Katalonien: In den Fängen der Mossos

Nachdem gestern Abend unsere ganzen Mit-Corona-Flüchter verschwunden sind, war die Nacht über Garraf echt schön und ruhig. 8 Uhr geht die Sonne als roter Ball über der Costa Daurada auf. Muss gleich mal rausgehen und den Morgen genießen. Klettere aber dann wieder ins Aufstelldach, denn die Jungs machen überhaupt keine Anstalten, aufzustehen. Gut so. Wir sind im Urlaub vom Zwangsurlaub.

9:30 Uhr Frühstück mit frischen Brötchen.

Mittlerweile kommen die ersten Spanier den Berg hoch. Zu Fuß, mit Renn- und Motorrädern, vor allem aber mit weißen Kleinwagen. Und genau jetzt, da wir wieder runter wollen, blockieren massenhaft Autos die schmale Serpentinenstraße. Klar, es ist Sonntag.

Also ein paar Rangierereien. Doch nichts Ernstes.

Unten an der Costa Daurada, der goldenen Küste, gefällt den Jungs die Fahrt auf der N-II sehr gut. Rechts Felsen, in der Mitte eine kurvige Straße und links unten das Meer. Wirklich sehr hübsch.

Wo soll ich denn überhaupt hinfahren? Natürlich zu einem Badeplatz in den Bergen. Mein Jüngster steuert ein paar Wasserfälle an, die er ganz alleine herausgesucht und auf der Karte markiert hat. Auch die Navigation läuft nur per Karte.

Doch in Montblanc zieht uns die katalonische Polizei Mossos d’esquadra aus dem Kreisverkehr. Fragen uns im Corona-Lockdown recht erstaunt nach Papieren, Pässen und vor allem nach dem Wieso und Wohin. Hmm, welche der schon lange bereit gelegten, offiziell zulässigen Ausreden nutze ich nur? Immobilienkauf? Dienstfahrt? Oder Transit durch Katalonien in ein Nichtrisikogebiet?

Entscheide mich spontan für die letzte Variante und erzähle, dass wir auf der Durchreise nach Lleida, Zaragoza und Leon und nur zum Tanken kurz von der Autobahn abgefahren sind. Weiß natürlich durch intensives Lagestudium, dass das alles keine Risikogebiete sind, was ja auch die Polizisten wissen sollten.

Hmm. Da können sie erstmal nichts dagegen sagen. Also stehen sie draußen, prüfen die Papiere, wiegen die Köpfe und telefonieren. Aber das scheint die richtige Ausrede gewesen zu sein, denn die Mossos lassen uns ungeschoren davonkommen. Da sieht man mal wieder, dass sich gute Vorbereitung auszahlt.

Um mich nicht selbst einer Lüge zu überführen, fahre ich tatsächlich zur Tankstelle in Sichtweite. Zum Glück kann mir ja keiner in den Kopf reinschauen und sehen, dass ich normalerweise wegen 78 Liter Diesel nicht anhalte. Aber andererseits habe ich auch schon lange nicht mehr für 1,05 Euro getankt.

Vor lauter Begeisterung über den Spritpreis biege ich von der Tankstelle aber falsch ab und lande statt auf der Autobahn nach Lleida ganz zufällig auf einer wilden Serpentinenstrecke. Und auch das kleine Bergdorf steht völlig unvermittelt im Weg. Kriege den Bus mit dem Jüngsten an der Hecktür und dem Vierten am rechten Fenster gerade so gewendet und irre orientierungslos durch das katalanische Bergland, bis natürlich wieder völlig zufällig ein paar Schluchten auftauchen. Und da wir zwar im Transit, die diesbezüglichen zeitlichen Abläufe aber nicht so genau definiert sind, können wir bestimmt mal kurz nachschauen, ob es da unten ein paar Wasserfälle gibt. Natürlich nur zur Erfrischung und Wiederherstellung der Fahrbereitschaft.

Ein kleiner Parkplatz ist so voll, dass ich die Abstandsregeln beim besten Willen nicht einhalten kann. Da sind rechts und links höchstens 20 cm Platz. Tut mir leid. Wir steigen aber nicht aus, sondern decken vor dem Weitertransit unsere Grundbedürfnisse. Während ich also wiedermal die aktuellen Vorschriften studiere, kocht mein Vierter Nudeln mit Würstchensoße. 15:00 Uhr laufen die kleinen Jungs weg und ich muss hinterher. Natürlich ausschließlich im Rahmen meiner Aufsichtspflicht für minderjährige Schutzbefohlene.

In der Schlucht finden wir tatsächlich ein paar Wasserfälle. Mein Jüngster kennt die sogar aus seinem Wild-Swimming-Buch für Spanien. So ein Zufall aber auch. Allerdings ist das hier kein Geheimtipp. Zumindest nicht unter den zahlreichen Spaniern, die überall herumlaufen. Klar, so ein paar Wasserfälle in einer kühlen Schlucht im Gebirge ziehen doch die Spanier magisch an, auch wenn gerade nur recht wenig Wasser von den Felsen tröpfelt.

Mein (strafunmündiger) Reiseleiter ist ein wenig enttäuscht, lässt sich aber nichts anmerken. Dann finden wir zwar ein schönes Badebecken, aber hier laufen so viele maskierte Spanier vorbei, dass wir uns das Baden nicht trauen. Außerdem ist es schattig und wirklich kühl. Doch der Jüngste hat schon einige weitere Stellen ausgekundschaftet und läuft voran.

Tief im Tal ist es besser. Am liebsten würden die Jungs von oben runterspringen, aber das kann ich nicht unbedingt empfehlen. Also müssen wir irgendwie runterklettern.

Und so kommen wir durch den dicht bewachsenen Abhang irgendwann dann doch runter an den kleinen Fluss. Hier ist jetzt wirklich niemand mehr.

Dafür gibt es immer wieder tiefe, schöne und einsame Wasserbecken. Boah – ist das Wasser kalt. Ich kriege gleich die Schockstarre und kann nun aus medizinischen Gründen den Transit ins kalte Lleida nicht fortsetzen, sondern muss zur Reha runter ans warme Meer.

Aber jetzt stehen wir bei den Mossos im Computer und sollten Katalonien heute wirklich verlassen. Also schnell anziehen und zurück zum Bus. Um 17:00 Uhr sind die Spanier alle weg und wir halten die Abstandsregeln nunmehr sicher ein.

Jetzt können wir nicht mehr trödeln, denn 21:00 Uhr beginnt die Ausgangssperre. Da die medizinischen Gründe noch valide sind, muss ich den Transit ins kalte Binnenland abbrechen und quer durch die Berge nach Morella und weiter nach Valencia zum Meer fahren. Jetzt sogar mit Handynavigation, damit wir nicht wieder vom rechten Weg abkommen.

Aber der 711er schafft es gut wie nie aus dem 2. Gang raus. Und Moppi, wie unsere tschechische Navigation von allen liebevoll genannt wird, gibt die Ankunft am Meer für 20:52 Uhr aus. Allerdings rechnet das Navi garantiert mit 80 km/h, während der Tacho gerade 29 km/h zeigt. Selten mehr. Auch bergab nicht. Nee, wenn wir heute noch vor der Ausgangssperre aus Katalonien rauswollen, müssen wir von den Ministräßchen weg.

In Falset, das hoch über dem Tal auf einem Hügel thront, gibt es noch eine enge Ortsdurchfahrt.

Dann läuft es wieder. Erst auf der N-240 nach Móra d’Ebre und von da am Ebro entlang zum Meer. Mittlerweile geht schon der Mond auf. Und am letzten Kreisverkehr in Katalonien ist natürlich prompt eine Straßensperre. Zum Glück ist es schon dunkel. Und zum Glück ziehen die Mossos 3 Autos vor uns einen deutschen Kombi raus. Da sind die erstmal beschäftigt und lassen uns passieren. Vielleicht sehen wir auch nicht nach Touristen aus. Ich weiß es nicht. Und ich frage nicht. Glück gehabt.

Auch in Valencia ist die Polizei aktiv. Kann in Benicarló aber vor dem kontrollierten Kreisverkehr schnell noch in eine Seitengasse abbiegen. Und so bleiben wir unentdeckt. Pünktlich zum Beginn der Ausgangssperre stehen wir oberhalb einer nahezu ausgestorbenen Feriensiedlung am Ende einer Sackgasse, die vor vielleicht 15 Jahren mal ein nie gebautes Wohngebiet erschließen sollte. Ist schön hier. Schön und ruhig. Und absolut sicher, denn die nächste Kontaktperson ist bestimmt 2 km weg.

Pla de Querol – Garraf – Vilanova i la Geltrú – Montblanc – Gorg de la Febró – Falset – Móra d’Ebre – Tortosa – Benicarló – Peniscola | Spanien | 322 km | 2.202 km

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