Von Schweden nach Norwegen: Pisten und Rentiere am Polarkreis
Heute nun wollen wir es wissen und den Polarkreis überschreiten. Aber erst mal in Ruhe frühstücken. Kinder zum Warmduschen nötigen. Wenn wir schon mal auf einem richtigen Campingplatz sind.
Dann Einpacken und Zusammenklappen. Und weiter nach Norden. 15:00 Uhr Mittagspause, durch die langen Tage und hellen Nächte etwas verschoben. Bei näher rückender Mitternachtssonne beratschlagen wir über den weiteren Reiseverlauf. Was also, wenn wir die Nacht zum Tag gemacht haben? Schwenk nach links und durch Norwegen zurück nach Süden? Schwenk nach rechts durch Finnland? Oder vielleicht weiter nach Norden? Wie wäre es mit den Lofoten? Womit? Na, mit der Gebirgsinselgruppe zwischen lauter Walen und Papageitauchern. Eisbären auch? Jetzt bin ich mir selber schon nicht mehr sicher. Also vor der Abstimmung schnell noch aus dem Reiseführer vorlesen und Bilder zeigen. Toll. Aber jetzt wird abgestimmt. Und tatsächlich ist dank meines Walversprechens eine deutliche Mehrheit für den Umweg über die Lofoten. Das wäre geklärt. Cool. Ich freue mich. Also zu den Lofoten. Der kürzeste Weg ist eine geschotterte Piste quer durch die lappländischen Wälder am Uddjaur.
So richtig mit Strich in der Karte, Straßenschildern und Gegenverkehr. Und mit dem ersten Rentier. Das fängt ja gut an. Alle sind begeistert.
Ein Königskranich mit Baby verschwindet im dürren Sumpfwald, bevor ich fotomäßig bereit bin. Gibt’s halt ein Bild vom Bus. Der läuft nicht weg. Ähm, hatte ich die Handbremse angezogen?
Ich entdecke bei der Notdurftverrichtung ein zerfleischtes Rentier. Alle möglichen Reste verstreut im Wald. Bären? Wölfe? LKW? Keine Ahnung. Der gehörnte Schädel aber wird unter erheblichen weiblichen Protesten als „Jagdtrophäe“ einkassiert. Ob ich ihn gleich auf der Motorhaube festspaxe?
Lieber nicht. Schließlich hängt noch zuviel Fleisch dran. Stinkt ein wenig. Jetzt brauche ich einen Kessel, damit ich das Teil auskochen kann. Und dann einen Ameisenhaufen. Also wird der Schädel nur provisorisch außen am Trittbrett verstaut.
Nach fast 100 km teilweise übler Waldhopperpiste ist die folgende Asphaltstraße ein Genuss. Da fährt es sich zwar nicht wesentlich schneller, aber vor allem auf den hinteren Plätzen deutlich angenehmer. Und dann geht es immer weiter hoch ins Gebirge. Erstmals Regen, Schnee und Kälte. Links ein Polarkreisparkplatz mit Andenkenbude. Was, jetzt schon? Hier ist es doch noch gar nicht. Weiter. Da wird doch wenigstens ein Strich auf der Straße oder so was sein. Aber nichts. Tja, und dann stand 66°34′ auf dem Handy und ich war vorbei. Also erstmal kein Polarkreisfoto. Aber hier am See ist er.
Voller Begeisterung will unser Jüngster ständig aussteigen, hierbleiben und dann an einem der zahlreichen Sturzbäche spielen, die von rechts und links durch das birkenbestandene Fjell herabkommen. Aber niemand sonst mag aussteigen. Überstimmt. Weiter geht’s auf den Pass. Irgendwo in den Bergen die „Grenze“.
Und schon geht es in Norwegen wieder steil bergab. Zweiter Gang. Tiefe Schluchten, wassertriefende, grüne Wälder und richtige Wasserfälle. Regen? Egal. Willkommen in Norwegen.
Bald kommen wir auf die langweilige E6. Eine Menge Nordkapp-Transitler sind unterwegs auf der einzigen Nord-Süd-Hauptstraße in Norwegen. Der erste Fjord. Stau an zwei handsignalisierten Tunnelbaustellen. Dann nach Gefühl von der Hauptstraße runter zu einer Landspitze. Siehe da, ein aufgegebener Buntgranitsteinbruch. Lieber davor bleiben. Nasser, tiefer Lehmschlamm ist tückisch. Da komme ich auch mit Sandblechen nicht wieder raus. Mit dem Allrad-Expeditionsmobil würde ich jetzt……..an genau derselben Stelle stehen.
Ich mag ja solche Industriebrachen. Also mit den kleinen Jungs bei Regen und Matsch noch eine Weile durch den alten Steinbruch schleichen. Interessante Artefakte an jeder Ecke. Ein alter Düdo.
Die Großen aber zieht es trotz der Kälte und des Regens ins eiskalte Europäische Nordmeer.
Zum Glück gibt es ja eine Heizung im Bus. Jetzt fehlt nur noch die Mitternachtssonne. Wir spielen bis Mitternacht Karten, aber die Sonne versteckt sich irgendwo an dem tief mit Wolken verhangenen Himmel. Überall ist es gleich hell. Auch um Mitternacht wird es nicht dunkler. Also glauben wir mal dem Geografielehrbuch und nehmen an, dass wir den Polartag erreicht haben. Ein halbes Hurra und ab ins Bett.
Saltdalsfjord / 466 / 2.490 km
Und nachdem wir nun über den Polarkreis sind, fahren wir am nächsten Tag bei schönster Mitternachtssonne mit der Fähre auf die Lofoten.