Elbe: Segel setzen am Paddelboot
Die untere Mittelelbe ist gefürchtet für Gegenwind. Heute aber haben wir Südostwind und setzen das Segel am Paddelboot.
Dorfrepublik Rüterberg
Es macht sich bezahlt, dass wir gestern nach der langen Tour entlang der alten DDR-Grenze etwas eher im Bett waren. So sind wir heute 8:20 Uhr auf dem Wasser. Zwar wie gewohnt ohne Frühstück, aber dafür mit zwei Liter frisch gekochtem Tee. Klar, gegessen wird unterwegs. Ob das eine gute Idee war? Die Sonne brennt ja jetzt schon wie verrückt. Kein Wölkchen am Himmel. Kein Wind. Echte Hitze.
Schon nach anderthalb Kilometern kommt Rüterberg (km 511), was heutzutage der vorerst letzte mecklenburgische Zipfel rechts der Elbe ist. Rüterberg war zu DDR-Zeiten so abgelegen, dass das Dorf im Oktober 1989 eine eigene Dorfrepublik ausgerufen hat. Hinter Rüterberg hat sich Niedersachsen 1993 das an die DDR verlorene Gebiet rechts der Elbe zurück geholt.
Mehr Schiffsverkehr auf der unteren Mittelelbe
Ah, da liegt ja wieder mal ein Paddelboot an der Seite. Hier auf der unteren Mittelelbe ist schon wesentlich mehr los.
Dazu begegnet uns ein Baggerschiff, dessen Besatzung es sich mit Liegestühlen und Sonnenschirmen auf dem Deck bequem gemacht hat. Das Ding macht ein paar Wellen, die dem zwar hoch beladenen, aber breiten Grabner Riverstar XXL jedoch in keiner Weise gefährlich werden. Unser Boot schaukelt nur sanft. Aufgrund der flexiblen Struktur können wir trotz der 6 m Bootslänge die Wellen gut abreiten.
Hitzacker
Nach 13 km kommt am Elbkilometer 522 Hitzacker. Dachte, dass ein Kanal rund um die Stadt führt. Hätte aber mal nicht auf Google Maps gucken sollen, sondern gleich auf Mapy.cz, denn da sieht man, dass die Kanäle nicht durchgehen. Wir paddeln also die Jeetzel gegen den Strom um die Altstadt von Hitzacker herum.
Legen am Ponton eines Flussrestaurants an, das wohl Corona nicht überlebt hat.
In Hitzacker gibt’s nicht nur Nachschub an Lebensmitteln, sondern Kulturprogramm.
Auch wenn die meisten Autos stören, ist es wirklich hübsch in der Altstadt von Hitzacker.
Starten einen Einkauf für drei Tage und kaufen zu viel. Ist eben wie immer. Alles ganz normal. Dann geht’s für das Mittagessen zum Bäcker.
Tja, und dann müssen wir noch die ganzen Einkäufe verstauen. Ist ziemlich schwierig, aber auf der Elbe habe ich weder Bedenken mit der Traglast des Riverstar noch mit Umtragen oder Kentern, sodass wir das Zeug lose ins Boot kippen. Gewicht spielt sowieso keine Rolle. Und spätestens nach dem Mittagessen verteilen sich die Reste dann schon.
Nach 2 Stunden paddeln wir über die Jeetzel wieder zurück zur Elbe. Der kleine Abstecher noch Hitzacker hat sich echt gelohnt.
Segeln mit dem Grabner Riverstar
So. Jetzt haben wir bis Hamburg genug Vorräte. Muss mal neu ausrechnen, wie lange wir noch bis wohin brauchen. Wollte erst bis Sonnabend paddeln, hab mich aber jetzt schon auf Freitag eingelassen. Doch bei unserem Tempo könnten wir durchaus schon am Donnerstag in Hamburg sein. Aber dann müssten wir heute 70 km paddeln.
Wie wäre es denn, wenn wir den gerade aufkommenden Rückenwind nutzen und mal das Segeln mit dem Paddelboot probieren? Hmm, erstmal runter von der Elbe. Muss ein paar Ideen testen. Wir haben schließlich kein Segel dabei, sondern müssen improvisieren.
Um im Paddelboot vor dem Wind segeln zu können, bastle ich aus einem Carbonpaddel von ExtaSea, dem ultraleichten Vaude-Außenzelt und ein paar Spannbändern ein Spinnaker fürs Grabner Riverstar XXL. Tatsächlich bläht der Wind das Segel ganz beachtlich auf und ein Ruck geht durchs Boot.
Hab ganz kurz sogar ein bisschen Angst um die Zeltbahn. Aber der Zeltstoff von VAUDE ist erwiesenermaßen sehr robust. Der kann das ab. Hätte das nicht gedacht, aber unser ältestes Ultraleichtzelt ist mittlerweile schon 14 Jahre alt und immer noch in Benutzung.
Da könnten wir jetzt mit Rückenwind bis nach Hamburg segeln. Aber leider lässt genau jetzt der Wind nach und der Spinnaker hängt nur noch schlaff herab. Wahrscheinlich müsste ich noch ein Paddel unten quer zur Aussteifung einbauen. Mist, ich bin aber auch gar nicht auf das Segeln mit dem Paddelboot vorbereitet.
Noch mal ans Ufer will aber auch keiner paddeln. Meine plötzliche Begeisterung fürs Segeln mit dem Paddelboot findet sowieso keinen rechten Anklang, weil man hinter dem bauchigen Segel nichts sieht. Dazu fehlt allen ein bisschen die Geduld mit meinen Experimenten. Wir wollen vorankommen. Naja, ein andermal. Paddeln wir eben ohne Segel.
DDR-Grenztürme in Niedersachsen
Nach Hitzacker sind links der Elbe jetzt auch wieder Berge zu sehen – die Göhrde. Hier ist fast überall Uferbetretungsverbot.
Rechts immer noch das Amt Neuhaus, das nach dem Krieg der Ostzone zugeschlagen wurde und erst seit 1993 wieder zu Niedersachsen gehört. Ist schon komisch, hier im rechtselbischen Niedersachsen DDR-Wachtürme an der alten Grenze zu sehen.
Aber vom ersten Grenzturm rechts der Elbe bei Cumlosen bis Boizenburg ist bzw. war alles altes DDR-Land.
Kulturschock Westelbe
Ab Boizenburg (km 560), eigentlich schon ab dem Sportboothafen Bleckede (km 550), ist es vorbei mit der idyllischen Ostelbe. Ab jetzt sind Unmengen Motorboote auf der Elbe unterwegs, die über den Abend Fluss und Sandstrände bevölkern. Nach Ruhe und Einsamkeit der letzten Tage ein richtiger Kulturschock.
Bilde mir ab Boizenburg auch schon einen Rückstau vom Wehr Geesthacht ein, denn die Strömung lässt zu wünschen übrig. Lauenburg jedenfalls liegt definitiv schon im Staubereich vom Wehr Geesthacht.
Schluss jetzt
Nach Lauenburg müssten wir eigentlich noch weiter paddeln. Aber da würden wir unseren alten 70-km-Paddelrekord genau am Kernkraftwerk Krümmel brechen. Und dort kann man ganz bestimmt nicht zelten. Gegenüber ist doof und an der Schleuse Geesthacht bestimmt auch. Also legen wir nach „nur“ 63 km an der erstbesten Stelle nach Lauenburg an. Ist zwar nicht sooo ideal, aber angesichts der Umstände auf der Westelbe akzeptabel.
Zum Glück lässt am Abend wenigstens der Verkehr nach. Denn Motorboote sind echt nervige Angelegenheiten. Nicht nur wegen Wellenschlag, sondern vor allem wegen Krach und Ende der Einsamkeit. Am liebsten würden wir direkt hier in Lauenburg aufhören zu paddeln. Klar, nach Hamburg paddeln wir noch. Aber dennoch sitzen wir trotz Flussbad und Abendsonne 522 km von zu Hause ein bisschen wehmütig an der Elbe und sehnen uns nach der guten alten Zeit zurück.
Infos
- Damnatz – Hitzacker – Darchau – Bleckede – Boizenburg – Lauenburg | km 509 – km 572 | 63 km | 248 km gesamt
- DKV-Gewässerführer Ostdeutschland mit Kilometerangaben, aktuellen Hinweisen und Betretungsverboten: Klick
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