Wandern im Altbergbau: Betreten verboten oder auf eigene Gefahr?
Aufstehen. Anziehen, Lagerfeuer. Hartes Brot rösten, Tee trinken, Kranichen zuhören. Nebenbei Lage checken. Ein Industriegebiet mit Altbergbau nördlich voraus. Rechts oder links vorbei? Oder mittendurch?
Hmm, muss mal ein bisschen Routenplanung mit verschiedenen Karten betreiben. Der erste Handyscreenshot ist von Google Maps. Wie gewohnt außerhalb befestigter Straßen vollkommen unbrauchbar. In der Mitte folgt meine Lieblingsvariante: Apemap mit freien Karten von OpenStreetMap / Hikebikemap. Mich begeistert immer wieder, was unbezahlte Freiwillige zustande bringen, wenn jeder sein Wissen ins Internet stellt. Muss auch wieder mal ein paar Busbastelberichte schreiben, quasi als Gegenleistung. Der dritte Screenshot schließlich zeigt die kostenpflichtigen Kompasskarten, die auch unter Apemap laufen. Wie gestern schon festgestellt, sind das gute Karten, die aber im Flachland nicht von der Genauigkeit der (in OpenStreetMap fehlenden) Höhenlinien profitieren können.
Nun gut, das wusste ich schon vorher. Aber wo gehe ich denn nun lang? Ach egal, ich gehe erst mal los. Ist schon um zehn. Fremdele ein bisschen mit den breiten, zum Teil sogar asphaltierten Wegen durch die Wälder.
Viel Kleintraktorverkehr. Ja, klar. Ist Samstag. Und es gibt nach Friederike viel Arbeit im Wald. Ein Dorf. In der Kegelbahn krachen alle Neune. Ja, klar. Ist Samstag. Dann die Gabelung. Ich entscheide spontan für links. Also erstmal über die Autobahn.
Die Zivilisation wird dichter. Bahnstrecken kreuz und quer.
Die Reste neben den Gleisen zeigen, was hier so transportiert wird. Industrie halt.
Laufe 5 km direkt neben den Gleisen auf dem Kabelkanal. In einer Stunde nur ein Zug von vorn, ein Zug von hinten. Beide fast leer.
Erstaunlich, wie leise die Züge sind. Und jetzt weiß ich auch, warum hunderte Gummilappen auf dem Bahndamm herumliegen. Damit werden die Gleise schalltechnisch von den Schwellen entkoppelt. Weiter. Ich peile ja die nächste Brücke an.
Hab keinen Bock, ständig durch irgendwelche Flüsse zu waten. Wobei der hier ja eher wie ein gefluteter Panzergraben aussieht. Da würde ich mit Waten wohl nicht durchkommen.
Brücke, Feld, Straße. Und endlich wieder Wald. Beziehungsweise das, was nach dem Sturm Friederike davon übrig ist.
Dazwischen immer wieder bemooste Freiflächen.
Altbergbau. Was denn nun, „Betreten verboten“ oder „Benutzung auf eigene Gefahr“? Ich entscheide mich für das rechte Schild. Benutzung auf eigene Gefahr also.
Ein auf keiner Karte eingezeichneter See. Umgeben von Moor und Schilf. Bloß nicht einsinken.
Oh, das ist ja gar kein Trampelpfad. Sondern eine Wildschweinfährte. Natürlich quer durchs Moor. Ob das trägt?
Der Boden im Altbergbau trägt. Doch dummerweise sind die Viecher recht flach. Unten herum ist auf den Wildwechseln ein schönes Lichtraumprofil gebrochen. Ab Beckenhöhe kreuz und quer Äste. Na, muss ich halt durchbrechen. Senkt etwas den Schnitt.
Wieder eine alte Bahnlinie. Hier ist aber schon ewig kein Zug mehr gefahren.
Quer über die Straße und wieder in den Wald. So ein Mist. Ein Fluss, der nirgendwo eingezeichnet ist. Eher ein Bach. Na ja, irgend so ein komisches Mittelding. Zu breit zum Springen, zu tief zum Waten. Nur Bäumchen am Ufer.
Vielleicht mal hier versuchen. Aber das Springen auf den Steilhang gegenüber ist mir bei dem Frost zu riskant. Richtig lange, stabile Stöcke gibt es auch nicht. Überall nur morsches Zeug. Ein Seil würde helfen, aber das ist zu Hause.
Wieder zurück ans Ufer. Weiter am Bach lang. Plötzlich eine anthropogene Querung. Also Brücke. Hätte ich ja gleich auf der Straße bleiben können. Nun gut. Drüber und wieder in den Wald. Quer durch. Nach Karte liegt fast direkt hinter dem Wald ein Supermarkt. Hab plötzlich unglaublichen Durst auf irgendein sprudliges Getränk. Auf Obst. Joghurt. Nicht immer nur trocken Brot und Tee. Also durch die historische Siedlungsrandbebauung am Altbergbau. So einen „Garagenkomplex“ müsste man glatt mal unter Denkmalschutz stellen.
Supermarkt. Kaufe alles mögliche zusammen. Hatte doch ein bisschen wenig Verpflegung mitgenommen. Pause beim Bäcker. Und dann weiter, bevor ich einroste. Die große Industrievergangenheit hier ist schon lange her. Überall leere Fensterhöhlen in riesigen Anlagen. Alles liegt brach. Am Fußballplatz Kennzeichen aus der ganzen Republik. Ja, klar. Ist Samstag. Ganz schnell wird es wieder einsam. Wieder Altbergbau. Steilhänge. Wald. Abhänge. Anstiege.
Und ich bin da. An den weißen Bergen. Weißer Sand, wohin das Auge reicht. Nun gut, ziemlich zugewachsen mittlerweile. Aber schön. Und einsam.
Habe bloß nicht mehr viel Zeit. Das Bustaxi hat sich angekündigt. Also etwas schneller. Etwas direkter. Quer durch die Büsche wieder zur Autobahn. Noch 7 Kilometer. Und nur eine Stunde Zeit. Kann nicht lange nach Wolfsspuren suchen. Aber das hier sieht schon sehr danach aus.
Schon lange höre ich sonores Brummen. Wieder komische Spuren im Sand. Wer ist denn da wieder im Altbergbau unterwegs? Ja, klar. Ist Samstag.
Kann mich aber nicht lange mit der Spurensuche aufhalten. Weiter. Über die nächste Hügelkette. Zur Autobahn. Zum Treffpunkt.
Ich renne nun fast. Und trotzdem muss doch das Bustaxi tatsächlich 10 Minuten auf mich warten. Ahhh, endlich bequem sitzen. Einfach nur schön nach 3 Tagen und 75 Kilometern quer durch die Wälder. Und weiter geht’s nach Norden…