Tunesien: Halbautomatische Testfahrt nach Tamerza
Am letzten Tag auf dem Parkplatz am Mides Family Resto testen wir, wie sich der Bus mit Arm und Bein im Gips so fährt.
Was bringt die Solaranlage?
Im Wohnmobil elektrisch kochen ist ja das eine, wie der Strom von der Solaranlage wieder reinkommt, das andere. 07:08 Uhr starten wir jedenfalls mit 36% Ladestand in der Runhood Box. Mal sehen, wann die restlichen 1,5 kW wieder im Akku sind.
Unsere Spitzenköche vom Truck 711D haben auch ordentlich Solar auf dem Dach und sind da schon etwas weiter als wir. Aber klar, die sind nur im Sonnengürtel unterwegs. Da ist man mit einer Solaranlage für alle Eventualitäten gerüstet. Ich glaube, die haben gar keine Gasanlage, sondern nur eine Dieselheizung.
8:00 Uhr schallt von der gegenüberliegenden Straßenseite der Morgenappell der Schule zu uns rüber. Die spielen allmorgendlich ein identisches Lied ab, was langsam nervig wird. Dagegen geht die nächtliche Ruhestörung durch den Muezzin als exotische Besonderheit durch. Ansonsten beginnen im Palmenhain diverse Baggerarbeiten. Da wird die Oase ja doch noch bewirtschaftet. Kann aber auch sein, dass die Leute mit den Traktoren nur Erde für ihre Privatgärten holen.
09:53 Uhr bringt das 420-Watt-Solarmodul auf dem Dach (Euronergy EUQJH57J420) bei seitlich-schräger Sonneneinstrahlung 211 Watt Ladeleistung und die Akkubox ist halbvoll.
Wahrscheinlich ist es bei der Dimensionierung einer Solaranlage auf dem Wohnmobil sinnvoll, als reale Leistungsausbeute eines Panels den halben Leistungspeak anzunehmen. Denn so ideal steht man nie und ich werde auch nicht anfangen, den Bus nach der Sonne zu drehen. Das kann ich mit dem faltbaren Solarpanel machen, aber nicht mit einer stationären Anlage.
Ein Solarpanel auf dem Dach liefert dafür kontinuierlich und selbst während der Fahrt Strom. Wenn ich die Solaranlage mal an die Versorgerbatterien aufschalte, wäre es zur Schonung der Lichtmaschine sicher sinnvoll, den Ladestrom vom Wohnmobil auf die Versorgerbatterien abschalten zu können. Macht ja keinen Sinn, dass die Lichtmaschine läuft, wenn über die Solaranlage sowieso genug Strom reinkommt.
Zu hoher Dieselverbrauch im Mercedes 711D?
10 Uhr sind endlich die Baggerarbeiten in der Oase vorbei und wir haben wieder Ruhe. Die Jungs machen nach der gestrigen elektrischen Kochparty den Abwasch, und ich probiere wieder einmal, ob und wie ich fahren kann. Mittlerweile könnte ich mit dem gebrochenen linken Bein sogar die Kupplung bedienen, hab aber abgesehen von den Schmerzen Schiss, dass mir der Gips zerbricht.
Dann kommen die beiden 711D-Trucker zu uns und wir machen zusammen Frühstück. Nebenbei überlegen wir, warum deren 711er so viel Sprit braucht. 17 Liter sind wirklich zu viel. Ich komme aber drauf, dass das nur ein Rechenfehler sein kann, da er seine Achse umgebaut, aber den Kilometerzähler nicht angepasst hat.
Kaum ist er weg und hat die ersten 10 km zurückgelegt und mit dem GPS-Tacho verglichen, braucht sein 711er dann plötzlich schlanke 12 Liter. Das ist doch mal eine Reparatur, wie ich sie liebe. Rein mit Gedankenkraft und ohne sich die Finger schmutzig zu machen. Also weiter gute Fahrt euch beiden!
Der erste Spaziergang
11:45 Uhr hilft mir mein Vierter beim ersten „Spaziergang“ seit meinem Sturz in den Canyon vor 4 Tagen. Die Herausforderung beginnt schon damit, überhaupt aus dem höhergelegten Bus rauszukommen. Und dann muss ich die ganze Strecke auf einem Bein hüpfen. Hab schon überlegt, mir irgendwelche Krücken basteln zu lassen, aber das wird mit dem Arm im Gips auch nichts. Ich bräuchte einen Rollstuhl oder eine Sänfte, um wieder mobil zu sein.
Das erste Wanderziel ist allerdings überschaubar, denn ich will oben an den Tischen vor dem Restaurant nur mal das Geschäftliche mit dem Chef regeln.
Meine Helfer
Geld will Salah nach wie vor nicht haben und er lehnt auch meinen Trick ab, die Parkgebühr für unsere Mitcamper, die ja sonst nie und nimmer auf dem Platz gewesen wären, einschließlich eines reichlichen Trinkgelds zu bezahlen. Und so nimmt er von mir zwar die normale Parkgebühr für den anderen Truck an, was ja nur 25 Dinar sind (8 €). Aber für mich darf ich nichts bezahlen. Da sind die Regeln der tunesischen Gastfreundschaft wirklich unerbittlich.
Dafür überreiche ich ihm als Geschenk meinen kleinen ¼-Zoll-Nusskasten. Eine 8er Stecknuss hatte sich Salah sowieso schon mal für sein Moped ausgeliehen, sodass er mit dem Geschenk auch praktisch was anfangen können sollte. Vor allem habe ich jetzt ein halbwegs reines Gewissen. Aber ich gehöre sowieso praktisch zur Familie, sitze in der kleinen Küche des Mides Family Resto und darf auch mal ein Foto vom Chef machen.
Ja, und von Mohammed, dem vom Parkplatzchef „lizenzierten“ Touristenführer, mache ich natürlich auch noch ein Foto. Schließlich hat er mir aus der Schlucht geholfen, mich zur Krankenstation in Tamerza und die Jungs wieder zurück zum Bus gebracht. Ansonsten ist er der einzige Tunesier weit und breit, der ein paar Brocken Englisch spricht, auch wenn eine Unterhaltung schwierig ist, weil er die ganze Zeit nur die Straße scannt und sich bei jedem eintreffenden Touristenfahrzeug sofort aufs Moped schwingt und hinterher fährt.
Dann kommt auch noch der Fahrer für die morgige 500-km-Rückfahrt nach Tunis und wir klären ein paar praktische Details für diese Tagesreise. Als Rangierhilfe auf der Fähre hat sich ein Steyr-Fahrer aus dem Wüstenschiff-Forum gemeldet. Aber besser wäre natürlich, wenn ich das zusammen mit meinem Vierten alleine hinkriege. Ab Genua werden wir dann familienintern abgeholt.
Überwachung des Solarertrags per Handy
Jedenfalls sitze ich mit Salah draußen vor seinem Mides Family Resto und wir unterhalten uns mithilfe unserer Handys. 13:00 Uhr lässt es sich der Chef nicht nehmen und bewirtet uns mit Berberpizza und Salatteller.
Da sowohl mein Handy als auch die Akkubox im WLAN sind, kann ich mit der Runhood App auch ohne mich zu bewegen Solarertrag und Ladezustand checken. Und siehe da, 14:00 Uhr ist die Box zu 88% geladen. Der Solarertrag liegt mit schräg seitlicher Sonneneinstrahlung bei 225 W.
Testfahrt nach Tamerza
Also ist jetzt alles geklärt und wir starten eine kleine Testtour mit dem Bus, damit wir die halbautomatische Beifahrerschaltung anlernen. Obwohl es ziemlich warm ist, heize ich den Motor vor, denn anfahren kann ich ja nur mit Standgas, das ich auf 1000 Umdrehungen hochnehme. Dann trete ich mit dem rechten Fuß die Kupplung, mein Vierter schaltet auf Kommando, bestätigt die Gangwahl und ich kann die Kupplung kommen lassen.
Losfahren ist schon mal kein Problem. Viel schwieriger ist das Anhalten, das wir auch gleich üben. Dazu trete ich die Kupplung, der Beifahrer nimmt den Gang raus, ich lasse die Kupplung wieder los und trete auf die Bremse. In der Zeit rollt der Bus natürlich weiter, sodass alles ein bisschen zackig gehen muss. Aber notfalls würge ich den Motor eben mit der Bremse ab.
Mit ein bisschen Konzentration funktionieren halbautomatisches Hoch- und Runterschalten ganz gut, und auch der rechte Fuß kommt bei der Bedienung der drei Pedale nicht durcheinander. Selbst die Stadtfahrt durch Tamerza ist erfolgreich, und wenn ich nicht groß rangieren muss, klappt sogar das Einparken, auch wenn die Halbautomatik im Mercedes 711D noch ein wenig ruckelt.
Mein Fünfter geht in die Apotheke und kauft noch mehr Thrombosespritzen für mich, während der Vierte Geld holt. Dann fahren wir auch schon langsam wieder zurück.
Die Testfahrt ist jedenfalls ein voller Erfolg, auch wenn ich nicht die ganzen 500 km bis Tunis fahren soll. Außerdem muss ich da jetzt nicht mehr nachdenken, denn der Fahrer ist für morgen früh bestellt und abgemacht ist abgemacht.
Gastgeschenke
16:30 Uhr sitzen wir am Restaurant und trinken zusammen Tee. Es ist mir echt unangenehm, das alles nicht bezahlen zu können, aber offenbar mache ich Salah damit eine Freude. Ist ja bald Ramadan, der kriegt er das hoffentlich irgendwie von höherer Stelle angerechnet.
Das ist dem traditionellen Gastgeber dennoch nicht genug. Denn wie ich draußen vor dem Bus in der Abendsonne sitze, kommt er noch mal vorbei und bringt mir als Gegengeschenk Datteln und Dattelsirup. Es scheint ihm wirklich eine große Ehrenpflicht zu sein, sich um einen in „seiner“ Schlucht von Mides verunglückten Touristen zu kümmern. Also noch mal auf diesem Weg vielen lieben Dank, Salah und Zarah.
Am Abend kommen noch die beiden französische Allrad-Sprinter, mit denen wir in Karthago zumindest eine halbe Nacht verbracht haben. Na, das werden wohl auch solche 2-Wochen-Urlauber wie wir sein. Aber dafür ist das kleine Tunesien ja letztlich wie gemacht.
Heizen mit Solarenergie
Zum Abendessen machen die Jungs Nudeln mit Tomatensoße und Würstchen, kochen allerdings mangels Induktionsfeld nicht elektrisch, sondern klassisch auf Gas.
Dann werden Fliegen im Bus gejagt. Mein Vierter landet einen Lucky Punch und erschlägt 4 Fliegen auf einen Streich, während ich schon wieder friere und die tagsüber geerntete Solarenergie mit dem Heizlüfter in mollige Wärme umwandle.
Aber ernsthaft heizen mit Solarenergie braucht noch mal deutlich mehr Solarmodule und Akkus. Denn bei 1,4 kW Leistung des Heizlüfters könnte ich den an der Runhood-Box gerade einmal anderthalb Stunden betreiben.
Mides – Tamerza – Mides | Tunesien | 21 km | 1.873 km
❤️ Ein Männerblog?
Also wenn ich mir Kommentare oder Spenden anschaue (Vielen Dank dafür!), dann ist das hier ja wirklich ein reiner Männerblog. Na gut, die Kinderthemen sind durch. Aber gibt es denn keine Frauen, die sich für Offroad, Reisen und LKWs interessieren? Mit Google Analytics wüsste ich das, aber diese Datenkraken will ich ja nicht fördern. Dafür bin ich hier ein bisschen blind unterwegs. Aber egal, die Berichte sind ja eh für die Familienchronik. Da kenne ich meine Leser.
Hallo Tom, bin von den Eindrücken fast ein wenig erschlagen! Die Ehrenhaftigkeit der tunesischen Menschen, die „Halbautomatik“, deine mit Gips und dicken Verbänden versorgten Verletzungen und nicht zuletzt die Umsicht und Vernunft deiner „kleinen“ Söhne. Himmel, sind die erwachsen geworden. Was für große Jungs, habe mir eben nochmal den „schlimmsten Tag“ angesehen – wie die Zeit vergeht…
Unser 711 musste umgeparkt werden und mit diesen Eindrücken durfte ich dann wenigstens eine XXL-Runde drehen. Zumindest gibt es auf der Ostalb noch unbefestigte Kleinststraßen und dann macht so eine kleine Tour wenigstens richtig Spaß. Was mir bei dir immer wieder auffällt, ist die Tatsache, dass du immer technische Perfektion anstrebst aber keinerlei Interesse an hochglanzpoliertem Kram zu haben scheinst. Nadja und ich finden das unheimlich sympathisch, man braucht z.B. alle Gewürze aber ganz gewiss keinen Klavierlack im Womo. Form follows function (oder so ähnlich). Sehr interessant ist deine Vermutung, dass es sich hier quasi um einen „Männerblog“ handelt. Denke schon, dass es auch viele Frauen gibt, die an Offroad, Reisen und LKWs interessiert sind. Meine Frau fährt unheimlich gerne 711 und kann das auch perfekt, Nadja fährt auch auf schmalsten Pisten bei schlechtestem Licht hunderte Meter rückwärts. Und ich kann völlig entspannt daneben sitzen. Aber sie würde niemals auf die Idee kommen, Vorderachse oder Kardan abzuschmieren. Sie weiß auch ganz genau, dass 7globetrotters quasi zu einer Institution geworden ist und sagt immer wieder „frag doch Tom“. Und hört sich immer wieder gerne meine Geschichten über deine Erfahrungen an. Trotzdem vermute ich mal (sie hat grade Dienst), dass sie selber kaum hier unterwegs ist. Seltsam. Klar, Technik spielt hier ne große Rolle. Sind unsere Frauen doch gar nicht so emanzipiert? Mich wundert das auch. Denn zumindest die Reiseberichte sind doch für jedes Geschlecht interessant. Oder liegt es daran, dass in deinem 711 (wie bei uns) zumeist Jungs unterwegs sind.
Ja, der schlimmste Tag ist nun auch schon wieder 8 Jahre her. Dass du das noch weißt, ist schon erstaunlich. Bei meinen Jungs ist es jedenfalls das Abenteuer, wo wir die Bonbons vergessen hatten. Ob die allerdings noch wissen, was die Lahn ist, muss ich mal erfragen.
Das mit der technischen Perfektion sehe ich hingegen nicht so. Ich versuche halt nur, mit meinen beschränkten handwerklichen Fähigkeiten meine Ideen umzusetzen. Da bin ich schon zufrieden, wenn es einfach nur funktioniert.
Ja, der schlimmste Tag ist nun auch schon wieder 8 Jahre her. Dass du das noch weißt, ist echt erstaunlich. Bei meinen Jungs ist es jedenfalls das Abenteuer, wo wir die Bonbons vergessen hatten. Ob die allerdings noch wissen, was die Lahn ist, muss ich mal erfragen.
Das mit der technischen Perfektion sehe ich hingegen nicht so. Ich versuche halt nur, mit beschränkten handwerklichen Fähigkeiten meine Ideen umzusetzen. Da bin ich schon zufrieden, wenn es einfach nur funktioniert.
Chef
die Leistungsangaben der Solarpanels beziehen sich immer auf die sog Standardbedingungen (25 Grad, Sonneneinstrahlung 1000 W/m², Luftmasse 1.5).
Die hast Du im realen Leben nie, vor allem die Zelltemperatur ist immer wesentlich höher weil die Dinger halt heiss werden, das mindert die Ausbeute.
Wenn Du Dir sagen wir mal 5kW installiert, kannst Du real mit ca 4 kW rechnen.
Dass die theoretische Leistungsangabe der Solarpanels sowieso nie erreicht wird, ist schon klar. Die Frage ist eben nur, wo dann tatsächlich die praktische Ausbeute liegt. Da bist du mit deinen 80% schon gut dabei. Bei uns sind das eher 50%.
die annähernd maximale Ausbeute kannst Du sehen, wenn Du die Panele an einem kalten sonnigen Wintertag mit optimalem Winkel und Ausrichtung aufstellst, Batterie darf natürlich nicht voll geladen sein.