Böhmische Schweiz: Pollenapokalypse und Hexenfeuer
Böhmische Schweiz. Traumhafter Morgen am Waldteich. Mein Vierter schwört, dass er in der Nacht am Schneeberg Wildschweine gehört hat. Also ich habe nichts gemerkt. Nur die Vögel zwitschern hören.
Sind am heutigen Brückentag ja leider nur noch zu dritt. Die Restfamilie muss in die Schule oder auf Arbeit. Andererseits hätten wirklich nicht noch mehr in das kleine Ultraleichtzelt gepasst. Wahrscheinlich wird das die vorerst letzte Tour mit dem kleinen Vaude-Zelt, das nicht viel größer und genauso schwer wie eine Volvic Flasche ist. Seufz. Schluchz.
Hab schon mit 3 Kindern drin geschlafen. Doch alle werden stetig größer. Nun gut, das neue Ultraleichtzelt ist auch nur eine Gummibärchentüte schwerer. Aber wesentlich geräumiger. Also einpacken. Kurz frühstücken. Haben sowieso nicht mehr viel zu essen nach der gestrigen Röstorgie am Lagerfeuer. Müssen zur nächsten Kneipe.
Die Tschechen sind schon fleißig und räumen das Bruchholz aus dem Wald. Kettensägen singen tief unten im Tal. Leider kein Harvester. Aber der kleine Trecker ist auch süß.
Auch ein alter Praga V3S wird noch für den Holztransport benutzt. Aber leider nicht heute.
Mein Handy läuft im Ultraenergiesparmodus und wird nur für Fotos benutzt. Kann ja nicht immer darauf hoffen, dass mir mitten im Wald zwei Kletterer über den Weg laufen und Strom abgeben. Also nix mit GPS-Tracking. Muss diesmal auf die Schilder schauen. Und zur Abwechslung mal nachdenken. Karte habe ich ja auch keine mehr.
In Maxdorf / Maxičky gibt es eine Berghütte. Nun gut, eine richtige Berghütte ist es eigentlich nicht. Eher ein Restaurant. Eine Kneipe. Eine Urlauberverköstigung. Egal. Auch innerhalb der Öffnungszeiten niemand zu Hause. Doch ein paar Bungalowgäste vertrösten uns. Die Chefin wäre gerade einkaufen. So warten wir vor dem Tor.
Nach einer halben Stunde kommt die Wirtin. Nein, sie war noch nicht einkaufen, muss sie aber noch. Keine Zeit und auch nichts zu essen da. Hmm. Garnichts? Die Jungs gucken ganz hungrig. Nun gut, drei Würstchen. Und 3 Cola. Aber schnell! Ja, ein bisschen Strom ist auch noch da. Mein Handy lädt aber jetzt gar nicht mehr. Auch nicht mehr an der Steckdose. So ein Mist. Werde wohl ab jetzt immer ein Ersatzhandy mitnehmen müssen. Oder wenigstens noch die kleine Kamera. Dunkle Wolken ziehen auf. Da wir hier sowieso nicht lange bleiben können, müssen wir weiter. Mitten durch die gelben Pollenwolken der Fichtenwälder ringsum. Der heutige Brückentag ist hier ein normaler Werktag. Das bietet die Gelegenheit für Studien zur Ausführung von waldmännischen Kranarbeiten.
Bleiben eine ganze Weile sitzen. Aber die angesagte Regenwahrscheinlichkeit von 38 % fühlt sich jetzt an wie 98%. Also weiter durch den Wald.
Wir müssen runter zur Elbe. Zur nächsten Kneipe. Es geht also ziemlich schnell ziemlich steil bergab.
Der Hauptweg nach Niedergrund / DolnÍ Žleb ist mit massiven Sandsteinquadern gepflastert. Schleifspuren vom Holztransport.
Daneben gurgelt ein kleines Bächlein zu Tal.
Von den umliegenden Sandsteinfelsen kullern immer wieder mal größere Blöcke hinab.
Niedergrund / DolnÍ Žleb ist dann auch vor allem unter Kletterern für herausragende Schwierigkeiten im Elbsandsteingebirge bekannt. Entsprechend hoch ist die Dichte an kleinen Hütten und Zelten.
Der Ort hat sogar so etwas wie ein Ortseingangsschild. Obwohl von hier niemand mit dem Auto kommen dürfte.
Überall schöne Zeugnisse einer stolzen Vergangenheit.
Doch es gibt noch einigen Sanierungsbedarf.
Selbst im Zentrum ist noch viel zu tun. Bis auf die sparsamen Kletterer dringt wohl kaum ein Tourist die paar Schritte vom Elbradweg hoch ins Dorf vor.
Unten am Elbradweg die Kneipe aber ist gut besucht.
Schließlich ist Niedergrund / DolnÍ Žleb verkehrsmäßig gut angeschlossen. Bahnstation, Elbradweg, Autofähre. Bis 15 Tonnen darf man hier übersetzen. Habe extra gefragt. Allerdings die Durchfahrtshöhe des Bahnbrückenboges vergessen. Aber hier wird meist großzügig gebaut. Ist ja schließlich die einzige legale Zufahrt.
Ostelbisch führt ein alter, in Sandstein gefasster Weg steil nach oben.
Nach den Schutthängen sind die Felsen zu überwinden. Treppen und Grobpflaster.
Oben dann das Belvedér mit der Aussicht hinunter nach Niedergrund / DolnÍ Žleb.
Und natürlich auf die Elbe und die hiesigen Elbhänge.
Der Aussichtspunkt und die Theaterbühne wurden vor 300 Jahren angelegt. Seit über 130 Jahren gibt es eine Gastwirtschaft.
Wir holen uns in einer schwejkschen Zeremonie drei Eis und wandern weiter nach Elbleiten / Labská Stráň. Feuerwehrfest mit Tatra 148 6 x 6.
Aber wir sind ja nicht zum LKW gucken hier, sondern zum Wandern.
Elbleiten / Labská Stráň lassen wir bald hinter uns. Die Wälder beginnen wieder. Auf der Ebenheit über der Elbe viel Laubwald.
In den tief eingeschnittenen Kerbtälern aber fast ausschließlich Fichten. Und genau die produzieren Unmengen von Pollen, die heute in riesigen Staubwolken durch den Wald ziehen. Man bekommt kaum Luft. Die ganze Gegend irgendwie apokalyptisch. Alles kahl und verstaubt.
Nur ganz selten bringt mal ein Laubbaum etwas Farbe ins Bild.
Ansonsten ist der Wald in den dunklen Kerbtälern richtig gespenstisch.
In Jonsdorf / Janov dann endlich wieder Farbe, Licht und Luft. Richtig frischer Wind sogar. Schöner Platz für eine Windmühle. Und trotzdem hat die Mühle nur 4 Tonnen Getreide jedes Jahr gemahlen. Das sind ja gerade mal 11 kg am Tag. Hätte für das dicke Ding mehr erwartet.
Wir kommen gerade richtig zum Maibaumsetzen. Durch den Wind haben die Tschechen richtige Probleme mit dem Aufstellen. Evakuiere die Kinder, schmeiße schnell den Rucksack runter und ziehe mit an einem Tau. Das war zwar nicht unbedingt nötig, fördert aber immer die Völkerverständigung.
Der Maibaum steht. Wir gehen essen und bleiben noch bis zur Hexenverbrennung.
Dann bekommen alle Kinder Leuchtstäbe und tanzen zur Musik einer tschechischen Altherren-Country-Combo ums Feuer. Ist eine schöne Gegend mit netten Leuten hier. Auch bei der Beschilderung geht man mittlerweile recht entspannt mit der deutsch-tschechischen Vergangenheit um.
Mit Sonnenuntergang verlassen wir Jonsdorf / Janov und suchen uns am Rand des Golfplatzes ein ruhiges Plätzchen für unser Zelt. Müssen allerdings erst mal einen Sprung Rehe fortjagen.
Gesamtanstieg 430 Meter | Gesamtabstieg 592 Meter | 17 km | 32 km
Tag 1: Vom Bielatal zum Hohen Schneeberg (15 km)
Tag 2: Vom Schneeberg über Maxdorf runter zur Elbe und wieder hoch nach Jonsdorf (17 km)