Tunesien: Die Krux im Camp Mides

Der Tag auf dem Camp am Mides Family Resto beginnt mit dem Sonnenaufgang und endet mit dem Sonnenuntergang. Mehr ist da nicht.

Leben auf dem Camp Mides

Leben auf dem Camp Mides

Weichenstellung für die Rückfahrt

Es ist schon einmal gut, wenn ich nachts eine Position finde, in der ich mit Arm und Bein in Gips wenigstens halbwegs schmerzfrei liegen kann. Und so schlafe ich tatsächlich 10 Stunden komplett durch und mache 7:30 Uhr das erste Mal die Augen auf. Die Ansprüche werden eben geringer. Trotzdem muss ich langsam nach vorn schauen. Quäle mich also auf den Fahrersitz und probiere mal ein bisschen. Aber es ist aussichtslos, mit dem linken gebrochenen Fuß die Kupplung oder mit der rechten gebrochenen Hand die Schaltung zu bedienen.

Noch sträube ich mich aber, die gestrigen Angebote von tunesischer Seite anzunehmen und uns von der Nationalgarde nach Tunis oder gar in die Wüste fahren zu lassen. Der ADAC ist für mich irgendwie auch keine Option, denn das produziert nur riesige Kosten, die ja irgendjemand bezahlen muss. Nee, das ist was für echte Notfälle.

Stattdessen will ich den Ball flach halten und setze auf heimreisende Wüstenfahrer, die den Bus en passant nach Tunis zur Fähre mitnehmen könnten. Frage also mal bei den BusFreaks, im Allrad-LKW-Forum und im Wüstenschiff nach, ob da jemand zufällig auf der Heimreise ist und einen Fahrer frei hat.

App statt Abwechslung

Ist zwar schade, dass wir jetzt trotz der Vorbereitungen nicht in die Wüste können, aber ich will nicht meckern. Hätte ja nicht in die Schlucht springen müssen. Und so sitze ich im Prinzip glücklich und zufrieden an der offenen Schiebetür und beobachte das Wetter. Denke schon fast, dass es regnen könnte, aber das tut es natürlich nicht.

Ist sogar recht kühl heute. Muss mir eine Decke über die Beine hängen und den Heizlüfter ein bisschen da drunter pusten lassen. Allerdings schlafen die Jungs noch und ich komme zwar gerade so an die Steckdosen der hinter dem Fahrersitz eingebauten Runhood Powerbox, aber nicht an die Anzeige mit dem Akkustand. Da fällt mir ein, dass unser Solarakku ja Bluetooth und WLAN hat und ich das kleine Kraftwerk ja irgendwie mit dem Handy überwachen könnte.

Jetzt zahlt sich aus, dass uns der gastfreundliche Inhaber vom Mides Family Resto extra dicht an sein Restaurant gelotst hat, damit wir WLAN haben. Wollte das schon großzügig ablehnen, merke aber jetzt die Vorteile. Jedenfalls lade ich mir die Runhood App runter, verbinde mein Handy über das Restaurant-WLAN mit der Akkubox und hab endlich bisschen was zum Spielen.

Wlan-Verbindung der Runhood Solarbox

Wlan-Verbindung der Runhood Solarbox

Die App ist aber einfach und übersichtlich und Strom ist auch genug da, also hält die Beschäftigung nicht lange an. Manno, es ist ja schon 10:29 Uhr und die Jungs sind immer noch im Aufstelldach. Klar, da oben ist es frisch, da oben gibt es Aussicht und da oben ist eine halbe Bibliothek aufgestapelt. Aber jetzt ist Schluss, jetzt wird für den armen Vater Frühstück gemacht.

Dann sitze ich wieder da und langweile mich. Hab zwar freie Sicht über die Oase zu den Schluchten und das große Fernglas dabei, aber bis auf eine geführte Geländewagentour ist dort auch nicht viel los.

Geländewagentour in der Bergoase Mides Tunesien

Geländewagentour in der Bergoase Mides Tunesien

Zum Glück haben die Jungs bergeweise Bücher mit und können sich zu zweit echt gut beschäftigen. Was sie aber überhaupt nicht brauchen, sind meine Vorschläge und Tipps, was sie so machen könnten. Und so darf / kann / muss ich mich um nichts kümmern und konzentriere mich auf meine Blitzheilung. Denn wenn ich selber fahren könnte, wäre das doch am besten.

Mein schweres Brot mit dem Essen

Mittags kriegen wir unbestellt Reissuppe mit Brot. Und auch wenn mir die ganze Bedienung eigentlich unangenehm ist, haben wir uns mit der überbordenden Gastfreundschaft und Fürsorge von Seiten des Restaurants arrangiert. Selbst mir schmeckt das tunesische Restaurantessen, obwohl ich sonst nicht so der experimentelle Typ bin.

Hab nämlich mal ein paar Wochen unter Berbern gelebt und da war das Essen immer eine Katastrophe, weil ich gebratenes Fleisch eklig finde, jedes Mäkeln aber eine schwere Beleidigung des Gastgebers ist. Musste mich also immer winden wie eine Schlange, damit nicht extra ein Hammel geschlachtet und dann wegen Bratenverweigerung der Hausfrieden zerstört wird. Den Sandleuten fehlt eben völlig das Verständnis, dass zumindest mir trockenes Berberbrot am besten schmeckt.

Salah ist da zum Glück nicht so. Und da wir im Bus essen, fällt es nicht auf, wenn wir familienintern die Bestandteile des Mittagessens nach Gutdünken verteilen. Das ist nämlich das Beste an einer großen Familie, dass es immer jemanden gibt, der das mag, was man selber auf gar keinen Fall leiden kann. Und umgekehrt natürlich.

Trotzdem bestelle ich nichts, da Salah schon erklärt hat, von mir auf gar keinen Fall Geld anzunehmen. Das wäre eine große Schande für ihn, wenn er von einem Verletzten irgendetwas annehmen oder sich nicht richtig um ihn kümmern würde. Naja, und so versuche ich den Aufwand gering zu halten und sage ihm auch immer, dass wir alles haben. Aber das hilft natürlich überhaupt nicht gegen die tunesischen Gesetze der Gastfreundschaft und so werden wir weiter versorgt. Und ich weiß, dass Widerstand dagegen absolut sinnlos ist.

Das einzige, was wir aber wirklich brauchen, ist Trinkwasser. Aber hier in Mides gibt es kristallklares Bergoasenquellwasser, mit dem die Jungs den Bus befüllen. Wenn nicht gerade ein vertrauenswürdiger Schlauch bereit liegt, befüllen wir die Trinkwassertanks schon seit Jahren mit 10-l-Kanister und Tülle. Das macht zwar ein bisschen Arbeit, ist dafür aber äußerst flexibel und ermöglicht schon beim Befüllen eine laufende Trinkwasserkontrolle.

Sonnenuntergang in der Oase

Das war’s dann schon an Aktivitäten. Und obwohl unsere Geschichte in ganz Mides bekannt ist und sich sicherlich niemand so richtig vorstellen kann, was wir den ganzen Tag machen und wovon wir leben, hält uns Salah alle Neugierigen vom Hals. Und so haben wir vor allem viel Ruhe. Ist ja auch mal schön, den Lauf der Sonne von früh bis spät zu verfolgen und sonst nichts zu tun.

Sonnenuntergang in der Oase

Sonnenuntergang in der Oase

Am Abend kriegen wir noch mal ein Tablet mit Tee. Ansonsten sitzen wir da, unterhalten uns, spielen Skat und kochen zwischendurch auch mal was Vernünftiges.

Abendessen in der Bergoase Mides Tunesien

Abendessen in der Bergoase Mides Tunesien

Nebenbei läuft der Heizlüfter, weil mich seit meiner Rettung vom Grund des Canyons neuerdings schnell fröstelt. Ist aber super, denn so retten wir die Sonne des Tages in die kalten Abendstunden. Und da muss so wie heute noch nicht einmal direkt die Sonne scheinen. Vielleicht scheint morgen die Sonne, da kann ich ja mal den Solarertrag ein bisschen genauer beobachten. Hab ja Zeit und jetzt eine App.

 


❤️  Vielen Dank!

Ich setze ich ja auf eure Unterstützung, die mir echt viel Freude macht. Interessant und motivierend sind aber auch die persönlichen Nachrichten, die mich über PayPal und sogar mit einem handgeschriebenen Brief erreichen. Das hat was und zeigt mir abgesehen von Kommentaren überhaupt erst einmal, wer so meine Leser sind.

Ihr wisst ja, dass ich hier weder Google Analytics noch Cookies habe, die jeden von uns quer übers Internet verfolgen, aber eben auch eine gewisse Rückmeldung geben. Hätte jedenfalls nicht gedacht, dass sich (außer den üblichen Verdächtigen) überhaupt wer für solche ausufernden Reiseberichte interessiert.

Euch allen also vielen Dank für die Stärkung!

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