Rumänien: Steierdorf in Auflösung

Eine Nacht auf der Bergwiese ist schon etwas Herrliches: Man hat gar keine Lust, aufzustehen. Aber wir rafften uns trotzdem dazu auf und stiegen viertel zehn auf die Räder. Nach ca. 10 km verließen wir mitten in einem engen Tal die Gegenden südlich des 45. Breitengrades, in die wir vorher kurz vor Ploiesti „eingetaucht“ waren.

Rumänien am 45. Breitengrad

Rumänien am 45. Breitengrad

Daraufhin mussten wir nur noch einige Kilometer hinauf in die Berge radeln, um uns in Steierdorf, das neuerdings übrigens kein Ortseingangsschild mehr hat und „Anina II“ heißt, über die aktuelle Lage der Rumäniendeutschen informieren zu können. Vor einem Geschäft, in dem es wie gewohnt nur Gem (also die rumänientypische, wohlschmeckende Marmelade), Sirup und Biscuitis (also Kekse) gab, erzählte uns eine schwäbische Rentnerin von den Schikanen, denen sie ausgesetzt sind. Besonders erbittert war sie darüber, dass durch die minderheitsfeindliche Politik Ceausescus die deutschstämmigen Kinder ihre Muttersprache nur noch verstehen, aber nicht mehr gebrauchen. Hinzu kommt, dass viele (vor allem die jüngeren) Deutschrumänen in die Bundesrepublik aussiedeln. So wird es wohl eines Tages keine Deutschen mehr in Rumänen geben, die sich auch als solche fühlen und leben (und der ungarischen Minderheit geht es genauso). Ziemlich traurig über diese düsteren Aussichten setzten wir unseren Weg fort.

Rumänien, Maramures

Rumänien, Maramures

Auf einem über 1000 m hohen Pass (der 16.) speisten wir zu Mittag und tranken dazu einen „Perform-West-Energydrink“, den A irgendwoher besorgt hatte. Ich habe mich zwar gefragt, warum wir das wertvolle Kraftpulver oben auf dem Pass einnehmen und nicht unten, aber was soll’s. Vielleicht hat A diese Notreserve nur deshalb freigegeben, weil es ohnehin für lange Zeit keine richtigen Berge mehr geben wird. Derartig mit Kraft vollgepumpt donnerten wir jedenfalls 15 km über gute Straßen und schöne steile Serpentinen vom Pass herunter. In einer pusztaähnlichen Gegend radelten wir anschließend mit dreißiger Schnitt in Richtung Temesvar. An der hiesigen Raststätte mit Wasseranschluss stauen sich zur Zeit (21:00 Uhr) gerade eine Menge Autos aus Polen. Wir werden wohl noch ein Stück fahren und uns dann seitwärts in die Büsche schlagen.

Bozovici – Steierdorf – Oravita – Morafita – Sag (151 / 4.377 km)

[Nach einer furchtbaren Nacht im Maisfeld flüchteten wir dann am nächsten Tag zurück ins ungarische Paradies.]

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