Kloster Karakalou am Athos: Wie wird man ein Heiliger?

Das Kloster Karakalou thront wie eine Ritterburg 150 m über der Ostküste von Athos und verehrt den Ex-Mönch Gideon als Heiligen.

Kloster Karakalou auf Athos

Kloster Karakalou auf Athos

Lageplan vom Kloster Karakalou auf Athos

Bin auf meiner Wanderung unterm Berg Athos vom Kloster Megistis Lavras gerade nach Norden unterwegs. Will die ganzen Klöster der Ostküste abwandern. Als nächstes ist das Kloster Karakalou dran, dem 1018 eines der kleinsten Stückchen Land auf Athos zugewiesen wurde

Lageplan vom Kloster Karakalou auf Athos

Lageplan vom Kloster Karakalou auf Athos

Arsanas Karakalou

Das Kloster Karakalou liegt genau auf der 150-m-Höhenlinie am Athos. Trotzdem hat das Kloster einen Zugang zum Meer mit einem eigenen Hafen, dem Arsanas Karakalou. Typisch ist der Festungsturm am Hafen. Scheint früher eine Menge Seeräuber ohne Respekt vor monastischen Autoritäten gegeben zu haben.

Hafenturm Arsanas Karakalou

Hafenturm Arsanas Karakalou

Vom Hafen (Arsanas) führt eine steile Piste direkt hoch zum Kloster. Das ist aber nur die Abkürzung. Gibt weiter südlich noch eine größere Serpentinenpiste nach oben.

Piste zum Kloster Karakalou

Piste zum Kloster

Ist ein schönes und fruchtbares Hügelland hier auf der flachen Ostküste des Athos.

Fruchtbares Hügelland an der Ostküste von Athos

Fruchtbares Hügelland an der Ostküste von Athos

Kloster Karakalou im Abendlicht

Komme oben an, als die Sonne genau hinter dem Kloster steht. Und der Pickup beantwortet gleich meine Frage, ob die Piste auch bergauf fahrbar wäre.

Kloster Karakalou im Abendlicht

Kloster Karakalou im Abendlicht

Sehe zuerst die östliche, dem Meer zugewandte Seite des Klosters Karakalou. In der Zeichnung also rechts. Das Kloster ist ca. 50 m breit und 70 m lang.

Lageskizze zum Kloster Karakalou mit dem Katholikon

Lageskizze zum Kloster Karakalou mit dem Katholikon

Jetzt aber schnell auf die Westseite und Fotos machen, denn da wird das Kloster Karakalou gerade schön von der Abendsonne beleuchtet. Der große Verteidigungsturm mit den imposanten Zinnen wurde erst beim Wiederaufbau 1540 vom Wojewoden des Fürstentums Moldau, Petru IV. Rareș, errichtet. Dieser Fürst Rareș hatte politisch nichts zu melden und sich daher auf die Stiftung von Kirchen und Klöstern am Fließband verlegt, darunter 1537 das Kloster Moldovița im heutigen Rumänien.

Kloster Karakalou, Nr. 11 auf Athos

Kloster Karakalou, Nr. 11 auf Athos

Die Blumen im Klostergarten sind aber etwas neueren Ursprungs.

Blumen am Kloster Karakalou

Blumen am Kloster Karakalou

Dazu gibt es neben dem Kloster Karakalou eine Menge Gemüsebeete.

Nordwestansicht des Klosters Karakalou

Nordwestansicht des Klosters Karakalou

Ansonsten ist das Kloster vor allem von Olivenhainen umgeben.

Kapelle am Kloster Karakalou

Kapelle am Kloster Karakalou

Aber ich laufe nicht wegen der Klostergärten wieder so weit weg vom Kloster Karakalou. Sondern wegen eines Renault M210, der hier auf seinen nächsten Einsatz wartet.

Feuerwehr Renault M210

Feuerwehr Renault M210

Monastischer Smalltalk am Kloster Karakalou

Brauche nach der entbehrungsreichen Wanderung unter dem Berg Athos frisches Wasser. Dabei sehe ich aus den Augenwinkeln schon den Wein.

Trinkbrunnen am Kloster Karakalou

Trinkbrunnen am Kloster Karakalou

Halte aber die Finger ruhig, denn am Kloster sitzt ein Mönch, der mich heranwinkt. Was ich hier mache. Das Kloster anschauen. Das ist aber während der Essenszeit geschlossen und er passt als nun unterbeschäftigter Koch auf. Dann will er wissen, woher ich komme, und die übliche Religionsausfragerei beginnt. Kürze das gleich mit meiner Mechanikergeschichte ab. Da wird er zugänglicher und kramt sogar ein bisschen Deutsch raus.

So sitzen wir zusammen auf einer alten Holzbank und er erzählt mir von seinen ganzen Verwandten, die in Deutschland arbeiten. Und dass er schon öfter in deutschen Gemeinden war. So quatschen wir und quatschen. Nach dem Smalltalk fasst er Zutrauen und lässt mich dann doch das Kloster angucken. Aha, da weiß ich doch gleich, wer dieses Schild am Eingang geschrieben hat. Deutsch als Klostersprache ist am Athos nämlich selten.

Rauchen verboten

Rauchen verboten

Besichtigung von Kloster Karakalou

Karakalou hat nicht nur den größten Wehrturm auf ganz Athos, sondern über dem Eingang auch eine riesige Glocke. Das finde ich recht ungewöhnlich, denn obwohl die Klöster auf dem Athos alle so heilig sind, haben die Mönche eher kleinere Glocken.

Verteidigungsturm aus 1540 mit Glocke

Verteidigungsturm aus 1540 mit Glocke

Direkt unter dem Turm ist das kleine, aber hübsche Eingangsportal mit den Aposteln Peter und Paul, denen das Kloster Karakalou geweiht ist.

Eingangsportal mit den Aposteln Peter und Paul

Eingangsportal mit den Aposteln Peter und Paul

Byzantinische Zeit

Die Uhr am Kloster Karakalou zeigt wie auf Athos üblich byzantinische Zeit. Auf meinem Handy steht 17:06, aber hier ist es schon 22:03 Uhr, weil Byzantiner die Stunden des Tages ab Sonnenuntergang zählen. Aktuell kommt 19:00 Uhr als Stunde Null hin. Also eilt die byzantinische Zeit 5 Stunden voraus. Die 3 Minuten Differenz zur byzantinischen Zeit schiebe ich mal auf Schlamperei beim Einstellen der Uhr.

Die byzantinische Uhrzeit beginnt mit Sonnenuntergang, also aktuell 5 Stunden voraus

Die byzantinische Uhrzeit beginnt mit Sonnenuntergang, also aktuell 5 Stunden voraus

Allerdings müsste man nach dieser byzantinischen Zählung jeden Tag anders beginnen lassen. Dazu hätte kaum ein Tag echte 24 Stunden. Tatsächlich wird die Uhrzeit in den einzelnen Klöstern auch unterschiedlich oft nachgestellt. Hier im Kloster Karakalou will ich nicht so viele dumme Fragen stellen, aber im Kloster Simonos Petras wird aller vier Monaten die Uhr neu gestellt.

Es soll aber auch Klöster geben, die die byzantinischen Uhren jede Woche neu stellen. Tatsächlich ist die byzantinische Zeit ganz sinnvoll, wenn man keine Uhren hat. Aber heute macht das ständige Nachstellen eine Menge Arbeit. Da wäre die Erfindung des Tages eine byzantinische Funkuhr, die sich alleine nachstellt. Und zwar jeden Tag korrekt und für alle Klöster einheitlich.

Aber so hat hier auf Athos jedes Kloster seine eigene byzantinische Zeit. Die Klöster synchronisieren sich noch nicht einmal untereinander. Und auf den Handys der Mönche läuft ohnehin die griechische Zeit. Byzantinische Zeit ist bei denen die Drinnenzeit und Handyzeit die Draußenzeit. Dazu rechnen die Mönche ja nach dem alten julianischen Kalender und sind damit zumindest zwischen 1900 und 2100 um 13 Tage hinterher.

Innenhof vom Kloster Karakalou

Der ganze Innenhof des ohnehin schon recht kleinen Klosters Karakalou wird von der Hauptkirche dominiert. Auch das Katholikon wurde erst 1540 vom Moldaufürsten Petru IV. Rareș errichtet.

Katholikon im Kloster Karakalou

Katholikon

Zwischen Kirche und dem äußeren Gebäudegürtel sind im Kloster Karakalou an manchen Stellen nur 5 m Platz.

Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen strahlt das Kloster innen eine recht liebliche Atmosphäre aus. Dazu tragen auch die insgesamt gepflegte Anlage und der blümerante Bewuchs bei. Auf das Gästehaus hab ich dennoch keinen Bock.

Gästehaus im Kloster Karakalou

Gästehaus

Im Internet steht zwar, dass das Kloster Karakalou zuletzt 1988 durch einen Brand zerstört wurde. Aber am Gebäude rechts oben ist die Jahreszahl 1889 eingemeißelt. War der letzte Brand vielleicht doch 1888?

Wiedererrichtetes Kloster Karakalou auf Athos

Wiedererrichtetes Kloster Karakallou auf Athos

Aber wie dem auch sei, das Kloster ist in einem guten baulichen Zustand.

Auch das Katholikon von Karakalou ist relativ frisch im typischen Athos-Rot gestrichen.

Katholikon im Kloster Karakalou

Katholikon

Innen lässt man das lieber. Schließlich will niemand die 500 Jahre alten Wandgemälde übertünchen.

Wandgemälde und Fresken im Kloster KarakalouWandgemälde und Fresken im Kloster Karakalou

Wandgemälde und Fresken im Kloster Karakalou

Nicht viel jünger dürften die Schlaginstrumente sein, mit denen auch im Kloster Karakalou Nachrichten an Mönche und Pilger durchgegeben werden. Meist geht es um die wichtigsten Dinge im Kloster: Beten und Essen.

Nachrichtenstation im Kloster Karakalou auf Athos

Typische Nachrichtenstation auf Athos

Wie wird man ein Heiliger?

Achtung, der nachfolgende Text zum Klosterheiligen von Karakalou enthält drastische Darstellungen von Fanatismus, Gewalt und sonstigen ekligen Dingen. Wer also unter 18 Jahre alt, moralisch unsicher oder religiös erregbar ist, sollte diesen Teil überspringen. Die Wandgemälde sehen immer so harmlos aus. Aber die Geschichten dahinter sind echt haarsträubend. Und nein, ich habe mir die Geschichte vom Heiligen Gideon nicht ausgedacht.

Wandmalereien im Kloster Karakalou

Wandmalereien mit Heiligen in Karakalou

Jedenfalls braucht jedes Kloster einen Heiligen, und jeder Heilige hat seine Geschichte. Nur war das Kloster Karakalou bei der Heiligenverteilung zu spät dran. Bis 1818 war das Kloster heiligenlos und musste dann endlich handeln.

Als potentieller Heiliger wurde der Mönch Gideon ausgewählt, der in seiner Jugend von Türken aufgezogen wurde und zum Islam konvertiert war. Dazu ist Gideon hebräisch und heißt „der Abhauende“. Scheinbar wollte man Gideon nach 35 Jahren in Karakalou sowieso loswerden, denn niemand kann widerspenstige Mitarbeiter leiden.

Also hat man den armen Gideon auf eine selbstmörderische Märtyrermission geschickt, um endlich auch in Karakalou einen Heiligen zu haben. Die Idee war, die türkischen Besatzer so zu provozieren, dass die Gideon möglichst bestialisch umbringen würden. Denn die wichtigste Voraussetzung, um ein Heiliger zu werden, ist der Märtyrertod. Diese Bedingung ist zwar weder notwendig noch hinreichend, erhöht aber die Chancen auf den begehrten Heiligenschein.

Die Apostel Petrus und Paulus im Kloster Karakalou

Die Apostel Petrus (re.) und Paulus (li.) mit Maria und dem Jesulein in Karakalou

Also trat Gideon im 1. Versuch am Gründonnerstag 1818 mit einem Kranz aus Rosen und Blumen auf dem Kopf vor seinen türkischen Ziehvater Ali und bekannte sich zu Christus. Aufgrund dieser und anderer merkwürdiger Handlungen erklärte ihn ein türkisches Gericht aber für verrückt und schickte ihn weg.

Beim 2. Versuch, ein Heiliger zu werden, trat Gideon eine muslimische Frau mit Füßen, fing sich aber auch wieder nur eine Tracht Prügel ein. Selbst wenn er sich davon drei Monate erholen musste, reicht das natürlich nicht aus, um ein Heiliger zu werden.

Beim 3. Versuch auf dem Weg zum Heiligen provozierte Gideon einen türkischen Beamten in Agria mit Reden über die Schändlichkeit des Islam, wurde aber auch wieder nur auf einen Esel gebunden und zum Spott durch die Straßen getrieben. Wer weiß, was er da alles vom Esel gerufen hat, aber Gideon von Karakalou muss die Türken so sehr um den Märtyrertod gebettelt haben, dass diese ihm am 30.12.1818 Hände und Füße abgehackt und ihn auf die Müllkippe von Tyrnavos geworfen haben.

Damit war das Ziel, ein heiliger Märtyrer zu werden, aber immer noch nicht erreicht. Um ganz sicher zu gehen, bekehrte und taufte Gideon einen Juden und gab noch 24 Stunden nach seiner Verstümmelung warmes Blut an die Schaulustigen ab, die damit ihre eigenen Wunden behandelten, anstatt ihm zu helfen. Wobei die Christen da wahrscheinlich ihre Anweisungen hatten. Denn wenn die Leute mit dem wundertätigen Blut Gideon geheilt hätten, wäre die dritte Mission, ein Heiliger zu werden, ja auch erfolglos geblieben.

Scheinbar wurde Gideon dann auch relativ schnell zum Heiligen ausgerufen. Allerdings hatte das Kloster nicht dran gedacht, dass man nicht nur einen Heiligen braucht, sondern auch Reliquien. Wieder war also das Kloster Karakalou zu spät. Vielleicht ist der leichtgläubige Abt von Karakalou selber drauf gekommen. Wahrscheinlicher aber ist, dass ihm das englische Schlitzohr Curzon diesen Floh ins Ohr gesetzt hat. Jedenfalls haben die Mönche 1837 und damit 19 Jahre nach Gideons Tod doch noch eine Hand, ein Stück vom Fuß und den Unterkiefer besorgt.

Seitdem ist das Kloster Karakalou ein richtiges Kloster und verwahrt diese Reliquien in der klösterlichen Schatzkiste. Der Kopf des Heiligen Gideon war bei dieser Leichenfledderei aber nicht mehr zu haben, denn den hat der Metropolit von Tyrnavos für seine Kirche konfisziert.

Ich mag mir das alles gar nicht vorstellen, aber so steht es geschrieben. Und das Kloster Karakalou zählt wirklich ein Stück vom Fuß, die Hand und den Unterkiefer des Heiligen Gideon zu den wichtigsten Schätzen der Reliquienkammer.

Leider ist Gideon zu einem Zeitpunkt zum Heiligen geworden, als alle Wände im Kloster schon bemalt waren. Ich hab ihn gesucht, aber den Heiligen Gideon auf den Wandmalereien und Fresken im Katholikon nicht gefunden. Aber hier wird Gideon jetzt geehrt.

Nur den Heiligenschein kriege ich auf meinem Handy nicht so richtig rund. Aber mit dem Heiligenschein bin ich mir sowieso nicht so sicher. Und an irgendwen erinnert mich Gideon auch. Ich komm nur nicht drauf.

Der Heilige Gideon von Karakalou

Abmarsch vom Kloster Karakalou

Mit der Zeit gewöhnt man sich an die religiösen Schauermärchen. Aber da sind alle Klöster voll davon. Besonders drastisch finde ich die Gewaltdarstellungen in den rumänischen Moldauklöstern. Hier am Kloster Karakalou geht es eigentlich noch.

Mein Appetit ist jedenfalls nicht verdorben und ich borge mir am Kloster Karakalou mal eine Weintraube aus. Obwohl der Wein quietschsauer ist, tut er nach dem ganzen trocken Brot dennoch gut. Lange Abendbrot will ich aber jetzt nicht machen, denn vielleicht scheint am höher gelegenen Kloster Filotheou noch die Sonne.

Infos zum 11. Kloster Karakalou

  • Offizieller Name: Heiliges Kloster Karakalou (auch Karakallou) / Ιερά Μονή Καρακάλλου
  • Klosterhierarchie von Athos: Rang 11
  • Gründung: Erste Urkunde von 1018 über die Grenzen des Klosters Karakalou
  • Zerstörungen: 13., 14. und 16. Jahrhundert durch Kreuzritter, Lateiner und Piraten; Großbrand im Jahr 1875
  • Anzahl der Mönche: Im 17. Jahrhundert bis zu 500, heute 30 Mönche
  • Besonderheit: Zweitkleinstes Klosterland auf Athos; zweistöckige Hauptkirche und 7 Kapellen
  • Reliquie im Kloster: Stück vom Fuß, eine Hand und das Kinn des Heiligen Gideon, Schädel des Apostels Bartholomäus und des heiligen Christophorus sowie natürlich ein Fragment des Wahren Kreuzes
  • Bibliothek: Nur 2500 Bücher und 279 Handschriften, viele wurden dem Abt 1837 vom Bücherklauer Lord Robert Curzon abgeschwatzt und in die British Library verfrachtet: Wiki
  • LKW-Sichtungen: Renault M210, Mercedes Axor 1824 AK
  • Zufahrt: LKW-taugliche Piste von Arsanas Karakalou
  • Gideon von Karakalou im Heiligenlexikon: Klick
  • Infos zum Kloster Karakalou (Wikipedia.de): Wiki
  • Weitere Infos zu Karakalou (Monastiria.gr): Klick
  • Alte Seite auf mountathos.gr (Wayback 2016): Klick
  • Infos zum Moldawischen Klostermäzen Petru IV. Rareș: Wiki
  • Hier gibt es eine Karte mit der Übersicht und Beschreibung aller Klöster auf Athos.

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