Bulgarien / Sofia: Mitten in der City, zwischen Staub und Straßenlärm

Erstaunlicherweise waren wir heute Früh die ersten Bergfreunde, die auf dem Hilfscampingplatz den Juwel 34 in Gang setzten. Auch die „Balkantour“, vier Freizeitradler mit expeditionsmäßig einheitlichen T-Shirts (Aufschrift „Balkantour ’88 – Bulgaria“), die mit dem Zug nach Sofia gefahren waren und nun weiter zum Schwarzen Meer radeln wollen, schlief noch. Schon gestern hatten sie den ganzen Tag sinnlos herumgehangen und auf einen Kumpel gewartet, der zurück nach Sofia gefahren war, um Ersatz für die schon bei Tourstart verschlissenen Reifen zu besorgen (Beule nach 20 km).

[Einer der Balkantourer sollte später einer meiner besten Freunde werden. Dieses frühe Zusammentreffen wurde uns aber erst bewusst, als wir uns schon ziemlich lange kannten. Was haben wir gelacht über die beiderseitigen Vorurteile…]

Die ersten 75 km bis Sofia vergingen im wahrsten Sinne des Wortes wie im Fluge. Die Straßenbüsche zischten nur so an uns vorbei, besonders von Borovec nach Samokov hinunter (50/13). Nach dem Plan war dies unsere letzte Abfahrt von einem tausender Pass, dem insgesamt fünfzehnten, den wir mit dem Velo bezwungen haben (davon einmal über 2000 m).

Sofia selber ist eine schön gelegene Hauptstadt. Man kann fast von überall das Vitoschagebirge mit dem 2.290 m hohen Schwarzen Berg sehen. Zum Glück kamen wir auch mit unseren kurzen Radhosen ohne Probleme in die Alexander-Newski-Kathedrale. Sie ist sehr prunkvoll, monumental und reich bebildert.

Trotzdem gefällt sie mir von außen besser, da sie mit ihren runden, vergoldeten Dächern an eine Moschee erinnert. Sofia verfügt darüber hinaus auch über ein echtes Minarett.

Alexander-Newski-Kathedrale Sofia

Alexander-Newski-Kathedrale Sofia

Das einzig Belastende in der City ist der unheimliche Trubel. Die Autos fahren wirr durcheinander, Straßenbahnen quietschen und Fußgänger hetzen in Massen vorbei. Und wir, schon mit bereits zerlaufender Butter und Schwarzbrot (!!) ausgerüstet, suchen in diesem Hexenkessel eine ruhige Ecke mit angeschlossenem Schweppes-Wurst-Laden. Dies in einer Einheit vorzufinden, ist natürlich unmöglich. Als wir wenigstens die Wurst hatten, aßen wir in einem sehr belebten, kleinen Park zu Mittag.

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Sofia mit dem Vitoschagebirge und W123

Der ganze Stress wurde ausgelöst bzw. verstärkt durch unsere vergebliche Paketsucherei. Die Mutter von A. hatte nämlich ein Paket mit dringend benötigten Ersatzreifen und verschiedenen Sachen für die bulgarischen Freunde auf den Bahnhof in Sofia geschickt, allerdings nicht rechtzeitig genug. Das stellte sich aber erst heraus, nachdem wir von Pontius zu Pilatus geschickt worden waren und A. schließlich sogar persönlich im Paketlager herumgewühlt hatte, das sich allerdings nicht im Bahnhof befand.

Wir mussten uns also ohne die fest eingeplanten Ersatzreifen selber helfen. Derart missgestimmt machte dann auch Sofia keinen Spaß mehr. So sahen wir zu, dass wir diesem schon fast orientalischen Brodem der bulgarischen Hauptstadt so schnell wie möglich entkamen. Unser Metier sind sowieso eher die Landstraßen, Gebirge und Wälder des Landes.

Der Iskardurchbruch zeigte dann immer mehr Cañoncharakter. Hier an unserem Zeltplatz  in einem steilen und engen Nebental treten die Felswände schon fotografierwürdig nahe an den Fluss heran.

1988-Osteuropa-169-iskartal-durchbruch

Iskardurchbruch

Borovec – Samokov – Sofia – Novy Iskar – Svoge (132 / 3.736 km)

[Am nächsten Tag wurde es noch besser und wir radelten zur Ledenika-Höhle.]

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