Ausreise aus Tunesien und Fähre nach Genua im Wohnmobil

Die Ausreise im Hafen Tunis ist trotz eines Schreckmoments unproblematisch und auch die Fähre nach Genua liegt ruhig auf See.

Anfahrt zum Hafen Tunis

Auf dem großen Parkplatz von Karthago warten wir noch ein bisschen, um den erwarteten Spießrutenlauf im Hafen nicht zu lang werden zu lassen. Aber vier Stunden vor Abfahrt müssen wir im Hafen sein.

Steyr 12M18 und Mercedes 711D in Tunesien

Steyr 12M18 und Mercedes 711D in Tunesien

Mit Hilfe meines Beifahrers und der schon getesteten, halbautomatischen Schaltung komme ich auch mit Fuß und Hand im Gips ganz gut zurecht. Ich sage immer, welchen Gang er schalten soll, drücke dann mit dem rechten Fuß die Kupplung, er macht den Gang rein und ich fahre mit einem auf 1000 Umdrehungen hochgedrehten Standgas los. Beim Anhalten oder vor einem Kreisverkehr macht mein Vierter rechtzeitig den Leerlauf rein und ich lasse mich auf kritische Stellen zurollen. Und bei einem Nothalt würge ich den Motor per Bremse ab.

Beifahrerschaltung am Mercedes 711D

Beifahrerschaltung am Mercedes 711D

Sind nicht ganz so schnell, aber der Steyr-Fahrer wartet immer wieder auf uns. Ist echt gut, dass wir jemanden haben, der erfahren ist und einfach vorausfährt. So kommen wir ohne die befürchteten Probleme mit aufspringenden Migranten direkt zum Check-in-Schalter von GNV. Vor dem Hafen stehen nur ein paar Typen, die unsere Papiere sehen wollen. Aber die können wir ignorieren, das sind nur Schlepper. Zwar lassen sich Schlepper und Polizei nicht immer sauber unterscheiden, diesmal aber liege ich richtig.

Check-in bei GNV Tunis

Das Büro des Fährbetreibers GNV liegt leider noch außerhalb des eingezäunten Hafens. Auf dem öffentlichen Parkplatz rennen eine Menge junger Migranten herum, die vor allem auf oder in die größeren Fahrzeuge wollen, um sich dort irgendwo zu verstecken.

Check-in am Hafen La Goulette Tunis Tunesien

Check-in am Hafen La Goulette Tunis Tunesien

Dank Heckpanzerung und Rundumbeleuchtung lassen sie uns in Ruhe. Nur sitze ich blöd und sehe den Steyr nicht richtig, und so zerren die Typen beim Steyr rechts die Seitenscheibe runter und verbiegen den Spiegelarm. Aber durch den verbogenen Spiegelarm kommt zumindest keiner zur Seitenscheibe rein und es wird auch nichts geklaut. Es geht also eindeutig nicht um Diebstahl, sondern ums Mitfahren.

Die versuchen dann, unter den LKW zu klettern und sich da irgendwo festzuhalten, aber meine Festbeleuchtung macht die dann schon nervös und sie lassen es. Scheinbar machen auch die Dornenakazien am Heck den Eindruck, dass mit mir nicht zu spaßen ist. Wenn die wüssten, in welcher körperlicher Verfassung ich nach meiner Rettung aus dem Canyon bin, würde das hier sicher anders laufen.

In der Zwischenzeit gehen meine Jungs mit dem Steyr-Fahrer zum Check-in-Schalter von GNV. Dabei gibt es ein kleines Missverständnis und mein Jüngster holt mich, da ich persönlich erscheinen soll. Tatsächlich aber brauchen die nur die Fahrzeugpapiere. Da muss ich nicht nur die beiden Fahrzeuge alleine lassen und mich als ziemlich behindert outen, sondern die ganze Schinderei bis zum Büro ist auch noch umsonst.

GNV Check-in im Hafen Tunis

GNV Check-in im Hafen Tunis

Passkontrolle bei der Ausreise aus Tunesien

19:30 Uhr fahren wir durch das Haupttor aufs eigentliche Hafengelände, werden kurz auf Pässe und Tickets kontrolliert, kriegen die Ausreisestempel und reihen uns in die Fahrzeugschlange an der Fähre ein. Im Hafen gibt es viele Hallen und ich hatte damit gerechnet, dass der Stress dort erst richtig losgeht. Tatsächlich aber scheint die tunesische Polizei das Problem mit den Migranten zumindest innerhalb der Hafenmauern (mitterweile) im Griff zu haben, so dass meine ganze Heckpanzerung überflüssig ist. Aber ich wollte es halt etwas erschweren, über die Sandblechhalter hoch aufs Dach klettern zu können.

Mercedes 711D an der Fähre im Hafen Tunis

Mercedes 711D an der Fähre im Hafen Tunis

Wohnmobil nicht ausgetragen

Wie sich bei einer nochmaligen Kontrolle der Papiere herausstellt, haben wir vergessen, das Wohnmobil aus den Pässen austragen zu lassen. Ich dachte, der Zoll kommt noch, aber wir müssen selbst zum Zoll und dort die „Carte Grise“, also einen Zettel für die temporäre Fahrzeugeinfuhr abgeben und den Pass freistempeln lassen. Und natürlich muss man dazu das Fahrzeug vorführen. Also wieder raus aus der Fährschlange.

Auch hier fährt der Steyr voran, navigiert uns durch die labyrinthischen Gassen im Hafen und ist eine unschätzbare Hilfe für meine Jungs, die ihm alles nachmachen und so auch ohne französische Sprachkenntnisse die richtigen Zettel und Stempel von den richtigen Leuten kriegen. Dabei sind die Zollhallen völlig überfüllt mit Tunesiern, die jede einzelne Tüte auspacken und vor das Auto legen müssen. Die werden scheinbar ganz schön schikaniert, während unser Problem eigentlich nur darin besteht, den richtigen Ansprechpartner zu finden.

Zollhof bei der Ausreise aus Tunesien

Zollhof bei der Ausreise aus Tunesien

Letzte Kontrolle auf der Fähre

Erst 22:30 Uhr sind wir zurück in der Warteschlange an der Fähre, nur eben nun an letzter Position. Dazu wird es bis zur planmäßigen Abfahrt der Fähre um 23:00 Uhr nun auch zeitlich langsam knapp. Befürchte schon, dass die uns gar nicht mehr mitnehmen. 23:15 Uhr werden wir aber als die Drittletzten aufs Schiff gewunken.

Letzte Meter vor der Fähre im Hafen Tunis

Letzte Meter vor der Fähre im Hafen Tunis

Auf der Rampe zur Fähre wird das ganze Wohnmobil noch einmal von den Fährleuten kontrolliert. Vor allem suchen die Migranten und freuen sich daran, dass wir ihre Arbeit mit dem Aufstiegsschutz unterstützen. Die Fähre legt am Ende eine halbe Stunde später ab und wir haben noch genug Platz auf dem Schiff.

2330 Uhr steht der Mercedes 711D in Tunis auf der Fähre

2330 Uhr steht der Mercedes 711D in Tunis auf der Fähre

Fährüberfahrt von Tunis nach Genua

Kurz bevor das Fahrzeugdeck schließt, raffen wir alles zusammen. Die Jungs helfen mir, und es gibt zum Glück eine Rolltreppe. Aber ich muss noch eine Etage hoch und dann einen endlosen Gang langhüpfen, um in unsere Kabine zu kommen. Bin danach fix und fertig, denn ich hab nach meinem Unfall ja nur ein Bein zur Verfügung und weder Krücken noch Rollstuhl. Kann mich zwar bei den Jungs festhalten, aber anstrengend ist es trotzdem.

Die Nacht in den Doppelstockbetten unserer Innenkabine ist dann schon recht ruhig, nur das Klo pfeift so komisch. Da ist die Spülung kaputt und rauscht immer. Ist echt ein unangenehmes Geräusch. Mit Spülen kann man das zwar kurz beseitigen, aber irgendwann kommt das wieder. Dafür wissen wir jetzt, wie man die Klimaanlage reguliert. Egal, wir schlafen bis um 10:00 Uhr und ich bleibe auch danach noch in der Kabine.

Die Jungs sind ab und zu mal draußen, aber für mich ist der Weg hoch in die Aufenthaltsräume oder auf Deck schlichtweg zu weit und zu anstrengend. Massenhaft Treppen und ewige Flure muss ich mit unfallbedingt gebrochenem Fuß echt nicht haben.

Außerdem besteht immer die Gefahr, dass die Türkarten nicht mehr gehen und wir nicht mehr reinkommen, denn ich habe ja am Late-Check-out gespart. Dafür liegt die Fähre von Tunis nach Genua ganz ruhig auf dem Meer und insofern gibt es zumindest diesbezüglich nichts zu meckern.

GNV-Fähre von Tunis nach Genua Italien

GNV-Fähre von Tunis nach Genua Italien

Nach dem letzten Spaziergang um 21:00 Uhr kommen die Jungs zurück und berichten, dass man viel früher als erwartet die Küste sieht und wir die Kabine verlassen sollen. Also packen wir alles zusammen, machen uns fein und gehen hoch in die Zentrale.

Ist natürlich wieder eine ewig lange Strecke auf den Gängen und über die Treppen. Bin echt froh, dass ich um 21:30 Uhr wieder sitzen kann und frage mal nach einem Rollstuhl. Aber entweder die verstehen mich nicht oder haben keinen.

GNV-Fähre vor Genua Italien

GNV-Fähre vor Genua Italien

Übernachtung im Hafen Genua

Als wir aber nach einer Stunde aufs Fahrzeugdeck sollen, stellen die Schiffsleute extra für uns bzw. für mich die Rolltreppen aufs Deck 3 an, sodass ich nicht durchs Treppenhaus muss. Unten ist schon voller Betrieb. Wir sind ja als drittletztes Auto reingefahren, wenden im Heck und fahren genau um 22:48 Uhr als Dritte von der Fähre.

2248 Uhr Ausfahrt aus der Fähre Tunis-Genua

22:48 Uhr Ausfahrt aus der Fähre Tunis-Genua

Das war schon mal ein cooler Move. Bei der Abfertigung durch den italienischen Zoll werden wir nur nach Zigaretten gefragt und können direkt hinter einem tschechischen Dakar-Truck den Fährbereich verlassen. Allerdings bleiben wir im geschlossenen Hafengelände und finden zwischen den ganzen LKWs einen Stellplatz unter einer Brücke.

Übernachtung mit Mercedes 711D im Hafen Genua

Übernachtung mit Mercedes 711D im Hafen Genua

Dann haben die Jungs Hunger und kochen was, sodass wir erst 1 Uhr ins Bett gehen.

Sidi Bou Said – Karthago – Tunis La Goulette – Fähre – Genua | 22 km | 2.380 km

Für dich vielleicht ebenfalls interessant …

4 Antworten

  1. Christian sagt:

    Muss zu meiner Schande gestehen, dass wir noch nie in dieser Gegend unterwegs waren. Der Gedanke, dass junge Männer wirklich alles versuchen, um nach Europa zu kommen, erschreckt mich auch ein wenig. Es gehört schon viel dazu, zu versuchen, so einen dicken Steyr zu entern. Und das Dornengestrüpp am 711 spricht Bände…
    Ganz ehrlich, auf solche Erfahrungen habe ich gar keine Lust. Klar, wenn es ohne Schlepper und Schlauchboot klappen kann, ist die Versuchung vermutlich groß. Denn in Europa fließen Milch und Honig. Viele junge Migranten treffe ich dann bei meiner Arbeit in der Psychiatrie – verzweifelt, völlig allein und teilweise hochaggressiv. Menschen, die jedes Risiko eingegangen sind, um nach Deutschland zu kommen. Seltsam, dieses Gerücht vom wirtschaftlichen Paradies hält sich wacker, viele haben wirklich geglaubt, in Europa sofort durchstarten zu können. Ohne Sprachkenntnisse, ohne Ausbildung und manchmal auch ohne Skrupel.
    Vermutlich werde ich diese Länder nicht bereisen, allein unsere Möglichkeit, da mit dicken Womos aufzutauchen, entfacht doch bei den Menschen immer wieder die Sehnsucht nach dem europäischen Reichtum. Klar, das soll nicht bedeuten, dass man nicht ferne und wirtschaftlich mäßig begüterte Länder bereisen sollte, die Maghreb-Ecke scheint aber bezüglich der Migration besonders problematisch zu sein.

    • Tom sagt:

      Das Armutsgefälle ist eigentlich gar nicht so das Problem. Also in dem Sinne nicht, dass man nun mit einen bestimmten Fahrzeug mehr reich oder weniger reich wäre. Man hat dort als bettelarmer Student zu Fuß genau dieselben Probleme. Wahrscheinlich sogar noch mehr, weil Achtung und Respekt fehlen. Aber jedem Reisenden sollte halt klar sein, dass bestimmte Länder durchaus nervig sein können. Gibt ja nicht umsonst viele angebliche Weltreisende, die groß gestartet sind und dann z. B. in Marokko aufgegeben haben. Also wer sich Afrika in voller Breite antut, hat meinen vollsten Respekt.

  2. Peter sagt:

    Hallo Christian,
    weshalb zu deiner Schande gestehen?
    Gestehen musst du überhaupt gar nichts. Und überall hin reisen müssen wir auch nicht.
    Es ist nüchtern gesehen ein Privileg, reisen zu können und dürfen, bzw. die Möglichkeiten dieses zu tun, und zu können.
    Daher kann ich auch nicht verstehen wie jemand mit vollaufgerüstetem High-Tech XXX Allrad und Kram durch Länder ballert.
    Ich bin mir während eines Tansania Urlaub, begleitet durch zwei tolle einheimische Afrikaner, Reiseführer und Fahrer, wie die Made im Speck vorgekommen, wenn Menschen mit Plastikkanistern auf dem Kopf zwei Stunden laufen mussten um Wasser zu holen, und wir mit Fresspaket und Wasser satt, im Auto saßen.
    Was du von deiner Arbeit erzählst ist leider wahr.
    Und im eigenen Land gibt es auch so viele Menschen die durch schreckliche Erlebnisse traumatische Störungen davon getragen haben.

    Also Reisen und Verreisen ist vollkommen okay, aber wir sollten es bewusst tun und uns bewusst sein dass es Menschen gibt die das nicht können.

    Ich hoffe das kommt jetzt nicht so schräg rüber, irgendwie musste ich das jetzt schreiben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert