Tunesien: Katastrophe im Midès-Canyon
Die Tunesientour ist traumhaft, bis mein 8-m-Sturz in die schwarze Tiefe des Midès-Canyons alles verändert.
Parkplatz am Mides Family Resto
Ist ein schöner Platz hier oberhalb der Bergoase Midès, deren Schluchten wir ja gestern schon durchwandert haben. Kurz vor 8:00 Uhr wird zwar an der Schule auf der anderen Straßenseite eine Art Hymne abgespielt, aber das ist nach 5 Minuten wieder vorbei. Ansonsten ist der Parkplatz am Mides Family Resto eben, ruhig und mit 25 Dinar (8 €) preiswert. Nicht zu verachten ist das WLAN, denn da kann ich auch mal die Fotos vom Handy sichern. Es gehört nämlich zu meinen Grundängsten, mitten im Urlaub das Handy mit allen Urlaubsfotos in einen Fluss oder eine Schlucht fallen zu lassen.
[Da wusste ich noch nicht, was heute passieren und wovor ich eigentlich Angst haben sollte.]
Klar, man kann sich mit dem Camper in Tunesien auch irgendwo verstecken. Aber so direkt an der algerischen Grenze geht einem dann nur die Nationalgarde auf den Geist. Da ist so ein offizieller Stellplatz schon wesentlich entspannter. Strom ist extra, aber mit der Solaranlage könnte ich eher umgekehrt das Restaurant versorgen als dass wir irgendwann mal Strom bräuchten. Genauso wenig brauchen wir mit der unserer Separett Tiny eine andere Toilette.
Die Dusche am Wohnmobil reicht auch, denn von Campingplätzen mit Dusche oder gar Pool in der Wüste halte ich sowieso nichts. Frisches und gutes Wasser scheint es in der Oase Mides zwar genug zu geben, aber das sollte nicht für die verwöhnten Touristen verschwendet, sondern den Dattelpalmen zugeführt werden.
Wenn in ein paar Jahren die Palmen in dem kleinen Garten unterhalb vom Stellplatz groß sind, wird das echt paradiesisch sein. Dagegen gibt es schon jetzt solche orangenen, stacheligen Früchte, nach denen ich googlelensen muss. Horngurken sind das. Kann man auch essen. Aber beim Essen fehlt mir das experimentelle Verlangen, das mich sonst so umtreibt.
Wohl und Wehe einer Oase
Wir lassen es heute ruhig angehen, sind aber trotzdem schon 9:30 Uhr mit dem Frühstück fertig. Da ist sogar schon alles abfahrfertig abgebaut, das Hubbett unter der Decke verstaut und das Aufstelldach eingeklappt.
Schließlich will ich nur noch mal kurz in der Morgensonne den oberen Canyon an der Bergoase Midès angucken, der gestern im Gegenlicht lag.
Gerade früh am Morgen ist es in der Oase besonders schön. Die Sonne strahlt schräg zwischen den Dattelpalmen durch, das schwere grüne Bodenkraut ist feucht und dampft, es riecht extrem aromatisch und überall strömt frisches Wasser durch offene Kanäle. Die Jungs sind schon leicht genervt von meiner Begeisterung über die Bergoase Midès und davon, dass ich jetzt schon zum dritten Mal erkläre, wie die Verteilung des Wassers geregelt wird.
Wenn aber schattenspendende Dattelpalmen, permanente Pflege und frisches Wasser fehlen, bleibt von so einer schönen Oase nicht mehr viel übrig.
Das sieht man ja sehr abschreckend in Merzouga, wo das grüne Paradies rund um die alte Siedlung fast völlig verschwunden ist, weil sich die Bewohner nur noch dem Tourismus zuwenden und den eigentlichen Anziehungspunkt vernachlässigen. Die Bergoase Midès hat zwar die Schluchten (so wie Merzouga die Sanddünen), aber das hat man schnell gesehen und abgehakt. In so einer üppigen Oase aber kann man sich wochenlang aufhalten, ohne dass es langweilig wird.
Canyon an der Bergoase Midès
Jedenfalls sieht man schon jetzt, dass Midès und die Bergoase früher wesentlich landwirtschaftlicher geprägt waren. Es geht noch, aber Tunesien muss aufpassen, damit die Oasenwirtschaft nicht nur schmückendes Beiwerk für den Schluchtentourismus wird.
Von Touristen, die vom schönsten aller Aussichtspunkte einen Blick in die Schlucht werfen, kurz erschaudern und dann wieder in den klimatisierten Bus einsteigen, hat die Bergoase nämlich genau gar nichts. Und wenn das dann alle mitkriegen und die Kinder bunte Bänder und Steine verkaufen müssen, verschwinden die Touristen schneller, als sie wieder da sind.
Obwohl der Midès-Canyon schon bekannt ist, hat man hier und heute seine Ruhe und kann ganz gemütlich und ohne jede Sicherung oben am Rand des Canyons entlangspazieren. Bin jedenfalls sehr begeistert von der tiefen Schlucht von Mides, die zum Ende hin immer enger wird. Das Problem ist nur, dass man aufgrund steiler Felsstufen am Boden der Schlucht nirgendwo runter kommt. Weder von unten noch von oben.
Der letzte Schritt am Canyon
Ganz am Ende wird die Schlucht eher zu einem Höllenschlund, so schmal, tief und gewunden, wie der schwarze Abgrund ist. Eine einzige schwarze Spalte. Während ich also herumtrödle und mir total fasziniert alles ganz genau anschaue, sind meine Jungs schon weiter oben am Wasserfall vorbei und stehen fast am Ende, wo die Schlucht ausstreicht. Ja, der kleine Wasserfall, da muss ich aufpassen.
Ach, über den kleinen Wasserfall an der Felskante mache ich einen kurzen Sprung und erledige den Rest mit Schwung. Man kann sich ja da schon fast an der linken Felswand abstützen. Tja, und genau bei diesem kleinen Sprung rutsche ich mit meinen hartsohligen Wüstenwanderschuhen ab, stürze 8 Meter in die Schlucht runter und alles wird schwarz. Kein hilfloses Wanken, kein letzter Schrei, kein dramatisches Bildervorbeiziehen. Es wird einfach nur alles schwarz und still. Und kalt.
Allen Ängsten zum Trotz hat gerade mein Handy den Sturz in die Tiefe schadlos überlebt, und dieses schwarze Foto unklarer Herkunft ist tatsächlich das letzte Bild meines alten Lebens.
❤️ Ein bisschen Hilfe
Wie ich so bewusstlos in der Schlucht lag, wusste ich noch nicht, dass ich mich nach diesem Unfall eine Zeit lang alleine nur noch im Rollstuhl fortbewegen, zwei Monate nicht arbeiten und somit auch nix verdienen würde. Wer also schon immer mal auf die Gelegenheit gewartet hat, mich mit einer kleinen Spende zu unterstützen, hier ist sie.
https://www.paypal.me/7globetrotters
Vielen Dank!
Oha, da kann man nur alles Gute und vor allem schnelle und vollständige Genesung wünschen! Vor diesem Bericht hatte ich erst die Befürchtung, der Febsterbus wäre ein Totalwchaden, aber das ist natürlich noch viel schlimmer! Allerdings bei 8m noch Glück im Unglück, das hätte auch das wirklich allerletzte Foto sein können.
Meine Spende habe ich ja schon abgesetzt und jetzt bin ich umso sicherer, dass sie gut „angelegt“ ist.
Vielen Dank für die guten Wünsche, Matthias, ich kämpfe immer noch mit den Folgen. Aber mittlerweile ist mir bewusst, wie viel Glück ich hatte.
Hallo Tom,
Gute Besserung und das Du bald wieder fit bist!
Beste Grüße Bernhard
Vielen Dank, Bernhard, ich gebe mir Mühe.
Hallo Tom, das hört sich an als hättest du nochmal ordentlich Glück im Unglück gehabt! Ich hoffe du kannst auf eine vollständige Genesung hoffen. Gute Besserung!
Vielen Dank auch dir, Marco. Die Genesung ist nicht nur vollständig zu erwarten, sondern wird sogar besser sein als vorher. Ich habe jetzt nämlich eine leicht gekröpfte Schrauberhand für schwierige Ecken am 711er.
Hallo Tom, auch ich wünsche Dir, dass Du wieder vollständig gesund wirst. Schön zu lesen, dass Du Deinen Humor nicht verloren hast!
Gruß Thomas
Danke schön, Thomas. Was soll man machen, schwarz sehen kann ich noch lange genug.
Auch von mir, dem konstanten Fan, alles Gute und schnelle Genesung.
Vielen Dank, Martin. Das Stichwort heißt Blitzheilung.
Hallo Tom, das ist ja echt heftig. Zum Glück scheint es ja noch halbwegs gut ausgegangen zu sein für dich.
Da sieht man wie schnell sich von einer Sekunde zur anderen alles verändern kann.
Wünsche dir alles erdenklich Gute und baldige & vollständige Genesung.
Viele Grüße von einem häufigen Besucher deiner Beiträge zum 711 & euren Paddelabenteuern !
Danke, Sven. Paddeln ist mit der Hand wirklich doof. Aber da habe ich einen Grund, dass ich mich paddeln lassen und in aller Ruhe fotografieren kann.