Tunesien: Table de Jugurtha – Letzte Festung der Vandalen
Der Table de Jugurtha ist ein markanter Tafelberg und bedeutsam, weil hier 534 die letzten „deutschen“ Vandalen vor den Römern kapituliert haben.
Mittag am Checkpoint
Nach dem Besuch im Hammam Mellegue frage ich die Polizisten für die nächste Reisestation nach dem Tafelberg Table de Jugurtha und denke mir schon, dass die so einen Umweg an die algerische Grenze garantiert nicht mitmachen. Aber erstaunlicherweise ist diese Sonderfahrt gar kein Problem. Also fährt nun schon die zweite Besatzung voraus. Diesmal bis zu einem militärisch gesicherten Checkpoint an der Fernstraße RN5.
Vor irgendwas scheint die tunesische Armee Angst zu haben. Selbst das MG-Nest ist besetzt.
Alle Autos werden angehalten und die Fahrer befragt. Hier will unsere Eskorte scheinbar Mittag machen. Um alle Unklarheiten zu beseitigen, gehe ich raus und frage den Chef. Natürlich leicht zu erkennen an seiner zentralen Position und der respektheischenden weißen Mütze.
Wir vereinbaren eine halbe Stunde Pause und so kochen wir schnell Bratkartoffeln mit Ei. Da wir Kartoffeln, Zwiebeln und Knoblauch gemeinsam und auf Tempo schnippeln, können wir sogar essen, bevor es wieder losgeht.
Begleitetes Rasen zum Table de Jugurtha
Die dritte Eskorte im kleinen Kia will es dann wissen und bringt uns mit Höchstgeschwindigkeit zum Table de Jugurtha. Wenn ich berghoch nicht immer absacken würde, wären wir bestimmt noch schneller unterwegs.
Da ist der 1271 m hohe Tafelberg meiner Begierde doch schon. Eigentlich wollte ich hier schöne Pisten erkunden, die Reste der alten Vandalenfestung suchen, den Sonnenuntergang vom Gipfel aus fotografieren und schließlich irgendwo da oben schön einsam übernachten.
Geschützt zum Table de Jugurtha
Aber ich hab meinen Reiseplan ohne die Nationalgarde gemacht. Der Kia bringt uns zwar nicht ganz bis hoch auf den Table de Jugurtha, sondern nur bis zu einer Polizeisperre an dessen Fuß in Kalaat Sinan. Aber dort übernimmt die 4. Eskorte, diesmal ein bis auf den verlorenen (oder rausgerissenen?) Heckschutz voll vergitterter Toyota Hiace mit drei Mann Besatzung.
Der trägt das erste Mal eine lesbare Beschriftung (Garde Nationale) und mir fällt auf, dass das ja gar keine normalen Polizisten sind, sondern Nationalgardisten, also (Para-) Militärs. Amüsiere mich dennoch darüber, dass unser Bus bis auf die Frontscheibe auch ein geschützter Mannschaftstransporter ist und wir auch drei Mann Besatzung haben, aber nur mit Lexan- bzw. Makrolonscheiben statt Gittern geschützt sind.
Solche Gitter sehen zwar martialisch aus, aber man unterschätzt die Robustheit der 8 mm dicken Makrolonscheiben. Nach 30 Jahren sind unsere alten Lexanscheiben zwar blind geworden, aber ich habe es im Test nicht geschafft, eine der Scheiben irgendwie zu zerstören. Also außer mit der Handkreissäge natürlich. Wenn jedenfalls die neuen, ebenfalls geschützten Polycarbonat-Scheiben von Solarplexius genauso lange halten, bin ich vollstens zufrieden.
Nur ist der ausgebaute Mercedes 711 Fensterbus bergauf wesentlich lahmer als der leere Hiace. Brauchen also eine Weile, bis wir oben sind. Im Satellitenbild von (angeblich) 2025 ist die Anfahrt noch Piste, tatsächlich aber ist die ganze Straße bis zum obersten Parkplatz am Table de Jugurtha allerfeinstens asphaltiert. Dennoch stellt sich meine Stellplatzidee vor Ort schon mal als prinzipiell brauchbar heraus.
Nur leider wird mein Übernachtungswunsch am Fuß des Table de Jugurtha von den Polizisten rundweg abgelehnt, weil das viel zu gefährlich sei. Ich kann mir das nicht vorstellen und versuche noch ein bisschen zu verhandeln. Aber die wollen uns in der Nacht wirklich im Blick behalten.
Besichtigung der alten Numider- und Vandalenfestung
Naja, was soll‘s. Wenigstens handle ich eine Stunde für die Besichtigung aus, während die Jungs schon verschwunden sind. Laufe dann die Treppen hoch auf den Table de Jugurtha. Laufen ist ernst gemeint. Ich muss rennen, um die Jungs wieder einzukriegen.
Mit den steilen Felswänden und der großen, ebenen Fläche war der Tafelberg schon lange vor Christus die letzte Bastion des Numiderkönigs Jugurtha, der hier 105 vor Christus von den Römern gefangen genommen wurde (Reiseführer Tunesien, Reise-Know-How, Seite 179). Und wie es sich für eine Festung gehört, ist ein Teil des Plateaus völlig unterhöhlt.
Scheinbar war dieser ausgehöhlte Tafelberg als Rückzugsort sehr beliebt, denn auch unsere guten alten ostgermanischen Vandalen, die sich unter Geiserich ab 430 nach Christus in Tunesien breit gemacht hatten, wählten den Table de Jugurtha als ihre letzte Rückzugsstätte. Erst 534 fiel diese letzte Vandalenfestung an die Römer (S. 402).
Heute halten die Leute auf dem Tafelberg Schafe und scheinen den Spuren nach nachts oder bei schlechtem Wetter in den Höhlen zu übernachten. Sind die Schafe vielleicht eine Gefahr für die Touristen? Könnte ja sein, dass die nachts zu Wölfen mutieren.
Ansonsten steht oben auf dem recht kahlen Plateau nur ein Marabout. Sicherlich gibt es noch mehr archäologische Artefakte, aber dafür ist leider keine Zeit.
Wir finden nur einige in den Felsen gehauene Zisternen zur Versorgung der Vandalenfestung. Voller Wasser, aber auch voller ekliger Wasserpflanzen. Daraus hat schon lange keiner mehr getrunken.
Aussicht von Jugurthas Tafelberg
Auch die Aussicht ist super, aber die uns zugestandene Zeit reicht kaum, um mal auf die andere Seite zu gehen, geschweige denn den Tafelberg vollständig zu umrunden. Diese polizeiliche Bevormundung nervt mich schon.
Gehen also nur bis zur anderen Seite und schauen mal runter.
Dann müssen wir auch schon wieder zurück, denn versprochen ist versprochen und wird nicht gebrochen. Von oben kann ich nicht nur meine schöne neue Solaranlage mal aus einer ganz neuen Perspektive angucken, sondern sehe auch, wie sich unten die 3 Nationalgardisten der vierten Eskorte langweilen. Und man sieht hier auch schon meine fatale Angewohnheit, zur Horizonterweiterung auch riskante Manöver über steilen Felswänden durchzuführen.
Polizeischutz als Geschäftsmodell?
Mir tun die Paramilitärs wirklich schon fast leid. Ist ja auch ein blöder Job, die ganze Zeit da rumzustehen und zu warten. Aber so viele Touristen mit eigenen Fahrzeugen scheint es hier nicht zu geben, denn sonst könnte sich Tunesien diesen Aufwand nicht leisten oder würde sich diese persönlichen Führer wie Algerien bezahlen lassen. Aber Tunesien setzt voll auf Tourismus, da fällt die Rundumbetreuung für ein paar Wohnmobile in diesem Gebiet mit ab.
Also noch, denn irgendwann werden die Tunesier auf den Trichter kommen, dass sich so mit einer ansonsten unproduktiven Nationalgarde auch Geld verdienen lässt. Erst macht man eine Gegend zum Sperrgebiet und dann verlangt man Gebühren für Permits und polizeiliche Betreuung. Das ist sogar eine Win-Win-Situation, denn Touristen wie ich finden gesperrte, exotische Gebiete typischerweise besonders reizvoll und mit Scheinschutz kribbelt das Abenteuer zwar immer noch, fühlt sich aber besser an. Dafür zahlt man natürlich gern.
Jedenfalls sind wir pünktlich unten und die drei bringen uns wieder runter zum Checkpoint. Es scheint sich rumgesprochen zu haben, dass ich oben am Tafelberg Jugurtha übernachten wollte, und der Chef würde mir diesen Wunsch unter Beistellung einiger Bewacher jetzt sogar erfüllen. Aber es ist mir ehrlich gesagt unangenehm, wenn sich ein paar Leute von der Nationalgarde wegen meiner Sonderwünsche die Nacht um die Ohren schlagen müssen.
Zudem sind wir durch die Hetzerei im Hammam Mellegue, auf der Anfahrt und bei der Besichtigung gegenüber meinem Reiseplan viel zu zeitig und ich werde ja hier jetzt nicht fünf Stunden auf den Sonnenuntergang warten.
So nehme ich den Willen für die Tat, verteile zum Dank Toffifee und gebe das Zeichen für den Aufbruch zum Kasserine-Pass. Da allerdings zucken die Nationalgardisten zusammen und gucken ganz konsterniert. Und ich frage mich, wovor die Militärs Angst haben. Die Sorge um uns wird es ja nicht sein.
Hammam Mellegue – Gare Mhamid – Table de Jugurtha, 80 km | Tunesien
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