Dolomitenbiwak 4: Mit letzter Kraft zum Schutzraum am Piz Boé
2008 ist die ganze Familie gemeinsam nach Südtirol gefahren.
So., 19.10.08: Vom Grödner Joch zur Boé-Hütte (5,4 km / +1.270 m / – 527 m)
So genossen wir den Luxus, bei schönstem Dolomitenwetter über Wolkenstein bis hinauf zum Grödner Joch auf ca. 2.100 m gefahren zu werden. Dort haben sich die zwei großen Jungs (9 und 7) und ich bei knapp über 0°C bergfertig gemacht und sind dann unverzagt bergauf gestapft. Dabei konnten wir noch eine Rettungsaktion beobachten, bei der ein Hubschrauber aus der gegenüberliegenden Felswand drei Bergsteiger geborgen hat. Am Eingang in den Aufstieg zur Pisciadú-Hütte haben wir erst einmal Pause gemacht und die Kletterausrüstungen angelegt. Dann ging es in dem kalten, ziemlich verschneiten Tal steil hinauf. Direkt vor der letzten Felswand haben wir etwas gegessen und uns dann Stück für Stück über Schneebretter und Eisfelder bis zu den Sicherungen vorgearbeitet.
Von einem sicheren Standplatz aus habe ich die Jungs immer mit einem langen Seil nachgeholt. Als dann die Via Ferrata begann, konnte sich wieder jeder selbst sichern. So haben wir Stück für Stück die Felswand überwunden und rasch an Höhe gewonnen.
Gerade als wir das verschneite Plateau über der Pisciadú-Hütte erreicht hatten, kam uns eine Gruppe aufgeregter Italiener entgegen. Wie sich später herausstellte, waren sie offenbar mit der Seilbahn bis auf das Hochplateau gefahren und wollten dann wieder absteigen, hatten aber kein Seil dabei, um die ungesicherten Eisfelder zu überwinden. Wir radebrechten mit ihnen etwas über den Umfang der Eisfelder auf unserem Weg und liefen dann ein Stück hinunter bis zur 2.585 m hohen, schön besonnten Pisciadú-Hütte. Obwohl die Hütte über einen Winterraum verfügte und der nahe See die Jungs zum Spielen einlud, sind wir nach einer Pause doch noch weitergelaufen. Schließlich war es erst 15:00 Uhr. Zudem wäre die Sonne bald hinter einem 3000-m-Massiv verschwunden, so dass es bald kalt geworden wäre.
Die Jungs hatten noch reichlich Kraft und so gewannen wir weiter schnell an Höhe. Nach einer nochmaligen Rast kamen wir schließlich ein der höchsten Stelle unserer Wanderung an, einem 2.960 m hohen Übergang zur Boé-Hütte. In dieser Höhe wird die Luft dann schon merklich dünner und die Kräfte der Jungs schwanden.
Aber erst nach einer nochmaligen Querung einer Felspartie in der einsetzenden Abenddämmerung erreichten wir die Boé-Hütte auf 2.871 m. Die Jungs waren nach diesem Gewaltmarsch ziemlich erschöpft – gleichzeitig aber glücklich über den schönen Winterraum. Gott sei Dank hatten wir trotz der massiven Anstrengungen zur Gewichtsreduzierung (Biwaksack anstelle des Zeltes und nur 2 Isomatten) den Kocher dabei. Ich kochte also noch eine schöne Suppe, die gleichzeitig auch als Teeersatz herhalten musste und aus Tassen getrunken wurde. Dann bewunderten wir noch die fantastische Milchstraße, riefen den Rest der Familie an und gingen schnell ins Bett.
Mo., 20.10.08: Wanderung zur Friedrich-August-Hütte (11,2 km / + 753 m / – 1.333 m)
Am Morgen haben wir bei schönster Sicht in Eiseskälte vor der Hütte gefrühstückt.
Mit Blick auf die begrenzten Kraftreserven, den vielen Schnee und den weiten Weg bis zur nächsten Hütte haben wir den Boé-Gipfel links liegen lassen und sind unter Protest nur um die Bergspitze herumgewandert. Aber etwas Gelassenheit im Umgang mit Höhenrekorden ist auch ein hohes Gut. Also liefen wir zunächst bis zur Bergstation der Seilbahn auf die Sellagruppe an der Rifugio Forc Pordoi.
Dort trafen wir zwei Wanderer, die eben mit der Seilbahn hochgekommen waren und noch den unschwierigen Weg bis hoch zum Boé-Gipfel laufen wollten. Wir hingegen liefen durch den tiefen Schnee des Valon del Fos bis hinunter ins Tal und machten erst in der wärmenden Sonne eine Rast mit dick beschmierten Schokobroten. Danach wurde dann auch die Landschaft wieder freundlicher und es gab Gras und Bäume. Nach all dem Schnee war dies ein richtiger Genuss.
Am schönsten wurde es aber, als wir einen wunderschönen Gebirgsbach mit Wasserfall, Stromschnellen und Strudeltöpfen entdeckten und ausgiebig badeten. Da wir nur ein Minihandtuch mithatten, trockneten wir uns in der Sonne und stiegen dann weiter über Schutthalden hinab ins Tal. Allerdings verpasste ich eine Abzweigung und so liefen wir 200 Höhenmeter zu tief hinab bis auf 1.886 m ins Tal, ehe wir die Straße zum Sellajoch erreichten. Die Jungs haben aber nicht lange herumgejammert, sondern sind trotz nachlassender Kräfte wieder bis hoch zum Sellajoch auf 2.244 m gelaufen, wobei wir die zahlreichen Serpentinen immer auf kleinen Pfaden quer durch den Wald abkürzen. Die Albergo Maria Flora am Sellajoch war mir zu touristisch, sodass wir im Dunkeln dann doch noch zur Friedrich-August-Hütte auf 2.289 m liefen, wo wir ein schönes Zimmer sowie ein reichliches Abendbrot bekamen.
Di., 21.10.08: Wanderung/Fahrt zurück nach Seis (9,8 km / +410 m / – 1.025 m)
Am Dienstag sind wir nach einer wunderbaren Nacht in weichen Betten, einem reichlichen Frühstück und einem herrlichen Ausblick zunächst auf dem Friedrich-August-Weg immer leicht auf und ab um den Langkofelstock herumgewandert.
Die Jungs haben sich anfangs damit beschäftigt, Steine über die Almen hinab rollen zu lassen und dann die Silberdisteln am Wegesrand gezählt. Nach der Mittagspause an der Plattkofelhütte (2.297 m), die leider auch schon geschlossen hatte, ging es dann immer bergab über die Seiser Hochalm bis nach Sangria. Von dort aus wären es noch ungefähr 10 km bis zur Seilbahn gewesen. Als wir aber gerade eine Rast machen wollten, kam völlig unerwartet ein neu eingerichteter Bus vorbei. Wir rannten schnell zur Haltestelle und fuhren das letzte, ohnehin meist an der Straße entlangführende Wegstück mit dem Bus. Danach blickten wir noch einmal zurück zum gigantischen Langkofelstock und fuhren dann mit der Seilbahn hinunter nach Seis. Dort setzten wir uns zufrieden und glücklich auf „unserem“ Bauernhof in die Sonne und warteten auf den Rest unserer Familie.