Ukraine: Quer durch die Karpaten und die nördliche Maramuresch
Die ukrainischen Karpaten an der rumänischen Grenze sind ein Eldorado für Fans alter Allrad-LKWs.
Stellplatz an der Grenze zur Ukraine
Nach dem gestern etwas aus dem Ruder gelaufenen Abstecher zum Kloster Hâncu musste ich ja im Stockdunkeln einen Stellplatz finden. Dafür aber ist der Platz in der aufgegebenen Kolchose gar nicht so übel.
Genau genommen ist der Stellplatz unter dem großen Nussbaum sogar super, denn wir stehen direkt im Morgenschatten.
Bin das Ausschlafen gar nicht mehr gewöhnt und stehe trotzdem schon 7:00 Uhr auf. Setze vor dem Morgenspaziergang frische Brötchen an. Noch ein Schluck Milch. Oh, Mist. Der Kühlschrank ist auf den moldawischen Straßen rund um Kloster Hâncu implodiert.
Grenzübergang Moldawien – Ukraine (Criva / Mamaliga)
Es dauert also alles etwas länger. Aber wir müssen ja erst 10 Uhr an der Grenze sein. Und es ist nicht weit bis in die Ukraine. 09:20 Uhr rollen wir in den leeren moldawischen Grenzbereich. Da gibt es eine kurze Irritation, weil ich die Straßenbenutzungsgebühr und die moldawische Vignette ja nur für einen Tag bezahlt habe, wir aber zwar 24 Stunden, aber letztlich an 2 verschiedenen Kalendertagen in Moldawien waren. Hab ich glatt übersehen. Sorry, mein Fehler. Das Problem endet aber mit einer kurzen Ermahnung, dass ich beim nächsten Mal die Gebühr richtig bezahlen soll. Danke.
Die Ukrainer halten meine Papiere in der Hand und diskutieren zu dritt, ob wir nun ein Wohnmobil sind oder nicht. Denken wohl, ich verstehe sie nicht. Doch einer kennt sich aus und liest den anderen Kollegen immer wieder das Wort Wohnmobil vor. Sogar auf deutsch. Also ist auch das unproblematisch. Die Prozedur dauert aber. Doch wenigstens muss ich mich anders als früher um nichts selbst kümmern und von Hinz zu Kunz in irgendwelchen versteckten Büros laufen, sondern nur Papiere und Dokumente aus dem Auto reichen.
Am wichtigsten ist aber immer noch ein kleiner Zettel, Talontschik genannt, den wir am Anfang bekommen und der dann mit verschiedenen Stempeln versehen wird. Am Ende der Grenzprozedur muss ich diesen Zettel wieder abgeben. Erst dann öffnet sich die Schranke in die Ukraine.
10:15 Uhr sind wir in Мамалига / Mamaliga. (So heißt übrigens der hiesige Maisbrei, das rumänische Nationalgericht.) Also haben wir an der Grenze zwischen Moldawien und der Ukraine 45 Minuten gebraucht. Geht doch.
Fahrt durch die Ukraine
Die Straßen in der Ukraine fangen erst übel an, werden aber bald besser. Auch neue Häuser sehen am Anfang hässlich aus. Der Putz macht es dann aber. Zumindest, wenn mal Zeit dafür ist. Jedenfalls fangen viele zu Geld gekommene Ukrainer richtig monumental an. 3 Stockwerke, Löwen, Rundbögen, Zuckertütendächer.
Aber immer ein bisschen weniger pompös als die neuen oder neu sanierten Kirchen.
Natürlich sehen wir diverse russische LKWs, die die Jungs jetzt auch schon alle kennen: GAZ-53, GAZ-66, ZIL-130, ZIL-131, Ural-4320 und vor allem viele KAMAZ-5511. Kann leider nicht bei jedem russischen LKW anhalten.
Dabei erzähle ich schon vom riesigen, ukrainischen KrAZ-255, von dem wir aber leider kein einziges Exemplar sehen. Ansonsten fährt auf den ukrainischen Straßen abgesehen von den sowjetischen LKWs eine bunte Mischung aus Lada, VW und Audi. Auch viele Dacias sind unterwegs, die hier in der Ukraine aber durchweg als Renault gelabelt sind. Haupttransportmittel zwischen den Ortschaften sind aber Sprinter, Vario und T2N. Oft sogar als Fensterbus. Die Leute am Straßenrand versuchen also immer, uns wie einen Autobus anzuhalten und gucken konsterniert, wenn ihr (vermeintlicher) Bus vorbeifährt.
Fahre versehentlich nach Sadgora / Садгора rein. Nutze das aber zu unserem Vorteil und hebe gleich 4000 Griben ab. Kriege allerdings den Bankautomaten nicht dazu, die Mitteilungen in Englisch vorzunehmen. Bin dann bei meiner Russischlektüre des Bankkauderwelschs noch durch einen GAZ-66 abgelenkt. Klicke also mal falsch und bezahle das mit teurem Geld. Aber wenigstens sind wir jetzt wieder flüssig.
Mittag in der ukrainischen Schmiede
Mit frischem ukrainischen Geld lebt es sich leichter und wir stoppen gleich am nächsten Restaurant in Matejiwzi / Матеївці. Das Restaurant Кузня (Kusnija = Schmiede) ist äußerst liebevoll und aufwendig gestaltet. Außen wie innen.
Auch die Bedienungen sind aufwendig zurechtgemacht. Amüsieren sich aber ganz undamenhaft über mein Kauderwelsch. Bin aber renitent und lehne die englische Speisekarte ab. Will meine russische Zunge lockern. Auch wenn das ganze Procedere dreimal so lang dauert.
In der Wartezeit frage ich mit dem Reservekanister in der Hand nach einem Wasserhahn. Aber die Kellnerin macht da gleich einen Staatsakt draus, nimmt mir den Kanister aus der Hand und reicht die Aufgabe an den Gärtner weiter, der den Kanister draußen mit dem Schlauch füllt. Na, da können wir den Schlauch auch gleich ganz zum Bus ziehen. Und so machen wir gleich alle Tanks voll. Das muss ich unbedingt auch mal in einem vornehmen deutschen Restaurant versuchen.
In der Zwischenzeit ist das Essen fertig. Griechischer Salat, Schlachteplatte, Hähnchenflügel, Pannacotta. Echt ein Genuss nach den „Entbehrungen“ der letzten Zeit. Nur sind in guten Restaurants leider immer die Teller groß und die Portionen klein. Aber zumindest am Fleisch wird nicht gespart. Von der Schlachteplatte bleibt sogar was übrig.
Im Stau durch die ukrainischen Karpaten
Dann noch ein Stück auf der Hauptstraße weiter und gemäß Routenplanung meines Jüngsten kurz hinter Kolomija / Коломия nach Süden in die ukrainischen Karpaten. Ich finde ja immer die hiesigen schmiedeeisernen Gartenzäune bemerkenswert. Egal, ob an Privathäusern oder Kirchen. Kitsch ist halt schön.
In den Karpaten landen wir schon nach kurzer Zeit in einem Stau, der kein Ende nehmen will. Aber auch hier gibt es was zu sehen. Finde ich vielleicht den barocken ZIL-131 deswegen so schön, weil er so kitschig ist?
Mag den jedenfalls mehr als den eckigen GAZ-51 ohne Allrad. Die Frontscheiben sind aber auch hässlich. Zumindest im Vergleich zu den Panoramafenstern des ZIL-131.
Auch der KAMAZ-5320 ist nicht unbedingt mein Favorit. Продам steht dran. Zu verkaufen. Klar, die Möhre wird wohl ganz bestimmt einer kaufen. Wobei die deutschen Exmonauten zurzeit alles an alten Allrad-LKW kaufen, was noch nicht auseinandergefallen ist.
An der nächsten Kreuzung ist der Stau immer noch nicht zu Ende. Scheint hier öfter vorzukommen, denn die ansässige Bevölkerung hat sich schon mit kleinen Läden und Verkaufsständen darauf eingerichtet.
Der Stau zieht sich durch das gesamte, stark touristische Tal in den Karpaten.
Viele reiche Ukrainer machen hier Urlaub. Und davon gibt es wohl einige.
Die Orte hier scheinen beliebt zu sein bei dem inländischen Touristen. Aber die Berge hinter den Häusern sind auch schön.
An der Straße stehen immer wieder ganze Rudel von UAZ-469 Geländewagen, die Offroad-Touren in die Karpaten anbieten. So wie hier in Mikulitschin / Микуличин.
Dazu ein Dinosaurierpark, Restaurants und Apartmentsiedlungen.
Alles, was das ukrainische Touristenherz begehrt.
Ich mag eher die Ruhe in den ukrainischen Karpaten. Und die tiefen Fichtenwälder.
Aber auch deren natürliche Feinde, die Ural-Langholztransporter.
Bald werden aus den quirligen Kurorten verschlafene Almdörfer.
Und auch die Kirchen werden kleiner.
Für die 60 km durch die ukrainischen Karpaten von Sadschawka / Саджавка bis zum Pass nach Jablunitza / Яблуниця brauchen wir jedenfalls mehr als 2 Stunden.
Die ukrainische Maramuresch
Aber jetzt geht’s runter in die Maramuresch. Also in deren ukrainischen Teil.
Auch hier dominieren die geländegängigen russischen LKWs. Und natürlich die unabkömmlichen UAZ-452 Buchanka. Die Kastenbrote sind so alternativlos, dass sie mittlerweile sogar in Deutschland verhökert werden.
Aber hier in den Bergen gibt es bestimmt ordentliche Waldpisten. Sieht genauso aus wie in der rumänischen Maramuresch.
Klar, ist ja auch dasselbe Maramuresch-Gebirge mit denselben Holzkirchen.
Theiß als Grenzfluss zwischen Ukraine und Rumänien
Hab die Idee, noch hier an der Theiß zu übernachten, bevor die zum Grenzfluss zwischen der Ukraine und Rumänien wird. Aber der Grenzzaun zur EU ist schneller da als gedacht. Hier wird es nichts mit einer Übernachtung.
Da drüben in den rumänischen Bergen liegt Săpânța mit dem fröhlichen Friedhof.
Aber wir fahren noch ein Stück in den Sonnenuntergang.
Legitimierter Stellplatz am Maisfeld
Und landen dann am Rand eines Maisfeldes. Wir stehen kaum, da kommt ein Paar zu uns. So zielgerichtet? Gehe die beiden doch gleich mal begrüßen. Ihnen gehört das Feld und sie fragen, ob wir hier schlafen wollen. Gebe das rundweg zu. Was sollen wir auch sonst am Abend hier machen? Da freuen sie sich über den „hohen“ Besuch und wünschen uns eine gute Nacht. Wirklich eine nette Begrüßung.
Aber ich frage mich, was die Leute auf unsere Fährte gelockt hat. Zumal ich im Halbdunkel ohne Licht hierher gefahren bin und wir gedeckt stehen. Haben mich vielleicht die Bremslichter verraten?
Na ja, wir können eh nicht lange bleiben. Morgen geht es zur ukrainisch-slowakischen Grenze bei Uschgorod.
Criva – Grenze Moldawien / Ukraine – Tschernowitz / Чернівці – Kolomija / Коломия – Deljatin / Делятин – Poljanitza /Поляниця – Tereswa / Тересва – Chust / Хуст – Schiroke / Широке | Ukraine | 403 km | 4.400 km
Infos zur Durchquerung der ukrainischen Karpaten
- Mein Nachschlagewerk für sowjetische LKWs ist der kleine, aber feine Typenkompass DDR-Lastwagen / Importe aus der UdSSR (Ralf Kunkel / Motorbuch): Klick
- Routenplanung und Navigation laufen mit der sehr robusten Ukraine-Landkarte (1:1000.000, Reise Know-How): Klick
- Auf dem Armaturenbrett liegt natürlich immer der Ukraine-Reiseführer (Verlag Reise Know-How): Klick
- Der Kauderwelsch-Sprachführer Ukrainisch allerdings ist für mich leider nicht zu gebrauchen. Wenn man kyrillisch lesen kann, ist das keine Hilfe. Ich komme einfach mit der englischen Transkription nicht klar: Klick