Griechischer Reiseverführer: Athos, Chalkidikí und Thessaloníki
Sitze an unserem griechischen Traumstrand. Die Kinder buddeln im Sand, die Sonne scheint und das Meer rauscht. Der ideale Zeitpunkt, um neben der Wahrnehmung elterlicher Aufsichtspflichten ein bisschen erweiterte Reiseplanung zu betreiben. Mit dem Reiseführer Chalkidikí und Thessaloníki von Klaus Bötig.
Eine kenntnisreiche Sicht auf Athos, Chalkidikí und Thessaloníki
Griechenland ist schön. Griechenland ist groß. Kein Wunder, dass es mittlerweile für jede Region spezifische Reiseführer gibt. Dazu noch Unmengen Informationen im Internet. Eigentlich ist mir das alles zu viel. Ein guter Reiseführer hilft mir da immer, auch an Informationen zu kommen, nach denen ich im Internet nicht suchen und die ich nur mit Karte und Glück nicht finden würde. Und so ist der Reiseführer Chalkidikí und Thessaloníki eine echte Hilfe bei der Reisevorbereitung.
Der Reiseführer von Klaus Bötig aber hat mir nicht nur gefallen, sondern war für mich die entscheidende Triebkraft, gerade auf die Halbinsel Chalkidikí zu fahren. Und je mehr ich jetzt mit der Ruhe eines am Strand sitzenden, unbeschäftigten Vaters von spatenschwingenden Kindern in dem Buch lese, umso besser gefällt es mir.
Klaus Bötig macht sich irgendwie nicht zum Verräter an geheimen Plätzen und schönen Tavernen. Er nimmt den Leser mit und führt ihn fast schon ganz privat an die schönsten Stellen. Ohne aufdringlich zu sein, ohne das Land zu verraten, ohne auf eine möglichst große Leserschaft zu schielen. Der einzige Kritikpunkt ist eigentlich die Aufmachung mit einem Foto aus Karyes auf Athos, dass man als normaler Urlauber ja nun gerade nicht so einfach besuchen kann.
Dieser Reiseführer ist tatsächlich erfrischend anders. Zum ersten Mal lese ich sogar die Restauranttipps, die ich sonst routinemäßig überblättere. Wozu schließlich habe ich eine Küche im Bus? Ich weiß nicht, ob es einfach nur weniger Restaurants gibt, aber die üblichen, langatmigen Aufzählungen von Genusstempeln sind hier kurz und knapp gehalten. Zudem habe ich nicht den Eindruck, dass das alles nur aus den griechischen gelben Seiten abkopiert ist. Der Autor scheint wirklich überall schon mal gesessen und von allem gekostet zu haben.
Und so tut Klaus Bötig das, was ich von einem ausgewiesenen Kenner des Landes und professionellen Reiseliteraten erwarte: Er bringt Ordnung in den Informationsdschungel. Er empfiehlt, leitet an und motiviert. Auf jeder Seite spürt man die Begeisterung für Griechenland im Allgemeinen und Chalkidikí im Besonderen. Und sogar die Empfehlungen nehme ich ernst. Auch wenn ich weiß, dass wahrscheinlich tausende andere Leser das Gleiche denken und machen. Aber es sei ihnen gegönnt. Irgendwie schafft es der Autor, dass sich der Reiseführer liest wie ein Gespräch unter Freunden.
Selbst die übliche Einleitung mit Wissenswertem zum Land liest sich nicht wie der hundertste Aufwasch aus Wikipedia. Auch hier steckt viel persönliches Wissen und vernetztes Denken dahinter. Fakten werden neu eingeordnet und vermischt mit kleinen Geschichten und persönlichen Episoden präsentiert. Schon erstaunlich, dass selbst dieser sonst eher langweilige Teil gut zu lesen ist.
Vielleicht ist es aber auch der Mut zur Lücke, der den Reiseführer auszeichnet. Denn was interessiert mich denn die Fülle an Restaurants in Thessaloníki. Viel besser ist ein kurzes Erlebnis des recht umtriebigen Autors, eine amüsante Episode, ein Café mit der besonderen Aussicht.
Auch die beigefügte Faltkarte ist wertvoll und genau genug, um die griechische Dreifingerhalbinsel zu erkunden. Dazu kommen gute Beschreibungen aller Klöster auf Athos. Selbst einige große Pisten durch die griechischen Berge sind eingezeichnet.
Eine kritische Sicht auf Chalkidikí und Thessaloníki
Der Reiseführer beschönigt nichts, sondern erlaubt sich auch deutliche Kritik. So wie die Beschreibung der Minuspunkte von Thessaloniki: „Die Mitarbeiter der Touristeninformation sind katastrophal desinteressiert und uninformiert, Veranstaltungskalender erscheinen nur auf griechisch“ (Seite 208).
Ja, diese schonungslose Offenheit und die leicht ironische Art des Autors mag ich. Sehr amüsant. Sehr authentisch. Köstlich auch die Beschreibung der Höhle von Petrálona: „Wenn Sie in ihrem Leben schon eine Tropfsteinhöhle gesehen haben, verzichten Sie ruhig auf ihren Besuch.[…] auch das angeschlossene Museum ist bestenfalls kurios.“ (S. 196) Ich sehe schon, da muss ich unbedingt hin.
Irgendwie hat der Autor bei mir sogar den Ehrgeiz geweckt, den (angeblich) lustigsten Wirt der Halbinsel aufzusuchen und zu überprüfen, ob er auch wirklich das Foto auf Seite 197 gern signiert. Oder ob ihn langsam die vielen deutschen Touristen mit dem Reiseführer und der immergleichen Frage nach einem Autogramm nerven. Aber gut, das geht dann vielleicht doch zu weit.
Sich über ein Land oder bestimmte Eigenheiten lustig zu machen, ist ein Privileg der Eingeborenen. Oder derjenigen, die fast dazu gehören. Klaus Bötig scheint so einer zu sein. Gut, das Gejammer über die Abrechnung der Mietwagenkosten hätte Klaus Bötig sich schenken können. Es ist eigentlich überall so, dass man einen Mietwagen mit vollem Tank bekommt und mit vollem Tank zurück gibt. Aber gut, wo gehobelt wird, da fallen auch Späne.
Der Reiseführer ist benutzerfreundlich und durchdacht
Besonders benutzerfreundlich ist, dass neben jedem Ortsnamen der Quadrant auf der beigefügten Karte steht. Das ist gerade für Querleser wie mich wichtig. Wenn der Autor also mit irgendeiner Attraktion, einer Episode oder einem Foto mein Interesse geweckt hat, kann ich den Ort schnell lokalisieren. Allerdings hätte der Verlag auch die praktische Umschlagkarte mit diesem Raster versehen können. Das macht nicht viel Arbeit und würde ungemein helfen, wenn die große Faltkarte mal wieder irgendwo anders liegt.
Wirklich toll gemacht, Klaus Bötig. Von mir gibt es für diesen Reiseführer 5 Sterne. [Erst recht nach dem Test mit dem schönsten Strand von Sithonia.] Jetzt aber muss ich das Buch zuklappen, das Handy weglegen und meinen Kindern beim Buddeln helfen. Denn die haben sich mit einem Kanal quer über den Strand ganz schön was vorgenommen.
- Getestet und gelesen ist der Reiseführer Chalkidikí & Thessaloníki von Klaus Bötig (DuMont, 4. Aufl. 2017): Klick
- 2022 ist der Autor mit seinem Reiseführer in den Marco-Polo-Verlag gewechselt: Klick