Albanien: Wandern im Nationalpark Theth

Wandern im Nationalpark Theth ist mit Kirche, Blutracheturm, Grunasi-Wasserfall und dem Blue Eye auch ohne die Peaks of Balkan tagesfüllend.

Albanien, Nordalbanische Alben, Wandern in Theth

Zeltplätze und Pensionen für Wanderer in Theth

Die Nordalbanischen Alpen und insbesondere der kleine Nationalpark Theth gefallen mir. Endlich mal wieder eine ruhige, kühle und frische Nacht im Schlafsack. Und aufgrund der umliegenden, hohen Berge scheint nicht einmal die Sonne ins Aufstelldach. Der Berg mit der gigantischen 800-m-Südwand am Nordende des Talkessels ist der Arapi (Maja e Harapit, 2.218 m), im Westen des Nationalparks Theth thront der Maja e Radohimes (2.568 m) und im Osten von unserem Stellplatz im Nationalpark Theth der Maja Alijes (2.471 m). Alle aus dem Bett schön zu sehen.

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Die Jungs schlafen noch. Bringe der gestern angekommenen Wandergruppe ein paar frische Brötchen vorbei und erfahre viel über den albanischen Bergwanderweg Peaks of Balkan, der über 190 km durch die Nordalbanischen Alpen, Montenegro und das Kosovo führt. Muss eine schöne Runde sein und nicht so ausgetrocknet wie sonst hier überall.

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Bin gerade wieder zurück am Bus und schmeiße die Jungs aus den Betten, als der Land Rover Camper oben vom letzten Campingplatz im Talkessel runterkommt. Verpasst.

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Dann Frühstück. Natürlich auch mit frischen Brötchen. Schließlich wollen wir heute eine Wanderung durch den Nationalpark Theth machen. Wir einigen uns auf eine Wanderung runter nach Theth, zum Blutracheturm und dem Wasserfall. Schließlich gibt es im Nationalpark Theth laut Albanien-Reiseführer zwei große Wasserfälle und ein Badebecken, das verheißungsvoll „Blue Eye“ genannt wird und das ohne nähere Angaben nur eine Stunde für den Hin und Rückweg brauchen soll, allerdings von Theth aus (Trescher, S. 313). Und da müssen wir erstmal hin. Die Wanderung startet also 10:45 Uhr auf der Schotterpiste in Richtung Theth. Ist ja nicht weit.

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Bei der Ausschilderung für Wanderer muss man im Nationalpark Theth ein bisschen aufpassen, denn die Leute in Theth sind recht geschäftstüchtig. „Bujtina“ heißt nichts anderes als Herberge. Die Bujtina Kometa ist also kein Wanderziel, sondern eine private Pension in Theth, in der man sicherlich auch was zu essen bekommt. Wanderer können sich die Richtung aussuchen. Autos sollten (müssen aber nicht) links fahren.

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Mittlerweile ist sowieso jede Wiese im Nationalpark Theth ein Zelt- oder Campingplatz. Der Tourismus steckt hier zwar noch in den Kinderschuhen, aber die Goldgräberstimmung ist schon da. Das wird sich schnell entwickeln. Zumal die einzig relevante Zugangsstraße über den Thore-Pass erst seit 2021 asphaltiert ist. Da geht noch was.

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Noch gibt es die für den Pistenverkehr üblichen Transportmittel: Zwar auch ein paar Nissan Patrol und Konsorten, vor allem aber Mercedes Bremer und Mercedes 190.

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Wandergebiet Nationalpark Theth in den Nordalbanischen Alpen

Der moderne Wandertourismus ist hier in den zurückgebliebenen nordalbanischen Bergen jedenfalls voll eingeschlagen. Für mich hat das was vom Cargo-Kult. Die ganzen Ausschilderungen von Wanderzielen, WLAN-Punkten und Zeltplätzen haben doch nur den Zweck, die Touristen-Ufos zur Landung zu animieren.

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Klar ist es für den Wanderer schön, wenn es überall nagelneue Wanderwegweiser, Wanderkarten und Hinweistafeln gibt.

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Und selbst für die (ehemals) von der Außenwelt abgeschnittenen, nordalbanischen Stammesmitglieder bringen Verkehrsanbindung, Elektrizität und nichtagrarische Einnahmequellen natürlich auch Vorteile. So nach dem alten, etwas abgewandelten Motto: Wohlstand – das ist Straßenbau plus Elektrifizierung des ganzen Landes. Aber was soll’s. Es sei den Albanern gegönnt. Oder sind es nur die Touristen, die sich was gönnen?

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Die „Bergmetropole“ Theth

Unten im Dorf, wo die neue Asphaltstraße vom Thore-Pass endet, gibt es einen großen Parkplatz. Wenn man da als Wanderer nichtsahnend aus den Nordalbanischen Alpen nach Theth hinabwandert, ist das schon ein ziemlicher Kulturschock.

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Es gibt im Nationalpark Theth sogar ein richtiges Besucherzentrum mit Empfang, Museum und Gruppenraum. Die 3 Wandbehänge zeigen übrigens, wie die Aliens von der GTZ landen und den Wohlstand auch bis hinter die letzten Berge Albaniens bringen. Ich will hier aber nicht über den steilen Aufstieg von ein paar verstreuten Häuschen zur neuen Bergmetropole Albaniens rumnörgeln, sondern frage mich nur, was diese plötzliche Reizüberflutung aus einem stolzen Hirtenvolk macht.

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Durch die Anbindung ans asphaltierte Straßennetz stehen in Theth nicht nur die üblichen Abenteuermobile, sondern auch schon die ersten richtigen Wohnmobile auf den ersten richtigen Campingplätzen.

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Und die klimatisierten Sprinter stehen auch schon bereit. Aber die fahren keine Pisten.

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Dennoch ist es schön hier in Theth. Schöne Stimmung, kein Gedrängel, keine aufdringliche Werbung, lauter freundliche Menschen.

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Dazu abwechslungsreiches Wetter und überall frisches Wasser. Wirklich hübsch. Erinnert mich alles irgendwie an die Anfänge des Trekkingtourismus im marokkanischen Imlil in den 1990er Jahren.

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Nur darf man sich Theth nicht als geschlossene Ortschaft vorstellen. Das sind ein paar verstreute Häuser in einem großen Trogtal. In der eigentlichen Hauptsiedlung Theth habe ich ca. 25 Häuser bzw. Gehöfte gezählt. Also gibt es hier vielleicht 100 Einwohner. Und wirklich an jedem Haus steht Pension, Camping, Café oder irgendwas Vergleichbares. Dagegen fehlen Schulen oder sonstige öffentliche Einrichtungen in Theth bis auf das Besucherzentrum völlig. Die Kirche muss reichen.

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Wanderziele in und um Theth

Die Kirche von Theth

Zentrum von Theth und Blickfang zahlreicher Wanderfotos ist die Kirche von Theth (Kisha e Thethit).

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Auch der Blick von Süden auf die Kirche Theth ist mit den dahinterliegenden Zweitausendern wirklich hübsch.

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Die Kirche von Theth steht aber auch günstig, so mitten im Trogtal von Theth.

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Blutracheturm Theth

Neben den Bergen und der Kirche ist der Blutracheturm die dritte Hauptattraktion von Theth. Der Blutracheturm steht knapp 500 m südlich der Kirche am Steilabfall ins Shala-Tal. Die Beschreibung „neben dem Campingplatz“ trifft es nicht ganz. Denn Theth hat bestimmt 10 Wiesen, die als Campingplatz ausgewiesen sind und auf denen sich die Fahrzeuge mehr oder weniger dicht drängen.

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Auch der Begriff Blutracheturm trifft es nicht richtig. Die wörtliche Übersetzung aus dem Albanischen bedeutet Einschließturm (Kulla e Ngujimit, Trescher, S. 313). In den englischen Beschreibungen steht dann auch Lock-in-Tower. Lock-in-Turm beschreibt auch besser den Zweck dieses 400 Jahre alten Turms, der die von Blutrache bedrohten männlichen Angehörigen einer Familie beherbergt. Die sperren sich dann also quasi selbst in den Turm ein, um am Leben zu bleiben.

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Nach dem Gesetz der Blutrache gibt es in den (ehedem) abgelegenen Regionen Nordalbaniens keine Haftstrafen, denn das würde gegen die Ehre verstoßen. Aber wenn man sich selbst einsperrt, scheint das kein Problem zu sein. Unproblematisch scheint auch zu sein, dass man jede Ehrverletzung mit dem Tod bestraft. Blutrache ist jedenfalls eine komische nordalbanische Tradition mit angeblich 10.000 Ermordeten allein seit 1991. Gibt dazu im Albanien-Reiseführer eine interessante, 3-seitige Abhandlung (Trescher, S. 322 ff.).

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Shala-Tal

Für mich gehört auch das tief eingeschnittene Tal der Shala zu den Hauptattraktionen von Theth. Schon auf dem Weg zum Wasserfall sehen wir unten im Tal, dass die Shala jetzt ordentlich Wasser führt. Gibt einige Strudelbecken, große Steine und Stromschnellen. Auf der anderen Seite ist schon das erste Stück der Südroute von Theth nach Shkodra zu sehen. 

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Da kriege ich die Jungs nicht vorbei. Also rutschen wir den Abhang runter und finden auch gleich eine gute Stelle zum Baden.

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Badehosen an, rein ins Wasser. Das hat keine 10°C. Wir sind am Anfang recht mutig, aber schnell wieder draußen. Die Kälte zieht einem wirklich alles zusammen.

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Doch draußen auf den warmen Steinen ist das kalte Wasser schnell wieder vergessen. Also gehen wir immer wieder rein. Wenn man ein bisschen mit den Strudeln aufpasst, kann man sogar richtig schwimmen.

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Grunasi-Wasserfall

Eigentlich wollten wir vom Blutracheturm noch zum Grunasi-Wasserfall (Cascada de Grunas) südöstlich von Theth wandern. Das sind von der Kirche Theth aus nur 2 km und 200 Höhenmeter zu wandern. Der Grunasi-Wasserfall ist ein 30 m hoher Wasserfall mit einem kleinen Becken.

Wir waren aber nicht am Wasserfall. Nicht mehr. Es gibt aber noch einige andere Wasserfälle in und um Theth.

Blue-Eye Theth (Syri i Kaltër)

Gemäß dem Albanien-Reiseführer gibt es als bekannte Wanderziele in Theth nicht nur zwei große Wasserfälle, sondern auch ein Badebecken, das verheißungsvoll „Blue Eye“ (Syri i Kaltër) genannt wird. Allerdings gibt es dazu kaum Angaben, außer dass man nur eine Stunde für den Hin- und Rückweg brauchen soll (Trescher, S. 313).

Ich dachte erst, mit dem Blue Eye Theth wäre das Becken am Grunasi-Wasserfall gemeint. Dann wäre die Stunde zum Wandern (zumindest theoretisch) plausibel. Allerdings kriegen wir nach der Befahrung der Südpiste mit, dass ich den Reiseführer falsch verstanden habe. Das Blue Eye liegt nämlich 1 Stunde Wanderzeit von Nderlysaj entfernt. Und bis Nderlysaj sind es von der Kirche in Theth 5 km nach Süden durchs Shala-Tal. Entweder auf dem Wanderweg links der Shala. Oder auf der Südroute von Theth nach Shkodra rechts der Shala. 

Nicht zu verwechseln ist das Blue Eye Theth-Nderlysaj mit der gleichnamigen, stärksten Karstquelle in Albanien im südalbanischen Gebirge Mali i Gjerë. Damit ich das Blue-Eye Theth (Syri i Kaltër) beim nächsten Mal finde, gibt es einen Marker in der Karte.

Eine Wanderstrecke sind 8,5 km von der Kirche Theth 300 Höhenmeter runter nach Nderlysaj und dann wieder 450 m hoch zum Blue Eye. Da würde ich von Theth mal mit Besichtigung und Baden 8 Stunden für die insgesamt 17 km ansetzen. Das ist also ein voller Wandertag.

Wanderung zurück in den oberen Talkessel von Theth

Nach anderthalb Stunden baden in der Shala brauche ich jetzt nicht mehr mit dem Grunasi-Wasserfall oder gar dem Blue Eye kommen. Zumal wir ja noch mal an Theth vorbei ca. 4 km hoch in den Talkessel zum Bus wandern müssen. Diese große Wanderung in Theth fällt also aus. Dafür kriegen wir (bzw. ich) auf dem Rückweg noch ein kleines Schauspiel mit einem MAN 33.414 geboten, der hier an der Piste nach Süden arbeitet.

Wandern durch die schmalen Wege von Theth ist aber auch schön. Nachdem ich allerdings die Geschichte von der Blutrache aus dem Albanien-Reiseführer vorgelesen habe, passen wir jetzt ein bisschen auf, dass wir von niemandem die Ehre tödlich verletzen, indem wir fremde Grundstücke betreten oder in die Kochtöpfe gucken.

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Eine Beurteilung steht mir nicht zu, aber für mich sagt es viel aus, dass die Kirche von Theth 130 Jahre und der Blutracheturm 400 Jahre alt sind.

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Ich finde gut, dass zur Vermeidung von Ehrverletzungen und Blutrache gleich die entsprechenden Anleitungen an die Tür geheftet werden. Das kommt uns als einfachen und diesbezüglich völlig unbedarften Wanderern durch Theth natürlich entgegen.

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Es ist jedenfalls nach der Wanderung durch Theth schön, wieder oben am Bus zu sein, im Schatten zu sitzen und den Jungs beim Spielen im Bach zuzusehen.

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Dazu gibt es zur Unterhaltung ab und zu mal eine Wandergruppe. Und nach einem erneuten Regenschauer weiß ich jetzt auch, wozu die vielen Einmannbunker am Wegesrand dienen. Das sind nämlich in Wirklichkeit Unterstände für Wanderer, wenn es wieder mal regnet.

Aber irgendwie ist Buddeln nicht mehr so die Tagesbeschäftigung. Solange die Sonne noch hier ins Tal kommt, ist es ja schön. Doch dann wird es schnell frisch. Was machen wir nur mit dem angefangenen Nachmittag? Wollen wir nicht noch die Südroute von Theth nach Shkodra fahren?

Infos zum Wandern in Theth

  • Infos zum Nationalpark Theth und zur Blutrache sind aus dem Albanien-Reiseführer (Trescher 2022): Klick
  • Im Albanien-Reiseführer ist auch die Wanderroute „Peaks of the Balkans“ beschrieben (S. 337)
  • OpenStreetMap Karten bieten eine hervorragende Qualität fürs Wandern in Theth.
  • Der Marker steht am Blue Eye südlich von Theth.

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