Mit dem Fahrrad auf den Keilberg „und dann immer runter“

Nachdem das für gestern angekündigte Unwetter während der Radtour hoch ins Vogtland abgesagt wurde, ist heute dennoch alles grau in grau, und der feine Regen legt sich wie ein Schleier übers hiesige Bergland.

Aber unser Betonzelt ist ganz nett, obwohl ich Hotels eigentlich nicht mag. Hab immer Angst, mein Leben an die Dekadenz zu verlieren.

Das Beste im Hotel ist das Frühstücksbuffet, gerade bei dem Wetter. Wir lassen uns Zeit, können aber nun auch nicht ewig warten, denn die Fahrräder scharren im Stall schon mit den Hufen.

Ziehen also die Regensachen drüber und fahren los. Runter nach Eibenstock ist es nass von unten, nass von vorn und nass von oben. Hab zwar dank der nun auch schon wieder vor 2 Jahren gekauften, wasserdichten Vaude-Hose trockene Beine, aber meine alte Regenjacke ist nicht mehr richtig dicht und durch die Ärmel zieht die Nässe rein. Dazu sprüht der Regen ins Gesicht und läuft langsam hinten den Nacken runter. Naja, und die Füße stecken sowieso nur in Tevas. Ist also ein bisschen eklig.

Camping an der Eibenstocktalsperre hätten wir gestern sowieso vergessen können, denn dort ist Trinkwasserschutzgebiet. War also alles ganz gut so. Zum Glück hört der Regen bald auf. Obwohl als Radweg ausgeschildert, ist die Strecke von Eibenstock nach Johanngeorgenstadt eine ganz normale, verkehrsreiche Straße. Die Autofahrer nehmen zwar Rücksicht und es fühlt sich nicht gefährlich an, aber es nervt halt.

Höhenmeter machen wir natürlich auch ordentlich. Erst runter und dann wieder hoch.

Auf der Passhöhe in Johanngeorgenstadt ziehen wir bei 892 m die Jacken wieder drüber, weil es recht kalt ist. Kurz darauf Jacke aus und Jacke wieder an, weil sich die Höhenmeter nicht für eine Richtung entscheiden können.

Gerade noch in Deutschland steht ein schöner Škoda 706 MT. Die sind echt selten geworden.

In Potůčky (Breitenbach) passieren wir nach 25 km um 12:15 Uhr die Grenze, flüchten aber schnell vor Trubel und Ramsch.

Ab da wird die Radtour schöner. Und wie es sich gehört, stehen auf den tschechischen Berghängen gleich mehrere Praga V3S. Das sind echte Kletterkünstler mit 6×6 und Portalachsen.

Die unbefahrene, kleine Straße an der Schwarza hoch auf den Erzgebirgskamm ist sehr hübsch,  zieht sich aber ein bisschen.


13:25 sehen wir nach 40 km links den Fichtelberg und rechts den Keilberg. Der zweithöchste und der höchste Berg des Erzgebirges sind recht unscheinbar. Generell besteht das Erzgebirge ja weniger aus hohen Bergen, sondern mehr aus tiefen Tälern.


Radeln dann über den Maulwurfweg nach Boží Dar (Gottesgab) und speisen dort im vornehmen Hotel Praha, weil wir von da aus dem Fenster die Fahrräder sehen können. Essen Obstknödel und trinken heiße Schokolade. Mitten im Sommer.

Dann wieder raus aus der Luxuskneipe und hoch auf den Berg. Dauert ein Stück, bis wir wirklich am Keilberg sind. Klar, wir könnten natürlich wie alle anderen auch bis zum Turm fahren. Aber so sind wir die einzigen Fahrradfahrer weit und breit, die nicht ganz auf den Keilberg fahren.

Das hat doch was. Ziehen also oben die Jacken an und sausen ins Tal. Der Blitzer zeigt 51 km/h.

Leider sind die Serpentinen nass und wir müssen viel von unserer schönen kinetischen Energie verbremsen. Tja, theoretisch geht’s mit dem Fahrrad vom Keilberg zur Elbe nur noch runter. Praktisch aber sind einige Anstiege dazwischen.

Manchmal passt alles. Dann rollen wir fröhlich durch den tiefen Tann und genießen die Radtour.

Bis zur Talsperre Přísečnice läuft es super.

Am Anstieg nach der Talsperre will mein Jüngster eine Pause machen, aber das geht natürlich auf gar keinen Fall. Pause wird immer erst oben gemacht. Das regt ihn voll auf, zumal der Berg immer länger wird. Erst eine halbe Stunde später kommt eine lange Gerade und wir setzten uns an der Schwarzen Heide auf den Weg und machen nach 70 km Vesper.


Selbst nach der Vesper besteht noch die Vorstellung, dass wir heute das ganze Erzgebirge abhaken, weshalb ja schon der Ausflug zum Gipfel des Keilbergs gestrichen wurde. Werde sogar übermütig und lobe den Radweg D23 für den guten Asphalt. Das aber war ein grober Fehler, denn prompt zerbröselt der tschechische Asphalt zu lockerem Schotter.

Dazu wird uns bewusst, dass dieses „Wir fahren prinzipiell immer nur runter“ nach der ersten Abfahrt vom Keilberg eher „Die meiste Zeit fahren wir berghoch und zwar steil und lang, während es runter nur im Schritttempo vorwärts geht“ bedeutet.

Das Foto hier soll übrigens zeigen, dass der Radweg die ganze Zeit an der deutsch-tschechischen Grenze entlang läuft. Auf dem Schild steht „Achtung Staatsgrenze“.

Es ist ja ganz nett im Erzgebirge, aber es ist auch absehbar, dass wir die angedachten 180 km heute wohl nicht schaffen werden. Nicht bei dem Straßenbelag. Und nicht bei dem Höhenprofil aus dem Vogtland runter, hoch zum Keilberg und dann wieder runter und hoch und runter und hoch und runter und hoch über den Erzgebirgskamm. Die paar guten Strecken reißen das nicht raus.

Schlage stattdessen auf einem langen Schotteranstieg vor, uns in einer schnuckligen Baude einzuquartieren, an der wir gerade mit 2 km/h vorbeistrampeln. Da könnten wir abends schön sitzen und noch was essen und hätten ein bequemes Zimmer. Aber mein Fünfter ist noch nicht bereit, seinen Traum vom absoluten Brüderradrekord aufzugeben.

Erst 18:30 Uhr bei knapp 100 km ist er bereit, sein geheimes Tagesziel aufzugeben. Während ich einen Praga V3S fotografiere, stoppt er ganz allein an einem Hinweisschild auf eine Kneipe mit Übernachtung.

Die Bude ist nicht weit weg von der Straße und versprüht nicht gerade viel Charme. Aber erstmal zischen wir zwei große Kofola. Finden es auf einmal ganz nett hier. Jetzt ist der Zug mit Zelten abgefahren. Frage also in meinem besten Tschechisch doch nach der Übernachtung. Die Frau redet mit mir, als ob ich ein Tscheche wäre. So gut bin ich zwar leider nicht, aber wir werden uns einig. Schaffe es sogar, sie zu überreden, mir ein Kofola-Glas zu verkaufen. Wird das Hochzeitsgeschenk für jemanden, der alles hat und sowas auch zu schätzen weiß. Also hoffentlich noch immer.

Nur mit der Dusche habe ich die guten Leute bisschen falsch verstanden. Weiß jetzt auch, wozu ich nach heißem Wasser gefragt wurde, was ich großzügig ablehnte. Scheinbar muss man hier die heiße Dusche extra ordern. Naja, duschen wir halt kalt. Das Wasser aber fühlt sich wie kurz vorm Gefrieren an. Trotzdem duschen wir, denn beim Zelten hätten wir ja auch in irgendeinem Gebirgsbach gebadet.

Das einzige Problem ist eigentlich, dass mein Kleiner nicht so richtig in sein Bettchen passt.

Schönheide – Eibenstock – Johanngeorgenstadt – Potůčky (Breitenbach) – Boží Dar (Gottesgab) – Keilberg – Zakouty – Hora Svaté Kateřiny (Katharinaberg) | 99 km | 497 km gesamt | 1491,0 m ↑ 1526,0 m ↓

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3 Antworten

  1. Orthodoxer Leithammel sagt:

    „Adams Ripp‘ und Rebensaft haben mir viel Freud gebracht“ so in er Pfalz…

  2. Orthodoxer Leithammel sagt:

    In Ösiland heisst’s:
    „Wo ich geh‘ und steh‘ tun mir die Knochen weh,
    aber wenn ich sitz und sauf hören die Schmerzen auf“

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