Symptomfrei durch Frankreich
5:30 Uhr. Mein Wecker klingelt nach der gestrigen, späten Anreise planmäßig. Jetzt aber los. Erstmal über den Feldweg zur nächsten Tankstelle.
Normalerweise schafft der Mercedes 711D mit der großen Doppeltankanlage die 900 km durch Frankreich ohne nachzutanken. Hab keine Ahnung, wie sich die Franzosen wegen Corona anstellen und was bei den ganzen theoretischen Verboten praktisch möglich ist. Gehe also lieber auf Nummer sicher und mach die Tanks noch mal randvoll.
5:56 Uhr. Rheinbrücke. Der erste Regelverstoß, denn wir sind 4 Minuten zu zeitig in Frankreich. Aber hier ist um diese Uhrzeit so gut wie überhaupt niemand. Liegt das nun an der Ausgangssperre oder an der frühen Stunde?
Zumindest haben wir völlig gesetzeskonform drei eidesstattliche Versicherungen auf dem Armaturenbrett liegen, dass wir symptomfrei sind. Natürlich auf Französisch. Selbst Kinder müssen den Quatsch ausfüllen und unterschreiben. Aber sonst ist alles normal. Keine Polizei. Kein Stress. Nichts.
Langsam Entspannung. Die Jungs sind jetzt auch richtig wach und es gibt Frühstück. 10:15 Uhr passieren wir nach 400 km Lyon und genießen die Sonne an der Rhone.
Weiter keine Kontrollen. Vielleicht schaffen wir es ja tatsächlich. Die Jungs fangen schon an, mit Atlas und Wild-Swimming-Buch für Spanien Reiseziele rauszusuchen. Weil ich die Gelbwesten für ein gutes Zeichen halte, traue ich mich in Montpellier dann doch mal zum Tanken in die Stadt. Besser man hat, als man hätte.
Dann wird hinten aufgeräumt und Essen gekocht. Aber es ist erst 13:45 Uhr. Und so nutzen wir die Zeit bis zur abendlichen Ausgangssperre, um noch einen Abstecher nach Sete zu machen. Meer. Lagunen. Flamingos. Leben.
Volle Marina, hübsche Altstadt und enge Gassen, in denen ich gleich 2 Fahrspuren blockiere.
Die Franzosen gucken zwar komisch, freuen sich aber scheinbar, dass die ersten Touristen zurück sind. Und die Jungs sind begeistert von den riesigen Eisportionen. Endlich wieder mal Eis aus einer richtigen Eisdiele, auch wenn ich noch etwas unsicher bin und mich nur alleine reintraue.
Mein Jüngster aktiviert in der Zwischenzeit die Navigation entlang der kleinen Küstenstraße nach Beziers. Er vertippt sich allerdings und stellt unbewusst die Fahrradnavigation ein. Kein Wunder, dass ich im Wohngebiet Kreise drehe und immer in irgendwelche schmalen Wege einbiegen soll. Dabei sah die Strecke so schön direkt aus.
Am Sandstrand südwestlich von Sete ist alles ein großer, höhenmäßig abgesperrter Parkplatz. Stelle den Bus eben auf die Entsorgungsstation. Wenn sowieso alles verboten ist, kommt es darauf dann auch nicht mehr an. Flitzen schnell zum Strand und hopsen ins Mittelmeer. Ist aber ziemlich kalt.
Jetzt beginnt die Spekulation, ob wir auf kleinen Straßen oder doch lieber auf der Autobahn über die Grenze von Frankreich nach Spanien fahren. Nehme lieber Landstraße über die Berge. Haben dadurch an der Grenze nach Spanien keine Probleme. Aber die Franzosen kontrollieren auf der Gegenspur. Glück gehabt, auch wenn Transit innerhalb der erlaubten Ausgangszeit ja prinzipiell erlaubt ist. Bin zwar gesetzestextmäßig gut vorbereitet, aber trotzdem ist mir unklar, ob wir einen Test brauchen oder die eidesstattlichen Erklärungen zur Symptomfreiheit ausreichen.
17:00 Uhr. España! Wir haben’s geschafft! Irgendwann reicht es dann aber mit den kleinen, ausgestorbenen Touristenorten an der Costa Brava und wir wechseln wieder auf die Autobahn.
Barcelona. Ab jetzt übernimmt mein Jüngster die Reiseleitung. Mal sehen, was er so aus dem Wild-Swimming-Buch rausgesucht hat. Bei Garraf wird es dunkel. Die katalonische Ausgangssperre fängt bald an. Wir müssen uns irgendwo verstecken. Gurke also eine enge, steile und serpentinige Straße hoch in die Berge. Oben ist der Teufel los. Bestimmt Hundert Spanier pflegen hier nicht-Corona-konforme Privattreffen. Finden zwischen den kontakttollen Menschen und vor allem deren Kleinwagen gerade so einen Stellplatz. Dafür aber mit Blick über das Meer bis nach Barcelona.
Das viele Leben hier oben im Nichts ist echt fantastisch. So viel Freiheit, Freude und Feiern gab es lange nicht mehr. Nach dem obligatorischen Spaziergang schaue ich zum ersten Mal in den Kühlschrank. Kontrolliere zum ersten Mal die Staufächer. Alles da. Super. Und die Jungs haben wirklich alles alleine gepackt, denn ich war ja die ganze Zeit damit befasst, Lücken in den dummen Vorschriften zu finden.
Neuenburg – Besancon – Lyon – Montpellier – Sete – Beziers – Malgrat de Mar – Barcelona – Pla de Querol über Garraf | Spanien | 1.132 km | 1.880 km
du kannst doch dein Blaulicht oben draufstellen und anmachen dann kannst überall durch
Naja, ich versuche immer, ein wenig nachhaltige Optionen umd Ausreden zu verwenden, die nicht gleich beim ersten Windhauch in sich zusammenfallen. Ein widerrechtliches Blaulicht auf dem Dach kann ich bestimmt nicht mit einem ernsten Lächeln, einer ausgeklügelten Argumentation oder ein paar freundlichen Kindern im Fahrerhaus wegstecken. Das gibt Ärger.
Hm. Und ein freundliches Blaulicht auf dem Armaturenbrett ?
Ja, das Blaulicht fand ich mal witzig. Aber ich weiß gar nicht, ob das noch geht.