Wenn der Diesel eingefroren ist: Auswirkung, Vorbeugung und Hilfe

Wenn man zuletzt im Herbst getankt hat und nach Frost wieder starten will, kann der Diesel eingefroren sein.

Sommerdiesel ist im Winter nicht gut

Dieser Winter ist lang. Lang und kalt. Eiszapfen am Bus. Und immer noch Sommerdiesel im Tank.

Winter am WoMo: Ist auch der Diesel eingefroren?

Winter am WoMo: Ist auch der Diesel eingefroren?

Oh Mann. Ich hatte schon so oft eingefrorenen Diesel im Tank. Und immer noch nichts gelernt. Doch bald ist Ostern und der Bus muss laufen. Ob wohl der Diesel eingefroren ist? Habe mir extra ein Infrarot-Thermometer gekauft, um mal zu messen. Draußen sind -6°C. Am Dieselvorfilter („Schnapsglas“) immer noch -0,4 °C. Vielleicht habe ich Glück und kann das Problem aussitzen.

Winter am WoMo: Temperaturmessung mit dem Infrarot-Thermometer

Winter am WoMo: Temperaturmessung mit dem Infrarot-Thermometer

Paraffin im Diesel kristallisiert ab -10°C aus und versulzt Leitungen, Filter und Pumpe

Paraffin im Diesel ist ganz normal und immer dabei. Normalerweise ist Paraffin flüssig und verbessert die Schmiereigenschaften von Diesel. Das ist wichtig zum Beispiel für die Einspritzpumpe. Ab etwa -10 °C jedoch beginnt das Paraffin fest zu werden und bildet eine weiße, klebrige Substanz. So ein bisschen wie weiches Kerzenwachs halt. Der Diesel „gefriert“. Klar, in Wirklichkeit ist es nur der Paraffinanteil. Aber die Paraffinmoleküle können die gesamten kritischen und engen Bauteile versulzen und zusetzen.

Winterdiesel enthält nun einen Fliesverbesserer bzw. weniger langkettige Paraffine, die den Diesel auch bei niedrigeren Temperaturen flüssig halten. Wer aber zuletzt Sommerdiesel getankt hat, sollte bei niedrigen Temperaturen auf der Hut sein. Doch natürlich hat auch der heimische Winterdiesel seine Grenzen. Der deutsche Winterdiesel wird in der Regel zwischen Mitte November und Ende Februar angeboten und bleibt bis mindestens -20°C fließfähig.

Auswirkungen, wenn Paraffin im Diesel gefroren ist

Da das Paraffin die Leitungen und vor allem den Dieselfilter blockiert, bekommt der Motor zu wenig Sprit und läuft (wenn überhaupt) nur noch im Standgas. Typisch ist, dass der Motor zwar noch anspringt und vielleicht sogar ein paar Kilometer läuft, dann aber merklich an Leistung nachlässt.

Die Frage ist jetzt nur noch, ob ich mir die Hände einsaue und den Dieselfilter vorbeugend wechsle. Oder ob ich auf wärmere Temperaturen und die Selbstheilungskräfte des Wohnmobils setze. Hab’s ja zum Glück (noch) nicht eilig.

Bloß nicht nachträglich Fließverbesserer verwenden!

Jetzt könnte der findige Selbstschrauber natürlich auf die Idee kommen, nachträglich Fließverbesserer in den Tank zu kippen. Macht das bloß nicht! Das Zeug ist kein Lösungsmittel, mit dem man kristallisiertes Paraffin wieder flüssig machen kann, sondern ändert die Molekularstruktur so, dass Paraffin erst bei niedrigeren Temperaturen fest wird. Wer nachträglich Fließverbesserer zusetzt, kann auch gleich Wasser in den Tank kippen. Gleiche Wirkung.

Benzin allerdings würde zwar das Paraffin auflösen und erst mal helfen. Diese Medaille hat aber eine sehr dunkle Rückseite: Ohne das aufgelöste Paraffin gibt es keine Schmierung der Einspritzpumpe. Gerade neuere Motoren reagieren auf einen Abriss des Schmierfilms recht allergisch. Der OM364 hingegen sollte bis zu 10 % Benzinzusatz vertragen. Erfahrungen diesbezüglich habe ich mit meinem Mercedes 508 mit OM 314 gemacht, aber noch nicht mit dem Mercedes 711.

Da jedoch eine saubere Durchmischung von Benzin und Diesel das Problem ist und das Paraffin sowieso in den Leitungen und am Dieselfilter sitzt, rate ich vom Benzinzusatz ab. Vor allem vom nachträglichen Benzinzusatz.

Wenn überhaupt Benzin (oder Fließverbesserer) zugesetzt werden soll, dann immer den Fließverbesserer vor dem Tanken mit Diesel zusetzen. Und nur dann, wenn kein Winterdiesel verfügbar ist.

Diesel eingefroren? Erst ab 40°C schmilzt Paraffin

Gegen gefrorenen Diesel bzw. ausgeflocktes Paraffin hilft vor allem Wärme. Leider nur reichen ein paar Grad nicht aus. Die Erweichungstemperatur von Paraffin liegt bei 40°C. Nicht Lufttemperatur, sondern Bauteiltemperatur. Am schönsten wäre natürlich, wenn uns die Sonne endlich einmal ausreichend Wärme zur Verfügung stellt. Aber da kommen keine 40°C am Dieselfilter an. Wer dringend weg will, muss die neuralgischen Stellen wie Förderpumpe und Kraftstofffilter also gezielt mit Wärme bearbeiten. Auch dafür macht sich ein Heißluftfön im Wohnmobil ideal. Dazu braucht man aber Strom. Viel Strom.

Doch da gibt es natürlich noch die russische Methode der Fahrzeugvorwärmung. Von der schreib ich aber mal lieber nix…

Unterwegs hilft gegen eingefrorenen Diesel im Kraftstofffilter heißes Wasser aus der Busküche. Das ist aber ein zweischneidiges Schwert, weil das Wasser schnell abkühlt und dann auch wieder gefriert.

Beim Mercedes 407 habe ich gute Erfahrungen mit einem extra mitgeführten, zusätzlichen Warmluftschlauch von der Gasheizung gemacht. Man kommt im Bus ja von innen ganz gut an den Dieselfilter ran. Der Dieselfilter am Mercedes 711 ist das büchsenähnliche Teil rechts im Bild.

Sitz des Dieselfilters im MB 711 D mit OM364

Sitz des Dieselfilters im MB 711 D mit OM364

Paraffin im Dieselsystem auflösen

Sämtliche kritischen Bauteile müssten zur Auflösung des versulzten Diesels eine Weile auf wenigstens 40 °C erhitzt werden, um die Paraffinkristalle aufzulösen. Danach kann die Temperatur auch wieder abfallen, solange es nicht wieder -10 °C gibt. Natürlich gibt es auch Vorwärmanlagen und beheizte Dieseltanks, Dieselleitungen und Dieselfilter. Aber wer hat das schon. Vielleicht könnte man was mit der Wasserstandheizung improvisieren. Aber die braucht ja auch erst einmal flüssigen Diesel.

Sinnvoll ist auch warmer Winterdiesel aus dem Kanister. So viel und so warm es geht. Habe selbst gerade meine Kanister an der Heizung stehen. Warmer Diesel im Tank nützt zwar dem Dieselfilter nichts. Notfalls aber könnte ich den Diesel direkt aus dem warmen Kanister ansaugen lassen und den OM364 (oder wenigstens die Standheizung) so zum Laufen bringen.

Allerdings ist bei mir bislang der Motor zumindest im Standgas immer noch gelaufen. Solange der Bus im Standgas noch läuft, kann man das Paraffin mit der Motorabwärme zum Schmelzen bringen. Die Abwärme des Motors erwärmt den Dieselfilter und die Abwärme der Auspuffanlage unter der Karosserieschürze die Dieselleitungen. Erfolg hatte ich auch mal, den Bus unten herum komplett mit Schnee einzudämmen. So geschehen mit dem MB 407 D bei -30 °C kurz vor der ukrainischen Grenze.

Dieselfilter erneuern beim OM364

Wenn man schon ein Problem mit Paraffin im Diesel hat, kann man das aber auch gleich zu seinem Vorteil nutzen und den Kraftstofffilter am OM 364 erneuern. Der Dieselfilter sollte sowieso ab und zu mal gewechselt werden und ist nicht teuer. Ein Dieselfilter sollte sowieso immer dabei sein. Wenn der alte noch gut ist, kann man ihn ja in Ruhe auftauen lassen und für später aufheben. Denn wer weiß schon, was morgen ist.

Hier ist eine Beschreibung zum Wechseln des Dieselfilters am OM 364 A. 

Weitere Infos, wenn der Diesel gefroren ist

  • Detaillierte Informationen zum Winterdiesel: Wiki
  • Kristallisations- und Erweichungspunkte für langkettige Alkane (Paraffine): Felixberger, Chemie für Einsteiger, S. 398: Klick
  • Quelle für die Beschreibung des Wechsels des Dieselfilters: Werkstatthandbuch OM364
  • Kraftstofffiltereinsatz für den OM364 im MB 711 D (Mercedes A0000901151 / BOSCH 1457429359, ca. 10 €): Klick
  • Mein Laser-Infrarot-Thermometer tut seit 2018, was es soll. Kontrolliere damit unterwegs auch die Radlager-, Reifen- und Gelenktemperaturen: Klick
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12 Antworten

  1. Tom sagt:

    Aufgrund einer Anfrage nochmal im Chemielehrbuch nachgesehen. Und die Angaben korrigiert. Wusste selber auch noch nicht, dass Paraffin erst bei 40°C weich wird. Nix mit 20°C.

  2. Jochen sagt:

    Hallo super Werksatthandbuch.

    Kann man irgendwie an ein Original Werkstatthandbuch kommen. Wir wollen mit unserem 711 nach Südamerika, da wäre so ein Buch wertvoll.

    Gruß Jochen

    • Tom sagt:

      Nein, ich kenne kein ausgedrucktes Werkstatthandbuch. Mercedes hat für diese Modelle alle Anleitungen online im EPC/WIS hinterlegt. Aber die Bedienungsanleitungen und die Einführungen für den Kundendienst sind auch nicht schlecht. Gibt es manchmal gebraucht auf Amazon.

  3. Jochen sagt:

    Hallo, macht es Sinn für Südamerika einen Separ Filter einzubauen? Hast du einen Zusatzfilter? Gibt es einen Vorfilter bei dem 711?
    Vielen Dank

    • Tom sagt:

      Der MB 711 hat einen Grobfilter im Tank, dann einen Vorfilter mit Schauglas und den eigentlichen Dieselfilter. Ich finde, das reicht. Aber ein Separ Filter extra ist natürlich noch mal besser.

  4. Beke sagt:

    Hallo Tom,
    Ich hab ne Frage zum Thema Bremsen. Ich habe an der Vorderachse Scheibenbremsen und muss die Wechseln. Weißt du zufällig das Drehmoment (Nm) für die Schrauben, mit denen die Scheibenbremesen festgedreht werden? Oder hast ne Idee, wo ich Infos dazu finde? Hab leider kein Werkstatthandbuch, falls da sowas drin steht….Gruß Beke

  5. Beke sagt:

    Und hast du auch noch den Anziehdrehmoment für die Radmuttern?

  6. Mailin sagt:

    Es ist ein guter Tipp den Kraftstofffilter mit heißen Wasser aus der Busküche zu defrosten. Als ich im Norden Schwedens war, ist mir das passiert und mit einem Föhn habe ich mir dann weiter geholfen. Ein Warmluftschlauch tut es sicherlich auch.

    • Tom sagt:

      Na ja, das ist wirklich nur die russische Methode. Und es braucht schon ordentlich Wasser, um den ganzen Filter und letztlich ja auch die umliegenden Bauteile, Dieselleitungen und die Vorförderpumpe auf 40 Grad zu erwärmen. Ist also nur was für den Notfall. Besser ist aber natürlich, immer einen Ersatzdieselfilter dabei zu haben.

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