Jakobsweg: Asphalt von der Drehsaer Schweiz nach Bautzen

In Bautzen muss man ein bisschen aufpassen, denn der Reichenturm kippt bald um und der Jakobsweg teilt sich.

Verzögertes Jakobsfrühstück

Die Nacht nach der gestrigen Wanderung auf dem Jakobsweg von Arnsdorf hierher war ruhig. Keine Wildschweine, keine Wölfe, keine Schweden. Nur das lange Schlafen macht mich fix und fertig. Mein kleinstes und leichtestes Ultraleichtzelt ist zwar süß und auf den Luftmatten auch bequem, aber so früh um 4 Uhr bin ich wach. Und dann erdrückt mich die Enge im Vaude Hogan fast. Kann mich ja nicht groß bewegen, um niemanden aufzuwecken.

7:00 Uhr baue ich das Zelt ab und will nebenbei Tee kochen. Die dumme Kartusche will nur kein Gas hergeben. War wohl doch recht kalt in der Nacht. Mit ein bisschen Schütteln geht’s, allerdings dauert es nicht wie im Test für den Gasbrenner ermittelt 5, sondern 10 Minuten, bis der Tee fertig ist. Ganz furchtbar.

Für ein entspanntes Frühstück ist es noch zu frisch. Mehr als Tee in der Thermoskanne mixen ist auf der feuchtkalten Zeltwiese nicht drin. Aber hinter dem Wald geht die Sonne schon langsam auf. Wird wohl wieder schön heute.

Erstes Jakobswegziel ist eine Bank in der Sonne. Die brennt aber schon bald so stark, dass wir umschwenken auf eine Bank im Schatten. Die finden wir 08:15 Uhr kurz vor Drehsa unter einer riesigen, freistehenden, wirklich beeindruckenden Eiche mit dicken Ästen. Was für ein Baum!

Jetzt erst wird der Tee ausgeschenkt. Die fette Thermoskanne widerspricht zwar allen meinen Regeln für die ultraleichte Trekkingausrüstung und ich würde die auf Solotour auch niemals mitnehmen, aber die ist schon praktisch. Dazu gibt es Honigbrote und Äpfel. Alles andere ist nun wirklich überflüssig.

So sitzen wir da, schauen auf die hügelige Landschaft mit den fließenden Horizontlinien und lassen es uns gut gehen. Dann über die ausgestorbene Landstraße nach Drehsa. Klar, die Kinder sind alle im Kindergarten, die Eltern auf Arbeit und der Bus ist auch gerade durch. Wer soll hier also Auto fahren?

Drehsaer Schweiz

Drehsa selbst ist genauso ruhig.

Hier gibt es sogar eine Variante des Jakobswegs. Die nehmen wir. Also links rum.

Ziel ist die Drehsaer Schweiz.

Der Begriff „Drehsaer Schweiz“ ist zwar etwas übertrieben für das kleine Waldstück mit den paar Felsen, aber es ist ein hübscher Weg.

Wer sich die kleine Drehsaer Schweiz bei Bautzen mal auf der Karte anschauen will, hier ist sie:

Adonis war auch schon da.

Versorgung auf dem Jakobsweg

Die Drehsaer Schweiz ist schnell durchwandert und wir schwenken wieder auf den Hauptweg ein, der hier eine Allee voller Äpfel und Birnen ist. Danke für die schnurpsige Obstversorgung.

Es ist aber auch traumhaft hier auf dem Jakobsweg. Einerseits der uralte Obstbestand rechts und links des Feldwegs, andererseits aber auch schon die ersten Zeichen des Herbstes. Dazu blauer Himmel, warme Sonne und keine Leute. Eine wunderbare Septemberwanderung.

Bautzen durchwandern

Langsam nähern wir uns der Bahnlinie nach Bautzen.

Aber vorher kommen noch Kubschütz, Baschütz, Jenkwitz und Nadelwitz. Drei Leute unterwegs zeigen uns ungefragt die Richtung, da die Ausschilderung des Jakobswegs rund um Bautzen ziemlich dürftig ist. 11:50 Uhr sind wir an der B 6 und müssen entlang der Hauptstraße ins Zentrum laufen.

Obwohl wir kurz vorm Verhungern sind, fährt mein Handy stromlos runter, bevor ich eine passende Gaststätte raussuchen kann. Denn das Gastronomieangebot an der Ostbautzner Peripherie ist eher nicht so toll. Doch am Kornmarkt gibt es einen Inder. Wir sitzen gut, die Pizza schmeckt, der Reis auch. Und nebenbei wird das Handy reanimiert, das ich lieber in der Gaststätte als an der Powerbank lade.

Der schiefe Turm von Bautzen

14:00 Uhr rüber auf den Kornmarkt und hoch auf den schiefen Reichenturm. 118 Stufen, 56 m hoch, 1,44 m aus der Geraden. Der schiefe Turm von Bautzen.

Ganz nette Aussicht nach Westen über die Altstadt.

Aber auch nach Osten zur Landeskrone bei Görlitz. In Görlitz bzw. Zgorzelec haben wir unseren Jakobsweg angefangen.

Vom Reichenturm über die Reichenstraße zum Petridom. Drin dieser besondere Geruch, die Stille und eine Frau, die strickt.

Bautzner Varianten des Jakobswegs

Aha, hier hinter dem Dom hat sich die Bautzner Gastronomie versteckt. Die Altstadt von Bautzen zwischen Kornmarkt und Spree liegt zwar nicht direkt auf dem Jakobsweg, ist aber dafür sehr sehenswert. Zahlreiche Kneipen mit Tischen auf der Straße, viel Laufkundschaft, schönes Wetter. Alles supi. Diese inoffizielle Variante vom Jakobsweg hab ich doch gut organisiert. Schulterklopf.

Dann über eine steile Treppe runter zu Spree. An der alten Brücke treffen wir wieder auf den Jakobsweg, der sich hier teilt. Wir wollten ja erst über Dresden und Chemnitz nach Hof gehen. Aber das ist irgend so ein neumodischer Weg. Der richtige Jakobsweg führt wie die alte Via Regia über Kamenz, Großenhain, Leipzig, Erfurt und Eisenach nach Vacha. Und es ist seit Görlitz völlig klar, dass wir diesen Weg gehen.

Langweiliger Jakobsweg westlich von Bautzen

Die westliche Peripherie von Bautzen ist ein bisschen langweilig. Nach der Bautzner Altstadt führt der Weg von der Spreebrücke durch Seidau, unter der Autobahn durch und an einer ziemlich befahrenen Straße in Sichtweite der A4 nach Salzenforst. Zum Glück ist dieser Kackweg nicht auf meinem Mist gewachsen und ich muss mir da keinen Kopf drum machen. Hätte ich diesen „Wanderweg“ an der Straße selbst ausgesucht, würde ich jetzt schlechtes Gewissen entwickeln und nach Alternativen suchen. Aber so ist alles okay. Der Muschel zu folgen, entspannt und entlastet mich wirklich.

16 Uhr kommen wir in Salzenforst an einem Tatra 148 vorbei, aber gerade wird das Betriebstor abgeschlossen. So ein Mist. Erfahre dafür, dass beim Tatra sowieso zwei Gänge kaputt sind und der nicht mehr fährt. Muss mich aber beeilen, denn meine Interessen spielen hier keine Rolle.

Einen Kilometer später Pause am Heldendenkmal Salzenforst. Und genau da kommt ein hübscher Barkas angepleppert. Sehr schick. Und aufgrund der Farbe findet der Barkas sogar Gefallen aller Pilger. Hat eben auch Vorteile, wenn man in der ostdeutschen Provinz an Straßen lang wandert.

Der Jakobsweg als Dorfprojekt

In Salzenforst sind ein paar Muschelsammler aktiv, die Bänke und Schutzhütten mit echten Jakobsmuscheln verzieren. Gesehen und gewürdigt. Liebe kommt immer gut.

Der Jakobsweg selbst mit dem vielen Asphalt ja nun nicht sooo herausragend.

Aber die Dörfer sind voll auf Pilger eingestellt. Dabei gibt es hier gar keine außer uns. Pro Woche 20 Pilger verlaufen sich eben schon ganz schön.

Zeltplatzsuche am Jakobsweg

Uudem ist dumm, dass ringsum gerade riesige Felder sind und wir keinen Zeltplatz finden. Müssen also laufen, laufen und noch mal laufen. Ich hab keine Probleme, frag mich aber, wie man mit solchen Blasen überhaupt laufen kann. Die Behandlung mit dem durchgezogenen Wollfaden scheint aber erfolgreich zu sein. Zum Glück habe ich immer meine Trickkiste dabei.

Am Ende wird es unter Protest ein kleines Eichenwäldchen mitten auf einem Feld. Man kann nämlich in dem trockenen Gras kaum treten, ohne dass eine Staubwolke freigesetzt wird. Aber ich finde, dass wir hier super stehen mit freiem Blick nach West und Ost. Dazu ist es schön windig, also mückenfrei. Aber ja, es fehlt der Badesee.

18:30 Uhr geht die Sonne im Westen unter. Ähm, wo sonst.

Aber ich will sagen, dass gegenüber im Osten um 18:45 Uhr der Mond aufgeht. Wie eine Waage sind beide miteinander verbunden. Auf dem Foto sieht man übrigens nicht nur das 1,2 kg leichte Hogan SUL, sondern auch die beiden superbequemen Winter-Luftmatten, die nebeneinander gerade so ins Zelt passen. Als ob das Vaude so vorgesehen hätte. Besser wäre natürlich eine einzelne, überbreite Isomatte. Aber das ist wahrscheinlich auch komisch, wenn man da zu zweit drauf liegt und einer sich bewegt, während der andere schlafen will.

Dann sitzen wir noch ein bisschen draußen und rätseln, wann der pflügende Trecker im Süden die Arbeit einstellt. Als er beim Sternenaufgang davonfährt, duschen wir mit je 50 ml Wasser und gehen ins Zelt. Der Mond leuchtet rein, als ob der Förster mit der Taschenlampe neben uns steht.

Diktiere noch als Gutenachtgeschichte die Chronik. Übernachtung auf dem Jakobsweg hat sich zwar jeder irgendwie anders vorgestellt, aber so ist das nun mal. Jeder muss seinen eigenen Weg finden. Zelten im Dreck ist meiner.

Talaue Nechern – Wurschen – Drehsa – Drehsaer Schweiz – Kubschütz – Baschütz – Jenkwitz – Nadelwitz – Bautzen – Seidau – Salzenforst – Oberuhna – Niederuhna – Waldinsel vor Dreikretscham | 25,7 km | 68,9 km gesamt | 258 m Aufstieg | 230 m Abstieg

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