Tunesien: Ruhe vor dem Hafenstress
Auf dem Stellplatz Port Sidi Bou Said am nördlichen Stadtrand von Tunis genießen wir die Ruhe vor dem Hafenstress.
Tunesien ist eben doch Afrika
Eigentlich habe ich nach der gestrigen Anreise mit dem gemieteten Fahrer zu diesem (aus Sicht der Nationalgarde) besten Stellplatz von Tunis überhaupt keinen Bock auf die Rückreise. Gar nicht mal so wegen der Rückreise, sondern wegen dem erwarteten Stress vor und im Hafen. Das war schon am Anfang der Migrationskrise 2016 in Marokko ein Theater mit Dutzenden Migranten, die in jedem Kreisverkehr auf dem Weg zum Hafen versuchten, hinten aufs Wohnmobil aufzuspringen. Das habe ich schon damals als sehr unangenehm und auch gewalttätig empfunden, aber verschämt geschwiegen.
Und wegen dieser migrantischen Gewalt auf der Rückreise rund um die marokkanischen Häfen bzw. spanischen Enklaven hatte ich ehrlich gesagt keinen Bock mehr auf den Maghreb. Dazu war Marokko auch in der Breite schon immer grenzwertig. Gibt halt nur wenige Reisende, die offen über ihre nervigen bis bedrohlichen Erlebnisse berichten. Auch ich hab ja öffentlich verharmlost und verniedlicht oder mich eben gleich auf geschützte Plätze zurückgezogen.
Tunesien ist da zum Glück (noch) nicht so. Hab das Land als sehr angenehm empfunden. Keine Betteleien, keine Betrügereien, keine Steinwürfe. Gut, wir waren auch nicht in den Touristenburgen und nach meinem Sturz in die Schlucht von Mides hat uns der Chef unseres Stellplatzes abgeschirmt und mit der ehrlichsten tunesischen Gastfreundschaft gepampert. Aber bei der Ausreise über den Hafen Tunis zeigt sich, dass Tunesien eben doch Afrika ist und sich hier ein Migrationsdruck herrscht, der nicht lustig ist.
Habe selbst mit einem jungen Tunesier gesprochen, der am Zaun von Ceuta gestanden, dann aber aufgegeben hat und sich nun sein Brot halbwegs redlich verdient. Die Leute wissen genau um unsere Schwächen und was sie wo wie tun müssen, um in den goldenen Westen zu kommen und Geld, Wohnung, Auto und Jungfrau vom Staat gestellt zu kriegen, ohne arbeiten zu müssen. Wer hätte denn nicht gern so ein Paradies auf Erden. Fast so haben wir auch mal vom Westen geträumt, uns aber dann halbwegs integriert.
Ruhe vor dem Sturm im Hafen
2025 wird der Migrationsdruck rund um die Häfen jedenfalls nicht besser geworden sein. Und so genieße ich die Ruhe vor dem Sturm auf unserem Stellplatz am Hafen Sidi Bou Said am nördlichen Stadtrand von Tunis umso mehr.
Die Fähre von Tunis nach Genua fährt 23:00 Uhr. Am liebsten würde ich erst 22 Uhr dort aufschlagen, aber GNV verlangt einen Check-In 4 Stunden vor Abfahrt. Also haben wir bis 19 Uhr Zeit. 10:00 Uhr sitze ich immer noch im Bett und studiere wieder mal den Tunesien-Reiseführer. Wenn wir schon nicht überall hinfahren konnten, dann will ich wenigstens ein paar gute Geschichten lesen.
Weil ich mich für eine Treppe hoch auf den Berg über dem Hafen interessiere, aber wegen des Unfalls nicht laufen kann, geht mein Jüngster dankenswerterweise da hoch und macht ein paar Fotos, damit ich mir die Aussicht auf den Hafen Sidi Bou Said und das Meer wenigstens vorstellen kann.
Mittag am Hafen
Zum Mittag kochen die Jungs ihr Lieblingsessen, diesmal mit einer Bohnen-Würstchen-Soße, die hervorragend schmeckt. Das uns im Rahmen der tunesischen Gastfreundschaft zugedachte Essen war ja schon sehr liebevoll gemacht und vollkommen in Ordnung. Aber lauwarmes Essen ist mir irgendwie nichts. Das muss brennen.
So vergeht der Tag und ich hüpfe sogar mal ein Stück auf dem Parkplatz herum. Muss schließlich an der Kondition des verbliebenen Beins arbeiten. Dieses Foto ist also von mir und markiert die seit meiner Rettung aus dem Canyon vor einer Woche weiteste Entfernung vom Bus.
Am Strand sind eine Menge Schüler bzw. Studenten unterwegs, die sogar ins Wasser gehen. Immer wieder kommen und gehen offenbar wohlhabende junge Tunesier. Keine Ahnung, ob das mit einem Abschlussfest oder dem morgigen Ramadan zusammenhängt, aber am Strand werden Leuchtfackeln gezündet und die Rich Kids führen irgendeinen Tanz auf. Ist immer lustig, wenn sie sich neben dem Bus umziehen, weil sie sich dort unsichtbar fühlen.
Treff mit dem Steyr
Zwischendurch stimme ich mich immer wieder mit dem Steyr-Fahrer ab, der uns beim Rangieren auf der Fähre helfen und eigentlich zu unserem Stellplatz kommen wollte. Aber sein 3,90 m hoher Steyr 12M18 macht sich zwar hervorragend in der algerischen Sahara, aber passt nicht durch die Unterführung zum Hafen Sidi Bou Said.
Also fahren wir gegen 17 Uhr los, um uns oben auf dem Stellplatz von Karthago zu treffen. Will dabei noch mal tanken, schließlich kostet der Diesel in Tunesien nur 60 Cent. Aber schon die Anfahrt zur Tankstelle ist mit Arm und Bein in Gips gar nicht so einfach. Dazu merke ich beim Bezahlen, dass ich irgendeinen Fehler gemacht habe und sicherlich noch 20 Liter reinpassen würden. Egal, jetzt hüpfe ich nicht noch mal um den Bus.
Je näher wir dem Hafen von Tunis kommen, umso mehr Bedenken habe ich, dass wie in Marokko in jedem Kreisverkehr die Migranten versuchen, hinten auf den LKW aufzuspringen. Man glaubt gar nicht, wie schnell die jungen Männer über den Heckträger hinten hoch und aufs Dach klettern. Diese Situation will ich nicht noch einmal haben, denn wenn da was schief geht und mir einer runterstürzt oder unbemerkt mit in den Hafen fährt, bin ich es am Ende gewesen.
Hab mir also diesmal eine beiderseitige Schutzvorrichtung ausgedacht und dafür extra Schweißerhandschuhe mit, um die allgegenwärtigen Dornenakazien zu einem Aufstiegsschutz am Heck zu verarbeiten. Das sollte jeder verstehen.
Derart geschützt warten wir auf dem großen Parkplatz von Karthago neben dem Steyr 12M18 noch ein bisschen, um den erwarteten Spießrutenlauf zum und im Hafen nicht zu lang werden zu lassen. Aber vier Stunden vor Abfahrt sollten wir schon an der Fähre sein.
Für die Prozedur im Hafen von Tunis sowie die Fährüberfahrt nach Genua mache ich mal einen extra Beitrag.
Moin Tom,
bin gespannt, wie es am Hafen war.
2019 und 2016 von Marokko aus war es an dem modernen Hafen von Tanger Med ziemlich entspannt. Gleichzeitig war es auch ein ziemlich komisches Gefühl nur weil ich das richtige Papier hatte, durch all die Zäune einfach durchfahren zu können…
Gruß aus Flensburg
Frankie