Paddeln auf der Elbe: Eine Welt für sich
Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ist das Paddeln auf der Elbe eine ganz eigene, faszinierende Welt.
3 Paddler im Ultraleichtzelt
Die erste Nacht nach dem gestrigen Einsetzen in Magdeburg war ruhig, aber eng. Zu dritt in einem kleinen 2-kg-Ultraleichtzelt ist es manchmal wirklich grenzwertig. Hatte das Gefühl, auf 10 cm schlafen zu müssen. Denn die drei Luftmatten sind zwar 60 cm breit und echt bequem, quetschen sich aber nur per Presspassung ins Zelt und rutschen daher manchmal übereinander.
Ich frage mich wirklich, warum die Zelthersteller keine durchgehenden Luftisomatten in Übergröße für exakt ein bestimmtes Zelt anbieten. Oder meinetwegen das Zelt so bauen, das genau zwei oder drei Isomatten reinpassen. Wäre doch z.B. bei VAUDE kein Problem, weil die ja sowieso Zelte und Luftmatten anbieten. So aber sind drei Matten zu viel und zwei zu wenig.
Doch wegen der Unruhe komme ich wenigstens zu einem Sonnenaufgangsfoto. Am schönsten ist die Elbe nämlich früh um fünf im sanften Morgennebel.
Dank unserer Frühspaziergängerin ist plötzlich wieder richtig Platz im Zelt und ich schlafe nochmal voll ein. Erwache erst 8 Uhr. Dafür muss ich die Schlafsäcke einpacken, die Matten zusammenrollen und das ganze Gepäck vors Zelt räumen. Denn wer als Letzter aufsteht, hinterlässt ein leeres Zelt.
Frühstück auf der Elbe
Parallel zum Zeltabbau wird Teewasser gemacht. Für uns Drei reicht der Gaskocher. Wenn aber alle mitfahren, läuft in der Paddelküche nichts ohne Benzinkocher. Dazu ist als Backup sowie Feuerschale eine Bushbox dabei. Die wiegt fast nichts, lässt sich klein zusammenfalten und kann doch wie ein richtiger Kocher betrieben werden.
Am Morgen gibt es also zwar heißen Tee, aber sonst kein Frühstück. Das wird erst auf der Elbe serviert. Frühstück auf dem Wasser hat den Vorteil, dass wir bequem sitzen und nebenbei noch Kilometer machen. Der bzw. die Smutje sitzt in der Mitte und versorgt uns mit dicken Honigbroten und geschnippeltem Obst.
Rogätz
Dann halt immer Paddelschläge links-rechts, links-rechts, links-rechts. Entspannung pur. Zwischendurch streift der Blick über die Umgebung. Was ist denn das für eine Burganlage da vorn? Aha, der Klutturm als letzter Rest der alten Burg Rogätz.
Solche gebildeten Sachen weiß ich natürlich nicht aus dem Kopf, sondern die werden mir aus dem Gewässerführer vorgelesen. Die Kilometer stehen an der Elbe auf großen Tafeln am Ufer. Da weiß man immer genau, wo man ist. Den Rest erledigt die Wikipedia Umkreissuche.
Aber viele Dörfer, die im Flussreiseführer stehen, sieht man überhaupt nicht. Von der Elbe aus dominieren Buhnen und kleine Sandbuchten, Fischreiher und Entenschwärme sowie Büsche, Pappeln und Weiden. Nur ab und zu stehen ein paar Angler am Ufer oder guckt mal eine Kirchturmspitze über den Deich.
Ferchland
Ganz selten tritt mal ein Städtchen direkt ans Wasser. Auch in Ferchland am km 375 lugen nur ein paar Häuser aus einem bewaldeten Abhang. Laut Gewässerführer (und Google Maps) soll es hier in Ferchland ein Restaurant geben. Ziehen also nach 33 km an der Fähre Ferchland das Boot aus dem Wasser.
Stolpern über einen Gedenkstein der Armee Wenck, der eigentlich nach Schönhausen gehört, aber hier an der Elbe auch ganz gut aufgehoben ist. Wenck war es nämlich, der mit seinem Rückzug über die Elbe Hans-Dietrich Genscher und fast seine ganze Kinderarmee gerettet hat. Diesen Bildungsbeitrag präsentiert mir Google Lens, weil ich den Text nicht so richtig verstanden habe und mehr wissen wollte.
Da steht ja das Schild zum Storchennest, auch wenn mein Handy schlau ist und auf den Trabant Kübel fokussiert. Cooles Gefährt. Trotz 26 PS und Frontantrieb erstaunlich agil und geländegängig, notfalls mit zwei Mann auf der Motorhaube oder vier Mann an vier Ecken. Das nun weiß ich aus eigener Erfahrung.
Ferchland ist recht einfach gehalten. Anhaltinische Provinz eben.
Aber das Storchennest ist was Besonderes mit dem riesigen, uralten Weinstock quer über den ganzen Hof. Getränke und Essen sind wunderbar und zum Abschluss gibt es noch einen kleinen Obstsaft aus allerliebsten Gläsern. Schmeckt wie Erdbeerwein, nur ohne Alkohol. Hergestellt übrigens aus den Weintrauben vom Innenhof.
Nach zwei Stunden bezahlen wir bar und laufen wieder zurück zur Fähre Ferchland. Hier in der Provinz kann man zwar nicht mit Karte bezahlen, dafür aber Boot und Gepäck einfach so am Ufer der Elbe liegen lassen. Wobei wir die guten ExtaSea-Carbonpaddel schon immer mitnehmen. Denn wer sich die klauen lässt, muss in Zukunft wieder mit den schweren Alupaddeln vorlieb nehmen. Und dass will niemand. Auf gar keinen Fall.
Seeadler im Wind
Der Wind bläst nun stärker von backbord. Wir halten uns also immer an der linken Elbseite, weil da ein bisschen Windschatten ist. Ansonsten wieder paddeln, paddeln, paddeln.
Das Grabner Riverstar XXL hat ja ein stabiles Deck, auf dem man viel Gepäck verlasten kann. Aber so eine hohe Beladung bietet eben auch viel Angriffsfläche für den Wind. Deswegen konzentriere ich das Gepäck hinten, wo die Steueranlage ist. Beim Grabner geht das, bei unseren anderen, kleineren Familien-Kanus würde da das Heck absaufen. Und ja, unter dem Deck ist ebenfalls noch genug schweres Zeug.
Auch einem Seeadler zerzaust der Wind ganz schön die Federn. Auf dem Handyfoto sieht man das natürlich nicht richtig. Aber das ist mit 100-facher Vergrößerung aus dem schaukelnden Boot gemacht. Da bin ich schon froh, wenn der Seeadler überhaupt zu erkennen ist.
Tangermünde
Nach heute 46 km Paddeln kommt am Elbkilometer 388 Tangermünde auf. Wollte eigentlich in den Ruderclub gehen, dort zelten und die Stadt besichtigen. Hab aber keine Ahnung, ob das überhaupt geht.
Und irgendwie verpassen wir sowieso den Eingang in den kleinen Stadthafen. Dachte, da kommt noch was. Und so paddeln wir einfach an der Hansestadt Tangermünde vorbei. Doch vorbei ist vorbei, da kann man nichts machen. Das Schönste an der Elbe sind für mich sowieso nicht die Städte, sondern die Einsamkeit und Abgeschiedenheit einer naturbelassenen Flusslandschaft. Also intuitiv alles richtig gemacht.
Wobei das mit der Naturbelassenheit Quatsch ist, denn jede der vielen romantischen Buchten liegt ja letztlich nur hinter einer künstlich angelegten Steinbuhne. Und so einsam ist es auch nicht, da nach Tangermünde quasi an jeder Bucht ein Angler mit Zelt und Auto steht. Aber das ist nur in der Nähe von Städten oder Brücken so und gibt sich bald wieder.
Zelten an der ICE-Brücke Hämerten
So langsam tut allen der Po weh und wir wollen aufhören. Angesichts eines langen Uferbetretungsverbotes voraus landen wir kurz vor der Eisenbahnbrücke Hämerten am km 494 an. 52 Kilometer paddeln reichen für heute.
Nach Zeltaufbau und Abendbrot gehen alle zusammen baden, obwohl der Untergrund ziemlich schlammig und komisch ist. Die Stimmung im Sonnenuntergang aber ist einmalig.
Wenn nicht ab und zu ein ICE über die Hämerten-Brücke rattern würde, könnte man sich bei dem ganzen Vogelgekreisch absolut fern der Zivilisation fühlen. Dennoch sind wir hier an der Elbe mitten in Deutschland. Vielleicht sitzt ja gerade jemand im ICE von Hannover nach Berlin, schaut rechts aus dem Fenster ins Dunkel und sieht das helle Band der Elbe. Und wir schauen kurz auf und sehen eine Lichterkette vorbeirasen. Ein Ort, zwei Welten. Ich liebe beide.
Infos
- Paddelstrecke: Herrenholz – Rogätz – Ferchland – Tangermünde – Brücke Hämerten | km 342 – km 394 | 52 km | 70 km gesamt
- DKV-Gewässerführer Ostdeutschland mit Kilometerangaben, aktuellen Hinweisen und Betretungsverboten (S. 84): Klick
- Tipps und Etappen zum Paddeln auf der Elbe
- Ausrüstungsliste fürs Paddeln