Reifen auf dem Expeditionsmobil: Schön oder praktisch?

Reifen auf dem Expeditionsmobil: Irgendwann steht für jeden die Entscheidung für oder gegen die passenden Reifen an. Ein kleiner Erfahrungsbericht. Schöner sind sicherlich die Geländereifen mit richtigen Stollen. Doch was ist auch praktisch?

Reifen auf dem Expeditionsmobil: Continental MPT 80

Reifen auf dem Expeditionsmobil: Continental MPT 80

Einzelbereifung als Stand der Dinge

Zunächst einmal ist allgemein anerkannt, dass Allradfahrzeuge nur mit Einzelbereifung Expeditionsmobile sind. Ein Grund dafür ist, dass sich zwischen den normalerweise verbauten Zwillingsreifen gern Steine festsetzen, die ziemlich schnell zum vollständigen Verlust beider betroffener Reifen führen können. Weiterhin muss vor allem bei Weichsandpassagen hinten immer eine breitere Spur als vorn gezogen werden, was unnötigen Rollwiderstand zur Folge hat.

Bei meinem Mercedes MB 1124 AF ist seit der Erstauslieferung originale Einzelbereifung 14.5 R20 (= 365/80 R20) montiert und eingetragen. In Verbindung mit breiteren Achsen ist Einzelbereifung für die Originalausrüstung ziemlich selten. Weiß nicht, ob es diese Einzelbereifung mit breiteren Achsen auch für die anderen Allrad LKW‘s der Leichten Klasse LK auch gab. Kommen ja außer dem 1124er nur die Allrad-LKW‘s Mercedes 917, MB 1117, MB 1120 und MB 1317 in Frage.

Wichtig im Gelände ist der richtige Luftdruck

Der richtige Luftdruck entscheidet

Die Größe der Räder lässt sich uneingeschränkt auf eine einfache Formel bringen: Je größer, desto besser. Limitiert wird die Reifengröße am Wohnmobil allerdings durch die Platzverhältnisse am Fahrzeug, die angestrebte Gesamtübersetzung sowie die Stabilität der verbauten Achsen. Gerade vorn ist die Freigängigkeit auch bei vollem Lenkeinschlag und eingefedertem Rad zu beachten. Hinten auch die Freigängigkeit der Reifen mit Schneeketten.

Vor- und Nachteile von schönen MPT-Reifen auf dem Expeditionsmobil

Wir fahren 14.5 R 20 Continental MPT 80 auf 8-Loch-Felgen mit M+S – Kennzeichnung. Diese Geländereifen (MPT) haben sich bisher auf jeder Urlaubsfahrt bewährt, da sich damit vor allem feuchte Wiesen, schlammige Feldwege oder bodenlose Stellplätze sicher bewältigen lassen – bis hin zu sandigen Stellplätzen am Strand. Und nichts ist unangenehmer, als sein Wohnmobil an einem abendlich ausgesuchten Stellplatz zu versenken.

So hatte ich schon Stellplätze, an denen nicht viel auf die tatsächlich sehr problematischen Bodenverhältnisse hinwies. Normale Straßenreifen würden bei solchen Verhältnissen wahrscheinlich auch mit eingelegten Differentialsperren wenig Traktion bringen. Legendär ist das Video aus Bad Kissingen, als die meisten top ausgerüsteten Expeditionsmobile (mit Straßenreifen) vor einer nassen Wiese kapitulieren.

Geländereifen Continental MPT

Geländereifen Continental MPT 80

Insofern spricht auch bei europäischen Reisezielen mehr als nur die Optik für echte Geländereifen. Ohne geeignete Reifen hilft in brenzligen Situationen auch der Allrad nicht viel weiter.

Es gibt allerdings auch einige Nachteile der MPT-Reifen:

  • Geländereifen sind auf der Autobahn extrem laut. Stollenreifen nerven wirklich, wenn sie lauter sind als Motor und Windgeräusche zusammen.
  • Zumindest meine Stollenreifen von Continental MPT 80 haben keine hohe Lebensdauer. Schon früh bildet sich der Sägezahn heraus. Ständiges Rotieren der Reifen hilft zwar, aber das ist auch eine Knochenarbeit.
  • MPT-Reifen sind trotz der M+S-Kennzeichnung keine Winterreifen. Die Stollen sind so glatt, dass Rutschpartien vorprogrammiert sind. Die Lamellen fehlen einfach. Nicht umsonst gibt es mit dem Schneeflockensymbol einen neuen Standard für Winterreifen. Aber hier macht Seipen die MPT’s fast schon zu richtigen Winterreifen.
  • Seit 2020 sind in Norwegen ausschließlich Winterreifen mit Schneeflocke zugelassen. Normale MPT-Reifen müsste man per Einzelabnahme freigeben lassen oder sich auf hohe Strafzahlungen einstellen. Da helfen auch einschraubbare Spikes nicht.

Vor- und Nachteile von praktischen Trailerreifen

Bei „Trailerreifen“ in der Standardgröße 385/65 R22.5 gibt es eine wesentlich größere Auswahl verfügbarer Reifen und Profile. Diese Reifengröße hätte einen vergleichbaren Abrollumfang, ist weltweit verfügbar und bietet eine große Auswahl an verschiedenen Winter- und Ganzjahresprofilen. Allerdings darf ein Großteil dieser Reifen nur für nicht angetriebene Achsen verwendet werden, was für einen vorschriftentreuen und TÜV-konformen Nutzer (wie mich) auch hier die Auswahl wieder einschränkt.

Hauptnachteil ist allerdings die fehlende Traktionsreserve bei schwierigen Offroad-Bedingungen. Das zu flache Profil und die fehlende Traktion vor allem bei Schlamm kann allerdings mit Schneeketten gut ausgeglichen werden. Das macht zwar ein bisschen mehr Arbeit, funktioniert aber.

Welche Reifen auf dem Expeditionsmobil sind denn nun zu empfehlen?

Ich würde die Auswahl vom Reiseziel und dem Reiseverhalten abhängig machen.

Offroadfreudigen Langzeiturlaubern auf Weltreise würde ich ein MPT-Profil empfehlen. Schnell Strecke machen ist da sowieso nicht. Also verschwindet schon einmal das Lautstärkeproblem der Geländereifen. Das Lebensdauerproblem relativiert sich durch die höhere Robustheit. Genügend Ersatzdecken sollten dabei sein. Lieber 2 zusätzliche Reifen ohne Felge als ein zweites Ersatzrad.

Teilzeitreisende hingegen haben nicht viel Zeit und müssen „schnell mal“ nach Marokko oder Norwegen. Also viel Autobahn in kurzer Zeit. Auch mal im Winter. Hier geht die Empfehlung ganz klar zu Straßenwinterreifen. Denn vor allem im Winter machen Geländereifen trotz der M+S – Kennzeichnung nicht viel Freude. Weder Onroad noch Offroad.

Offroad-Freaks sind eigentlich nie im Urlaub, sondern immer auf Expedition. Auch in der Kiesgrube vor der Haustür. Da kommt natürlich nichts anderes als ein dicker Geländereifen infrage. Für den Winter wäre allerdings das in Skandinavien übliche „Seipen“ zu überlegen. Also das nachträgliche Einarbeiten von Lamellen. Und für Nordeuropatouren im Winter die Ausrüstung mit echten Spikes. Praktisch wäre natürlich, sich für Winterfahrten einen zusätzlichen Satz Winterräder mit einem Lamellenprofil zuzulegen. In der bei mir eingetragenen Größe 14.5 R 20 ist das Angebot an echten Winterreifen jedoch sehr überschaubar bis nicht vorhanden. Grobe, sogenannte Baustellenprofile mit M+S Kennzeichnung und Lamellen sind im Prinzip nicht dabei. Also müsste dieser Satz Winterreifen auch eine andere Reifengröße haben. Allerdings könnte man auch einen Satz selbst abgefahrene MPT-Reifen mit einem vernünftigen Winterwunschprofil runderneuern lassen.

Bezüglich der laufenden Kosten für die LKW-Bereifung fällt die Wahl klar auf Baustellenreifen. Als Faustregel kann gelten, dass MPT-Reifen doppelt so teuer sind und nur halb so lang halten wie Baustellenreifen. Für die Differenz der Reifenkosten kann man vernünftige Schneeketten kaufen und extra noch einige Bergeeinsätze bezahlen.

Was ist also nun praktisch und was ist schön? Letztlich muss hier jeder für seine Reifen auf dem Expeditionsmobil einen eigenen Kompromiss finden. Dabei aber immer die Vor- und Nachteile der verschiedenen Reifen im Auge behalten. Allerdings müssen nach dem Test mit dem Seipen von MPT-Reifen die Karten für die Reifenwahl auf dem großen Expeditionsmobil neu gemischt werden.

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8 Antworten

  1. Steffen sagt:

    Ich wollte mich mal für die Berichte bedanken und meine Erfahrung beisteuern. Die meiste Zeit nerven mich die Geländereifen, weil sie zu laut sind. Bei einem Kollegen bin ich mitgefahren.. Die Baustellenreifen waren wesentlich leiser. Nur so mal als Input.

    • Tom sagt:

      Ja, wenn es um die Lautstärke geht, sind die Baustellenreifen wesentlich leiser. In unserem Expeditionsmobil waren bei Autobahngeschwindigkeit nur die Reifen zu hören. Sonst nichts. Innen ging es natürlich noch. Trotzdem haben die Stollenreifen ihre Berechtigung.

  2. Anonymous sagt:

    Nun komme ich mal dazu, meinen Beitrag zu Singlereifen bei Expiditionsmobilen zu schreiben: Landauf-Landab sehe ich 18Tonner und höher, die an der HA Singlebereifung haben.
    Diese Art der Bereifung entspricht nicht den Herstellervorschriften und stellt eine Gefahr dar! Singelebereifung können sinnvoll sein bis zu einem GG von max 10Tonnen, MIT einer Anpassung der Achslasten und Bremsleistung. Besonders bei den LN2 Fahrzeugen von Mercedes.
    In den arabischen Ländern belächelt man diese Singlebereifung, weil sie einfach keine ausreichende Traktion haben. Zudem wird der Hilfsrahmen vom Fahrgestell nicht in den Aufbaurichtlinen gefertigt, was ganz wesentlich auf die Fahreigenschaften auswirkt.
    Selbst in der Lybischen Steinwüste fahren die Einheimischen ausschließlich mit Zwillingsbereifung (R20)!
    Als Fahrzeugtechniker ist es mir unverständlich, wer für solche Fahrzeuge über 11Tonnen GG, die Genehmigung gibt. Seitens der Hersteller kann es nicht sein.
    Seitens Anwender in Wüstengebieten ebenfalls nicht.
    Vielleicht liegt es am Geld, denn Singlereifen sind billig!

    Und: Ja, es gibt Fahrzeuge über 11 Tonnen, die ab Werk mit Singlebereifung ausgeliefert sind. Sie haben ausschließlich einen biegesteifen Rahmen! Also keinen Leiterrahmen, wie sie in zivilen Fahrzeugen verwendet werden.

    ruptech

    • Tom sagt:

      Ja, die Einzelbereifung hat natürlich nicht nur Vorteile. Vor allem dann, wenn das Basisfahrzeug nur schmale Achsen hat und dann mit Distanzringen und umgedrehten Felgen gefahren werden muss. In diesen Fällen hat die Einzelbereifung einige Nachteile:
      1. Höhere Beanspruchung der Radlager
      2. Geringere Traglast auf der Hinterachse
      3. Schwierige Beschaffung unterwegs
      4. Wegschultern brechen schneller weg
      5. Größere ungefederte Masse auf der Vorderachse

      Dem stehen aber zahlreiche Vorteile der Einzelbereifung bei LKWs entgegen:
      A. Größerer Reifendurchmesser
      B. Bessere Sandgängigkeit
      C. Coole Allradoptik
      D. Höhere Traglast auf der Vorderachse
      E. Keine Steine zwischen den Zwillingen

      Entscheiden und verantworten muss das jeder letztlich selbst. Aber einer wie ich, der schon 5 Zwillingsreifen wegen Fremdkörpern zwischen den Reifen verloren hat, wird natürlich immer wieder mit der Einzelbereifung liebäugeln.

  3. Reifenfuzzi sagt:

    Meiner Meinung nach haben Runderneuerte Reifen nur als Zwilling oder auf Trailer ihre Berechtigung. Ich selbst würde nie Runderneuerte auf Fahrzeugen schneller als 20km/h fahren. Habe die Dinger 10 Jahre lang verkauft und montiert daher kenne ich mich ein bisschen aus. Ausnahme Michelin Remix oder Continental Contitread als Werksrunderneuerte verdienen mehr Vertrauen. Luftaufpumpen nach der Montage nur mit Gehörschutz und ausreichend Sicherheitsabstand!
    Mein Rat für Einzelbereifung: Neue LKW Reifen mit Antriebsprofil, evtl. Baustellen Trailerreifen mit Blockprofil wie Bridgestone M748.
    MPT würde ich nur fahren wenn wirklich sehr viel weicher Untergrund gefahren wird.
    Ansonsten finde ich diese Seite sehr gut. Viele Hilfreiche Infos. Danke

    • Tom sagt:

      Ja, runderneuerte Reifen auf dem Expeditionsmobil aus Kostengründen zu fahren, ist Sparen an der falschen Stelle. Ich habe über runderneuerte Reifen nur nachgedacht, um echte Winterreifen zu bekommen. Zumindest solange es die MPT-Reifen original nicht mit der Schneeflocke gibt.

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