich zahle mit Karte und muss den Betrag wegen kleinerer Verständigungsprobleme über das Trinkgeld zweimal korrigieren. Nach oben. Weiter über die ungarischen Dörfer. Tanken in Kecskemét: 105 Liter für 850 km ergeben einen Verbrauch von 12,4 l für den voll beladenen MB 711.
Grenzübergang nach Serbien
Und ab auf die Autobahn. Google warnt vor Stau an der serbischen Autobahngrenze und schickt mich auf die Landstraße. Ich bin nach der gestrigen Irrfahrt etwas skeptisch, biege dann aber angesichts der vielen roten Rücklichter doch lieber ab. EU-Außengrenze. Ein Auto vor uns. LKW verboten. Aber Durchfahrthöhe 3,20m. Ich bin kein LKW, sondern Wohnmobil. Also einfach rein. Nicht zögern. Sonnenbrille runter. Freundlich lächeln. Alle Kinder vor ins Fahrerhaus. Das gibt immer Extrapunkte. Tröpfchenweise trudeln die Pässe ein. Die ungarischen Grenzer freuen sich. Kurzer Blick durch die Schiebetür und ein netter Abschiedgsgruß. 20 m fahren. Der Serbe ist noch netter. Lacht und strahlt. Wir haben unser Vergnügen, als er alle Namen vorliest und der oder die Aufgerufene ihm ein Lächeln schenkt. Doch dann Irritation. Ein Pass fehlt. Meiner. Ich hatte ihn doch gerade… Der muss doch… Hat vielleicht der Ungar… Ach nein, hier ist er doch. Jeder bekommt den ersehnten Stempel und wir sind vollkommen problemlos raus aus der EU. Und das mit ausgeliehenem Zusatzkind. Langer Grenzstau auf der Gegenseite.
Willkommen in Serbien! добродошли!
Wieder auf die Autobahn. Flaches Land. Stoppelfelder brennen. Die erste Mautstelle wird gerade erst gebaut. Die zweite serbische Mautstation ist offen und möchte gern 3 € bis Novi Sad. Klar doch. Irgendjemand muss ja die Autobahn bezahlen.
Novi Sad – heimliche Hauptstadt Serbiens?
Abfahrt Novi Sad. Eine große, moderne Stadt mit dem besonderen Anspruch, wie einige große Plakate zeigen.
Ein fotosensibles Objekt am Stadtrand. Mit Google Streetview kann man virtuell reinlaufen und sich die alten Mercedes 1017 anschauen. Aha, die Majevica-Kaserne. Immer diese orthodoxe Geheimniskrämerei. So ein Quatsch.
Plastikzelte und Plattenbauten am Prachtboulevard von Novi Sad.
Schöne breite Donau mit Sandstrand. Freiheitsbrücke über die Donau. 1999 von der NATO zerstört, 2005 von der EU wiedererrichtet (Quelle).
Festung Petrovaradin, einmal die größte Anlage Europas. Ein Stellplatz wäre gut. Aber überall ist viel los. Zu viel für einen ruhigen Stellplatz. Also noch ein Stück hinauf auf den serbisch-orthodoxen heiligen Berg. Rund um den Nationalpark Fruška Gora gibt es je nach Quelle 12, 15, 17 oder 18 Klöster. Ich habe sie weder gezählt noch besucht. Im Bild die orthodoxe Kirche Sveta Velikomučenica Marina. Ist das schon ein Kloster? Egal, Klosterbesichtigung steht nicht auf dem Programm. Der heilige Berg aber schon.
Nationalpark Fruška Gora
Also weiter hoch auf den Berg. Ziemlich steil hier. Das Loch zwischen dem 2. und 3. Gang stört etwas. Gerade wenn der Bus im Dritten anzieht, kommt wieder eine Spitzkehre. Aber irgendwoher muss die außerordentlich erwünschte Getriebespreizung ja kommen. Oben dann links rein in die Wälder. Das sieht schon besser aus als unten in Novi Sad. Einparken auf der Picknickwiese direkt am Freiheitsdenkmal. Schön hier. Ein guter Platz für Sonntagabend.
Die Kinder beklettern im Dunkeln riesige Eichen. Linden muss es wohl auch geben. Denn im Serbien-Reiseführer und auf Wikipedia steht exakt derselbe Satz zum Nationalpark Fruška Gora (национални парк Фрушка гора): „Ab etwa 300 m Höhe überwiegen dichte Mischwälder mit einem großen Bestand an Lindenbäumen.“ Hmm. Wer hat da von wem abgeschrieben? Und wo sind die Linden? Fragen über Fragen. Dafür lässt das Freiheitsmonument keine Fragen offen. Es steht einfach da und strahlt zuversichtlich in die Nacht hinein.
Ráckeve – Kecskemét – Szeged – Subotica – Novi Sad – Fruška Gora 315 km / 1.095 km
Weitere Reiseinformationen
- Autobahnmaut, Verkehrsregeln und Dieselpreise in Ungarn
- Einreisebestimmungen und Infos zu Serbien
- Infos zu Novi Sad / Neusatz: Wiki
- Nationalpark Fruška Gora: Wiki
Am nächsten Tag dann geht es weiter ins Minenfeld Bosnien-Herzegowina.