Paddeln auf der mittleren Lahn zwischen Lollar, Gießen und Dorlar
Heute geht es weiter mit dem Paddeln auf der mittleren Lahn. Weiter von Lollar stromabwärts über Gießen zur Schleuse Dorlar.
Mein Whisperlite und ich
Ein frischer Morgen auf dem Campingplatz an der Lahn. Raus aus dem Schlafsack. Kocher anwerfen. Wie ich das liebe: Dieses nasale Bläseln bei kalt geöffnetem Benzinventil. Den kurzen Boff beim Anzünden. Das unruhige Flackern der Flamme beim Vorheizen. Das pulsierende Rauschen der Düsen. Dann das sanfte Fauchen unter Vollast. Schließlich das hellrote Glühen des Brennerkopfes. Und das alles, ohne ein einziges Mal auch nur zu zucken. Nie eine Düse rausgeschraubt. Noch nie irgendwas auseinandergebaut. Seit 20 Jahren ein zuverlässiger, treuer Begleiter. Sowas liebe ich. Immer dann, wenn es drauf ankommt, nehme ich den Whisperlite mit. Meine anderen Kocher sind dagegen Spielzeug. Nur der äußere Windschutz zerknittert langsam etwas. Aber ich bin ja auch 20 Jahre älter geworden und nicht mehr ganz knitterfrei. Wir passen gut zusammen, mein Whisperlite und ich. Luxusküche ist nicht so meins.
Mein Luxus ist ein heißer Zitronentee. Zudem wurden nach der gestrigen Paddelkatastrophe nochmal Versorgungsgüter nachgeliefert. Also ein opulentes Frühstück mit frischen Sirupbrötchen. Dann Sachen packen. Und das Paddeln auf der mittleren Lahn startet.
Erstes Umtragen am Wehr Lollar
Das Wetter ist trüb, aber schön. Dunkle, gedeckte Farben. Kein übersättigtes Photoshopblaugrün. Ehrliche Fotos. Und ehrliche, historische Industriearchitektur am Wehr Lollar.
Klar, es ginge auch in Bonbonfarben. Aber so war es nicht. Es war dunkel und trüb.
Ein interessanter Strudel direkt am Ausstieg.
Das Wehr Lollar wird umgebaut und um ein Wasserkraftwerk mit Kanupass ergänzt. Fertigstellung November 2017?
Wir müssen also die Boote umtragen. Kein Problem. Ich habe ja zwei starke Jungs. Und die Schlauchkajaks sind nicht schwer. Das Wasser hinter dem Wehr ist ganz schön wild. Noch mal kontrollieren, ob die Sicherheitsausrüstung richtig sitzt: Okay, alle Bonbons sind am Mann.
Ja, diese Bonbonfronttasche war eine der Hauptgründe, warum wir ausgerechnet diese Expeditionskajakschwimmwesten haben mussten. Derart motiviert und gestärkt startet mein Vierter mit seinem Twist souverän ins wilde Wasser.
Dann ist das Ottawa dran. Ich frage mich, wer hier auf der Baustelle für die Sicherheit zuständig ist. Aber der Problemhang ist ja ordentlich mit Flatterband abgesperrt. Und man ist sowieso bald fertig.
Schöne Wildwasserstrecken zwischen Lollar und Gießen
Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich gleich über das flache Wehr Lollar gefahren. Denn am schönsten sind immer die Wildwasserstrecken. Doch es gibt auch viele ruhige Abschnitte. Das Paddeln auf der mittleren Lahn ist halt ziemlich abwechslungsreich. Hier geht es durch einen landschaftsarchitekturlehrbuchmäßig abgestuften Grüngürtel. Vor uns gleitet ein Fischreiher wie eine imperiale Raumfähre über die Lahn.
Und wieder Wildwasser. Das Ottawa macht sich trotz Gepäck ziemlich gut.
Aber das kleine Twist mit meinem Vierten zischt uns immer davon. Ein Paddelschlag und er ist weg.
Eisvogelsichtung ausgerechnet unter der Autobahnbrücke Gießen
Kurz vor Gießen wird die Lahn ruhiger. Rehe lugen aus dem Uferwald.
Und ausgerechnet unter der Autobahnbrücke Gießen sehen wir unseren zweiten Eisvogel. Wieder kein Foto. Ich glaube auch, das ist auf diese zufällige Art nicht drin. Und schon gar nicht vom Boot aus. Ohne tausender Teleobjektiv und einen Lauerposten wird da nichts. Naja, das mache ich später mal, wenn die Kinder groß sind und ich zu viel Zeit habe.
Und dann beginnt die richtige Schifffahrtstraße. Immerhin mit ordentlicher, wenn auch negativer Kilometrierung. Sogar ein richtiges Ausflugsboot dümpelt uns entgegen.
Das Paddeln durch Gießen selbst ist nun nicht so das große Naturerlebnis. Aber immerhin gibt es interessante Versuche der Uferbefestigung. Über eine vergurtete Asbesthilfsspundwand ranken leckere Brombeeren.
Und es gibt Pizza. Dank Versorgungsnachschub gestern Abend haben wir jetzt alles dabei.
Bootsgasse Gießen
Gießen zieht sich. Endlich das Wehr mit der ersehnten Bootsgasse. Benutzung auf eigene Gefahr.
Das künstliche Wildwasser macht Spaß. Aber für nochmal hat nun auch wieder keiner Lust.
Paddeln auf der mittleren Lahn zwischen Gießen und Schleuse Dorlar
Und dann kommt doch tatsächlich die Sonne raus. Es gibt Bonbonfarben frei Haus. Und eine spiegelglatte mittlere Lahn. Wir sind ganz allein.
Nach 15 km Paddeln auf der mittleren Lahn braucht mein Zehnjähriger ein Päuschen. Also die Leine raus und abschleppen.
Unterhalb von Gießen kommt ein starker Zufluss zur Lahn. Wohl vom Klärwerk. Riecht zumindest so. Und schäumt ein wenig.
Und wieder eine kleine Bootsgasse. Mein wieder ganz frischer Vierter findet Spaß daran, mit dem Twist mal vorwärts und mal rückwärts zu paddeln. Das geht wunderbar.
Auf der mittleren Lahn sehen wir dann noch zwei weitere Eisvögel. Und ein ziemlich forderndes Schwanenpaar. Wir schmeißen einige Brotstücken weit auf den Fluss und paddeln schnell davon. Ist ja ziemlich gefährlich hier auf der Lahn.
Am für uns Paddler unsichtbaren Dutenhofener See überschwimmen wir am Kilometer 0 die alte Kleinstaatsgrenze zwischen dem von 1866 bis 1944 preußischen Hessen-Nassau und dem Großherzogtum Hessen. Die Preußen zählten von der Grenze zur Quelle, die Hessen von der Grenze zur Rheinmündung. Heute ist die Lahn wieder großhessisch und die kleinpreußischen Kilometerangaben müssen ein verschämtes Minus führen.
Unverhoffte Transporthilfe am Ausstieg
Tja, und dann sind wir am Tagesziel und schleppen die Boote und die Ausrüstung zur Straße. Gar nicht so einfach, sich ohne Handy abzustimmen und abholen zu lassen. Aber wir haben noch ein bisschen Zeit. Zwei hilfsbereite Angelfreaks haben zwar den gesamten Bus voll mit Ausrüstung, schmeißen aber einfach unsere ganzen Sachen aufs Dach. Für uns ist kein Platz mehr.
Wir laufen zur nächsten Kneipe. Ziel erreicht. Wo ist nur der weiße VW-Bus? Der wird doch nicht etwa…? Nein, natürlich nicht. Wir bekommen alle Sachen ordentlich angeliefert und stapeln sie neben den Eingang. Das feine Restaurant sieht außerordentlich freundlich über unser schlammiges Paddleroutfit hinweg.
Und wie ich so nach 20 Paddelkilometern vor meinem wohlverdienten, alkoholfreien Radler sitze, bekomme ich doch tatsächlich den ersten Eisvogel vor die Linse.
Also alles in Butter. Noch einmal richtig reinhauen. Und dann kommt schon das Bustaxi und wir fahren wieder nach Hause. Es wird spät. Sehr spät. Anstrengend war es ja sowieso. Beide Kinder schlafen. Und am Montagmorgen hat mich unser Jüngster dann gefragt, wie ich es geschafft hätte, ihn in sein Hochbett mit dem Wendelaufgang zu bugsieren.
Tja, das sind halt die Geheimnisse eines fünffachen Vaters…
Hier gibt es noch die Karten und Informationen zum Paddeln auf der Lahn.