Tunesien: Gefährliches Wandern in den Schluchten von Midès
Die Schluchten von Midès sind tief in den Felsen geschürfte Wadis, die bei Regen für arglose Wanderer zu gefährlichen Fallen werden können.
Bergoase Midès
Nachdem der Lezard Rouge, also der rote Touristenzug ab Métlaoui durch die Selja-Schlucht, dieses Jahr noch nicht wieder fährt, bringt uns der Mercedes 711 auf direktem Weg zu den Schluchten von Midès. Die Bergoasen an der algerischen Grenze kündigen sich schon von weitem durch vereinzelte Dattelpalmen an. Das ist das echte Tunesien, nicht diese komische Grünheit wie im Jebel Lansarine.
Da ist das stolze Midès doch schon. Der abgelegene, kleine Ort gibt sich für die Touristen richtig Mühe und hat wohl noch Großes vor.
In Mides fahre ich hinein in die Oase, bis es nicht mehr weitergeht. Das ist schließlich die erste richtige Oase für die Jungs, die muss man wirken lassen.
Camping am Familienrestaurant
Hier ist es hübsch, hier will ich ein bisschen bleiben. Drehen also nach dem ersten Überblick wieder um und stellen uns auf den offiziellen Campingplatz Mides Family Resto.
Denn bevor wir hier in Sichtweite eines Grenzforts der Nationalgarde nachts wieder Stress bekommen und umparken müssen, gehe ich lieber gleich auf einen richtigen Stellplatz. Das sind mir die 25 Dinar (8 €) echt wert.
Der Inhaber ist sehr bemüht, aber angenehm zurückhaltend. Und obwohl das hier eher ein Restaurant mit Parkplatz als ein Campingplatz mit Restaurant ist, kochen wir selbst. Mittags ist es draußen sowieso zu heiß zum Wandern.
Wanderung durchs alte Mides
Dann trödeln wir noch ein bisschen herum und gehen erst 16:30 Uhr auf Wanderschaft zu den Schluchten von Midès. Zunächst aber zur Oase. Mich begeistern ja immer Wasserführung und Wasserhaushalt sowie die allgemeine Üppigkeit in mehreren Etagen.
Auf dem letzten Parkplatz steht mittlerweile eine Gruppe voll aufgerödelter Land Rover. Ich frage mich immer, was die Leute zu einer derartigen Rudelbildung treibt. Da ist doch das ganze unabhängige Land-Rover-Feeling völlig hin. Aber gut, gemeinsam kann man natürlich in der Wüste viel risikofreudiger fahren als allein. Und gut sieht es natürlich auch aus.
Ab dem letzten Parkplatz aber müssen alle laufen, ob nun Allrad oder nicht. Nur leider ist das alte Midès seit der Flut von 1969 verlassen. Man sagt ja nicht umsonst, dass in der Wüste mehr Menschen ertrinken als verdursten.
Mittlerweile fallen die Lehmbauten langsam ein, zumal es hier im Winter durchaus reichlich Niederschläge geben kann.
Und so ist das alte Mides recht pittoresk, aber eben auch recht morbid. Da will niemand mehr wohnen.
Gefährlicher Midès-Canyon
Die Lage des alten Dorfkerns ist fantastisch. Das alte Midès steht direkt oberhalb der Felsenschlucht. Und dieser Midès-Canyon ist wirklich beeindruckend tief und schmal.
Die engen Schluchten von Midès bestehen aus mehreren Teilen und Verzweigungen.
Bei den steilen Wänden der Schlucht ist es gar nicht so einfach runterzukommen. Aber mein Jüngster findet dann doch einen kleinen Weg.
Ich mag mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn es regnet und das Wasser durchgurgelt. Da möchte ich nicht hier unten wandern gehen, zumal man Regen weiter oben im Gebirge gar nicht so schnell mitbekommt. Hab in Jordanien mal erlebt, wie schnell sich ein ganz gewöhnlicher Landregen zu einer Flutwelle aufbaut. Das ist echt kein Spaß.
Geologische Erkundungen in der Schlucht von Mides
Nach misstrauischer Prüfung des blauen Himmels folgen wir dem Flussbett in der Schlucht von Midès. Der feuchte Boden und die Schlammlöcher zeigen, dass hier erst vor kurzem richtig Wasser durchgeflossen sein muss.
Und gleich blüht es im Wadi in allen Ecken.
Zeige den Jungs auch die interessante Geologie und die Verwitterung durch Korrasion. Man sieht nämlich an den scharfen Kanten, dass der sandführende Wind viel mehr Einfluss hat als das Wasser.
Das Wasser macht die Grobarbeit, aber der sandige Wind gibt den Schluchten von Midès dann den Feinschliff. Nur wo der Wind nicht hinkommt, bleiben die Felsen rund.
Barrage de Midès
Dann wird das Tal breiter und der Stausee Barrage de Midès kündigt sich an. An dessen Ufer könnte man bis Tamerza wandern, aber dafür ist es heute zu spät.
Wir gehen also ein kleines Seitental hoch.
Hier ist schön zu sehen, wie sich in den Nebentälern die Sedimente gebildet und verdichtet haben. Das sieht alles wie gerade hingeschmissen aus, ist aber fest wie Beton. Und doch würde sich so ein Sedimentgestein in der Schlucht von Midès nicht lange halten bzw. wäre dann die Schlucht nicht so eng. Für solche Canyons braucht es schon richtigen, gewachsenen Fels.
Wir sind jedenfalls ganz begeistert von den Schluchten und die Jungs schleppen sogar einen schweren Brocken mit scharfkantigen Windrippeln als Belegstück zurück zum Bus.
Sonnenuntergang in der Midès-Schlucht
Leider haben wir nicht viel Zeit für unsere Untersuchungen, denn die Sonne geht schon unter.
Und wenn die Sonne erst einmal weg ist, wird es in solchen südlichen Breiten schnell dunkel.
Ist zwar erst 18 Uhr, aber was soll man machen. Tunesien ist Tunesien. Da wird es früh und schnell dunkel.
Wenigstens ist das schmale Band der Piste aus der Schlucht von Midès noch gut zu erkennen.
Das letzte Stück Straße schaffen wir dann auch noch. Die kleine Wanderung durch die Schluchten von Mides hat immerhin knapp 10 km.
Abend auf dem Mides Family Resto
Auf dem Zeltplatz sind alle Formalitäten schon erledigt. Der Inhaber hat Fotos von unseren Pässen und dem Nummernschild per WhatsApp an die Polizei geschickt, damit sind wir ohne einen einzigen Federstrich eingeloggt. Trotzdem schauen wir noch mal rein. Bin zwar nicht so der Restauranttyp, aber die kleine mineralische Ausstellung ist ganz nett, zumal nicht sofort jemand ein Verkaufsgespräch anfängt.
Vielleicht beehren wir das gelobte Restaurant morgen Mittag. Heute aber machen wir Abendbrot im Bus. Ist doch irgendwie am gemütlichsten, zu Hause zu essen.
Naja, und dann lassen wir die Nacht Nacht sein und spielen Skat bis in die Puppen. Welches Restaurant würde das schon mitmachen. Da rumsitzen und Wein schlürfen kann ich, wenn die „Kinder“ ihre eigenen Wege gehen. Und dann habe ich auch Zeit, das Stativ aufzubauen und Fotos vom fantastischen Nachthimmel zu machen. Jetzt aber gibt es andere Prioritäten. Da muss ein schnelles Handyfoto reichen. Viel wichtiger ist, dass ich mich auf der Skatliste nicht verrechne.
Gafsa – Métlaoui – Moularès – Redeyef – Ain El Karma – Midès | Tunesien | 124 km | 1.852 km
❤️ Ja oder nein?
Wenn ich an die Schluchten von Midès denke, brummt mein Kopf immer noch. Das alles noch einmal öffentlich zu durchleben, kostet mich schon Überwindung. Mit einer kleinen Spende zeigt ihr mir, ob das die richtige Entscheidung war.
❤️