Tunesien: Lézard Rouge – Lahme Rote Eidechse von Métlaoui
Die Rote Eidechse (Lézard Rouge) ist ein historischer Salonzug durch die enge Selja-Schlucht von Métlaoui, fährt aber gerade nicht.
Selbstversorger im 5-Sterne-Hotel
Obwohl auf dem Hotelparkplatz von Gafsa schon ziemlich zeitig die Autos losfahren und man im Aufstelldach ja alles mitkriegt, schlafen die Jungs ziemlich lange. Kann also nach der gestrigen Hatz über Rommels Kasserinpass in aller Ruhe auf- und umräumen, Musik hören und abwaschen. Hab keine Ahnung, ob bei unserer Übernachtung „im“ 5-Sterne-Hotel nicht auch Frühstück dabei ist. Aber das ist mir egal. Kein Bock.
Mache stattdessen für unser privates Frühstück gleich zwei Brötchenpacks und nutze den Stromüberfluss aus der Solaranlage, um mein Teewasser heiß zu machen. Der Tauchsieder funktioniert anstandslos an der Runhood Solarbox, die höchstens mal leise mit dem Lüfter surrt.
Nebenbei kann ich das Handy mit 100 Watt aufladen, also alles sehr komfortabel. Der Platz für die 2,4-kW-Akkubox hinter dem Fahrersitz ist auch super. Jetzt überlege ich nur noch, was wir sonst noch mit dem ganzen Strom machen könnten. Elektrisch kochen wäre was. Und auch ein elektrischer Kühlschrank wäre wohl besser mit der Solaranlage, zumal wir im Dunkelwinter sowieso keinen Kühlschrank brauchen und im Sonnensommer genug Strom da ist. Jedenfalls muss ich mir noch ein paar elektrische Verbraucher in den Bus holen. Es kann ja nicht gut sein, wenn der Akku immer randvoll geladen ist.
Erst 11:15 Uhr sitzen wir am Frühstückstisch. Mit den letzten Brötchen starte ich die Motorvorwärmung und wir verlassen den Hotelparkplatz. Normalerweise hätte ich noch mal ein Auge auf die Pools geworfen, aber so toll ist das 5-Sterne-Hotel „Gafsa Palace“ nun auch wieder nicht. Scheint ein reines Durchgangshotel für tunesische Geschäftsreisende zu sein.
Stau in Gafsa
Drehe noch eine Runde durch Gafsa und will den Bus waschen lassen, aber die Waschhalle ist zu flach.
Obwohl es eine Umfahrung gibt, bevorzuge ich lieber das Zentrum von Gafsa, das unheimlich belebt ist. Endlich mal ein Stau, der sich lohnt.
Polizeieskorte ist hier kein Thema mehr und wir kommen unbehelligt aus Gafsa raus. Muss nur aufpassen, dass ich nicht so wie gestern immer im Gegenverkehr überhole.
Die rote Eidechse von Métlaoui
Dann quert schon die Schmalspur-Eisenbahnstrecke von Métlaoui. Hier dürften aber vorwiegend Phosphatzüge langfahren. Die rote Eidechse, ein 115 Jahre alter, luxuriöser und eben roter Salonzug des Bey von Tunis fährt in die andere Richtung, nach Nordwesten durch die Selja-Schlucht und dann in einem Bogen über Moulares nach Redeyef. Und sowieso fährt der Lézard Rouge im Moment gar nicht, da der Zug gerade renoviert wird.
Aber so ein Phosphatzug wäre mir auch recht. Fahre also querfeldein zur Bahnstrecke und hoffe, dass irgendwas eisenbahnmäßiges vorbeirattert. Aber da kommt nichts.
Bahnhof des Lézard Rouge in Métlaoui
Früher hat der rote Salonzug des Bej von Tunis Touristen von Métlaoui durch die enge Selja-Schlucht nach Redeyef chauffiert. Doch schon seit 2017 fährt der Lézard Rouge nicht mehr. Schaue trotzdem mal am Bahnhof Métlaoui vorbei. Denn das Internet ist das eine, Recherche vor Ort das andere.
Aber hier ist wirklich tote Hose. Finde mit Müh und Not ein paar Angestellte, die in der Leitstelle an einem Steuerpult herumfummeln.
Denen zufolge ist die rote Eidechse zurzeit in Tunis zur Rekonstruktion. Erst hat das Hochwasser von 2009 die Bahnstrecke und den Bahnhof Selja schwer beschädigt. Dann kamen nach der Revolution 2011 kaum noch Touristen. Und seit dem erneuten Hochwasser von 2017 stand der Lézard Rouge in einer Art Carport am Bahnhof Métlaoui und wurde dort langsam zerfleddert.
Ich habe nicht genau verstanden, wann die rote Eidechse in die zentrale Bahnreparatur der SNCFT nach Tunis gebracht wurde, aber seit ein paar Jahren läuft die Rekonstruktion wohl eher schlecht als recht. Der Zug ist eben schon 1910 gebaut worden, was die Wiederinbetriebnahme nicht einfacher macht. Angeblich soll der früher recht beliebte Touristenzug Lézard Rouge 2026 wieder ab Métlaoui fahren. Aber da muss natürlich auch genug Ladung da sein, also Touristen wie wir.
Derzeit jedenfalls fahren keine Personenzüge durch die Selja-Schlucht. Und auch im Bahnhof Métlaoui stehen nur ein paar Phosphatzüge.
Ab Métlaoui fährt nur früh 7:20 Uhr ein Zug nach Tunis, der abends um 19:00 Uhr wieder zurückkommt. Übrigens alles auf der nur 1000 mm schmalen Meterspur. (Unsere Normalspur hat 1435 mm.)
Phosphatwerke von Métlaoui
Ist also alles total ausgestorben hier und die beiden Bahnbediensteten sitzen recht gelangweilt vor dem mechanischen Steuerpult, das ich allerdings nicht fotografieren darf. Der Bahnhof von Métlaoui ist nämlich genauso geheim wie das für Tunesien so wichtige Phosphatwerk von Métlaoui.
Am Phosphattagebau kommt uns ein riesiger Radlader entgegen, auf der öffentlichen Straße natürlich.
Die ganze Gegend rund um Métlaoui ist vom Phosphatbergbau geprägt und sieht aus wie eine einzige Mondlandschaft.
Früher sind in Selja 4 km nordwestlich von Métlaoui Züge beladen worden, aber mittlerweile bringen lange Förderbänder des Phosphat von der Mine de Kef ed-Dour Echergui nach Métlaoui. Das ist nicht gut, denn wenn das Phosphat nicht mehr in Selja auf die Züge verladen wird, bleibt als einziger Zweck der Bahnstrecke des Lézard Rouge durch die Selja-Schlucht der Tourismus. Und ob sich das dann rechnet, ist ungewiss.
Als wir am Betriebshof der Phosphatwerke vorbeifahren, vergesse ich alle Pläne und muss zwanghaft ein altes Foto aus der marokkanischen Phosphatgrube Boukra nachstellen. Der Wachschutz ist relativ lahm und braucht eine Minute, bis er die Frechheit realisiert und uns wieder vom Hof jagt.
Mist, jetzt habe ich für ein dummes Foto meinen ganzen Plan durcheinandergebracht. Wollte mich nämlich eigentlich über ein paar Pisten von hinten an die Mine de Kef ed-Dour Echergui heranschleichen und den Verladebahnhof Selja besichtigen, durch den früher auch die rote Eidechse gerollt ist. Doch mit der Aktion habe ich jetzt viel zu zeitig den Wachschutz am Hals. Nochmal sollten die mich nicht auf dem Betriebsgelände erwischen.
Blühende Wüste um Métlaoui
Aber die Bergbaugegend um Métlaoui hat noch andere Attraktionen zu bieten. Denn es hat hier zuletzt scheinbar viel geregnet und entsprechend blüht die Wüste.
Ansonsten entspricht die Landschaft jetzt schon eher dem, was man sich unter Tunesien vorstellt. Also nicht diese grüne, fruchtbare Landschaft wie rund um die Pont de Trajan, sondern rottrockene, karge Wüste.
Bergbaustadt Moularès
Die Bergbaustadt Moularès ist (bzw. war) über die Eisenbahnstrecke des Lézard Rouge durch die Selja-Schlucht auch mit Métlaoui verbunden.
Redeyef, Endstation des Lézard Rouge
In Redeyef ist die Endstation des Lézard Rouge.
Redeyef selbst ist recht unscheinbar. Die Gleisanlagen des Lézard Rouge sind in so schlechten Zustand, dass ich nicht mal ein Foto mache, weil ich beim Überfahren mit beiden Händen das Lenkrad halten muss. Ehrlich gesagt war mir erst gar nicht klar, dass das schon die Gleise der roten Eidechse sind. Das rostige Gleis sah aus wie irgendeine völlig unbedeutende, zugewachsene und überschüttete Werkbahn. Erst beim Verlassen des Ortes wird mir klar, dass das die Hauptlinie der Eisenbahnstrecke von Métlaoui nach Redeyef gewesen sein muss.
Also dieses Jahr wird es nichts mit dem Lézard Rouge. Und wenn die Tunesier Anfang 2025 schon 2026 als Zeitpunkt für die Inbetriebnahme des Touristenzugs angeben, könnte das natürlich auch 2027 werden. Oder 2028. 2029. Keine Ahnung.
Wir fahren stattdessen in die Bergoasen von Tamerza und Midès. Da gibt es zwar auch enge Schluchten, aber eben keine Eisenbahn.
Gafsa – Métlaoui – Moularès – Redeyef | Tunesien
❤️ Danke für die Treue
Mittlerweile haben mir schon 21 Leser ihre Unterstützung hinterlassen und von jahrelanger Treue berichtet. Also das war mir nicht klar. Denke immer, dass solche ja doch eher privaten Reiseberichte niemanden groß interessieren und wollte mir den Aufwand wegen meiner aktuellen Probleme schon schenken. Also vielen Dank für die Motivation!