Lettland: Altes Holzkirchlein und neue Zarenfestung Dünaburg
Die Holzkirche Berzgale und die Zarenfestung Dünaburg haben es nach Rakvere schwer. Hier ist ja gar nichts los. Oder doch? Lettgallen steckt voller Fragen.
Keine Angst vor nassen Wiesen
Die Nacht im Schwarzen Loch war ruhig. Der Morgen ist es auch.
Scheint aber geregnet zu haben. Das Gras jedenfalls ist klitschnass. Habe aber nach der Umbereifung auf die Nokian Rotiiva AT jetzt nicht so direkt Angst vor feuchten Wiesen.
Kann zufrieden sein mit dem Stellplatz. Zumindest für so mitten in der Nacht gefunden. Aber leider ist der Zugang zum See durch ein Gitter versperrt. Zwar kunstvoll, aber versperrt. Dafür gibt es einen Stern Abzug.
Wellblechpiste zur katholischen Holzkirche von Berzgale
Und so sind wir schnell wieder auf der Straße. Doch bald schon kommt ein kleiner Abzweig nach links. Eine der ältesten Holzkirchen Lettlands wartet auf uns. Schon wieder Wellblech. Denke auf den ersten 100 Metern mal kurz daran, umzukehren. Aber wo kommen wir denn da hin, wenn wir die Reiseziele vom Straßenzustand abhängig machen. Also kräftig durchbeschleunigen und den Bus über das Wellblech jagen. Komischerweise ist diese Wellblechpiste für 90 km/h ausgelegt. Bei dieser Geschwindigkeit fliegt der Bus mit den verstärkten Stoßdämpfern ganz ruhig über die Piste. Hat aber spürbar weniger Bodenkontakt. Jetzt bloß nicht vom Gas gehen.
Plötzlich ein Schild. Weiße Straße – schwarze Straße. Was soll denn das nun wieder sein? Rumms. Übergang auf den Asphalt. Aha. Weiß ist die Piste. Schwarz ist der Asphalt. Und dazwischen ist ein Absatz. Das war den Letten ein Warnschild wert. Rumms. Wieder Piste. Wellblechpiste ist mir aber sowieso lieber. Kann da mit einer gewissen Systematik fahren. Erregerfrequenz und so. Der Asphalt hingegen ist unregelmäßig geflickt und ausgebessert und zerlöchert. Da ist nichts mit irgendwelchen Physiktricks. Links Kirche. Ging ja schnell.
Kreuze, Holz und Türme sind da. Ein Nebengelass auch. Laut Reiseführer wohl der Glockenturm (S. 488).
Aber sonst ist nichts zu sehen. Vielleicht noch die Zaunsäulen. Das ist mal ein ordentliches Mischmauerwerk. Aber sicher nicht von 1744.
Eine Runde rum. Das war’s aber dann auch schon mit einer der ältesten Holzkirchen Lettlands. Aber die Anfahrt nach Berzgale lohnt sich. Schon wegen der Wellblechpiste. Noch eine Runde ringsrum und weiter.
Kristus Karaļa kalns: Christusskulpturenpark? Oder Sekte?
Auf dem Asphalt werden die Warnschilder dann wieder mitteleuropäischer.
Halt. Stopp. Was ist das denn? Links eine Art Skulpturenpark. Dazwischen Wasserläufe, Inseln, Hecken und eine Kirche auf einem (künstlichen?) Hügel. Das regt natürlich die romantische Ader an und verleitet mich, ganz spirituell den Rückwärtsgang einzulegen. Beim Näherkommen sind lauter geflügelte Wesen zu erkennen. Katzen, Engel, Mädchen. Mädchenengel.
Alles frei zugänglich und viele Leute da. Sieht schön aus, habe aber keine Ahnung, was das ist. Museum? Skulpturenpark? Sekte? Das Internet hält sich bedeckt.
Muss aber gleich mal ein paar Ideen für die heimischen Gartengestaltung festhalten.
Dünaburg – die größte russische Stadt Europas
Jetzt geht’s aber weiter. Zurück auf die Hauptstraße nach Dünaburg / Daugavpils. Das ist die größte Stadt in Lettgallen, dem russischen Südosten Lettlands. Und die größte russische Stadt in der EU. Des Zaren Festung.
Gewisse Harmonie historischer und moderner Kultstätten.
Ein beeindruckendes Gefängnis. Allerdings sind wir uns nicht einig, ob es noch in Betrieb ist. Ich meine ja. Ist aber auch nicht sicher.
Dann die Düna. Der größte Fluss Lettlands legt bis Riga noch einiges an Breite zu.
Dort erstmal Mittagessenversorgung in einer typisch lettischen … Supermarktpizzeria. Alles andere wäre zu experimentell gewesen. Oder zu unopportun.
Zitadelle Dünaburg
Dann die Zarenfestung Dünaburg aus 1833 besichtigen. Angeblich sehenswert. Ziemlich neu. Sozusagen eine der modernsten klassischen Festungen Europas. Ist aber schon mal verdächtig, wenn der Parkplatz an der vermeintlichen Attraktion ganz leer ist.
Lassen uns aber nicht beirren und starten den Fußmarsch zur Zarenfestung. Ringsherum ein paar Schanzen.
Dann das große Tor. Hätte da sogar noch durchgepasst.
Tatsächlich entpuppt sich die Zarenfestung Dünaburg jedoch als eine von ein paar Bastionen umgebene Garnisonsstadt. Ganz nett, aber nicht so direkt was Besonderes. Irgendeine Kunstausstellung. Doch wer ist Mark Rothko?
Dazu einige fragwürdige Funktionen für ein Verteidigungsbauwerk. Da hat der Festungsbaumeister Georg Heinrich Hekel wohl ein paar Hintertürchen eingebaut.
Zum Beispiel das kleine Fenster links in der Ecke neben dem Eingangsportal. Von innen führt da ein Gang hin, der so schmal ist, dass nicht mal unser Jüngster zum Fenster kommt. Was ist das? Ein Luftschacht? Ein Geheimgang? Und so bleiben auch bei der Zarenfestung Dünaburg einige Fragen offen.
Lettgallen bis zur litauischen Grenze
Sitzen aber durch die übersichtliche Anlage recht schnell wieder im Bus. Raus aus Dünaburg.
Und auf dem Deich der Düna weiter in Richtung Litauen.
Quellen und weitere Infos
- Die katholische Holzkirche Berzgale wurde ausweislich des Schildes vor Ort 1750 fertig gestellt. Grundsteinlegung 1744.
- Für die abgelegene Sektenanlage mache ich mal keine Werbung. Hab einfach den Hintergrund nicht rausbekommen.
- Informationen zu Daugavpils und Luftbilder zur Zitadelle Dünaburg: Wiki
- Und wer ist Mark Rothko? Wiki
[Aber jetzt bin ich gespannt auf die Reise zum Mittelpunkt der Erde Europas.]