Elbe paddeln: Mit Rückenwind vom Bäcker Pretzsch nach Wittenberg
Schon erstaunlich, wie Rückenwind mit einem Segel im Paddelboot abgeht. Heute auf der Elbe über Pretzsch nach Wittenberg.
Morgentee auf der Düne Greudnitz
Punkt 6 Uhr geht die Sonne auf und knallt aufs Zelt. Wie soll man denn da schlafen.
So sind wir schnell auf den Beinen. Benzinkocher anschmeißen. Tee kochen.
Handys aufladen. Das faltbare Solarpanel ist das Rückgrat der mobilen Stromversorgung beim Paddeln.
Die Elbe ist ganz still. Noch mal baden. Aber nicht frühstücken. Denn wir wollen zum nächsten Bäcker.
Nördlichster und tiefster Punkt Sachsens
Einen knappen Kilometer nördlich von Greudnitz überpaddeln wir auf der Elbe den tiefsten natürlichen Punkt Sachsens. 73 m über Normalnull. Vor einer Woche waren wir noch auf dem Fichtelberg, mit 1.215 m dem höchsten Punkt Sachsens. Rechts der Elbe liegt auch der nördlichste Punkt Sachsens. Vor 3 Monaten waren wir auf der Neiße am östlichsten Punkt Sachsens und Deutschlands.
Mensch, 2020 ist ja das Jahr der Extreme. Fehlt nur noch der südlichste und westlichste Punkt, dann haben wir zumindest Sachsen durchmessen. Im Corona-Jahr wird die Welt kleiner. Trotzdem ist es doch herrlich, auf den heimischen Gewässern so dahinzugleiten.
Die ganzen Schwärme am Ufer müssten Kiebitze sein.
Hunger. Doch bis Pretzsch ist es ein ganzes Stück. Sehe mal genauer nach. Mist, der Bäcker in Pretzsch, der auf der Karte so wie um die Kurve links aussieht, ist in Wirklichkeit 6 km weit weg. Naja, schaffen wir schon.
Zum Bäcker in Pretzsch
Irgendwann landen wir an der Fähre Pretzsch an. Doch dort ist weit und breit nichts von einem Bäcker zu sehen. Genau genommen noch nicht einmal etwas von einer Stadt. Hinter einer Wiese schaut nur das Schloss Pretzsch heraus.
Frage mal den Fährmann. Der bestätigt mir zumindest, dass da hinter dem Deich eine Stadt liegt. Schickt uns direkt über die Wiese. Rechts am Wasserwerk vorbei. Auf dem Trampelpfad. Und dann ist sie da. Die Stadt Pretzsch.
Der Begriff „Stadt“ scheint wichtig zu sein. Denn „Stadt“ steht sogar auf dem Ortseingangsschild. Stadt Pretzsch also. Sicher mal ein bedeutendes Örtchen. Und natürlich über 1000 Jahre alt.
Viele Läden und Geschäfte, die aber fast alle leer stehen. Heute backt man kleinere Brötchen in Pretzsch. Oder – um im Bild zu bleiben – brät kleinere Schnitzel.
Ach ja, der Bäcker. Eine Frau weist uns den Weg: Erst links, dann links, dann rechts, dann geradeaus, dann vor zur Bundesstraße. Ich ergänze in Gedanken: Und auf der Bundesstraße weiter zur Autobahnauffahrt und dann nach Leipzig. Aber nein, es gibt wirklich eine Bundesstraße im Ort. Und dort ist wirklich ein Bäcker. An der Pretzscher Bundesstraße.
Jedenfalls sind die Regale zwar fast leer, aber der Kuchen wird gerade mit einem klapprigen Fiat Punto angeliefert. Und was für Kuchen: Eierschecke mit Pflaumenfüllung. Quarkkuchen mit Mandarinen. Streusel mit Kirsch. Kaufe gleich ein halbes Blech. Dazu noch den dreiviertlen Brötchenbestand der Bäckerei. Und ein geschnittenes Brot. Wahrscheinlich von Hand geschnitten. Denn die Zeremonie des Schneidens im Hinterstübchen dauert ein wenig.
Kann mich auf dem Rückweg gar nicht sattsehen an den ganzen Lost Places mitten in der Stadt Pretzsch. Oder sind die noch gar nicht verloren?
Ich mag solche Städtchen. August der Starke hat seine Ehefrau hierher ins Schloss Pretzsch abgeschoben. Als es noch zu Sachsen gehörte. Doch die hat aus der Not eine Tugend und sich um die örtlichen Flachs- und Steinzeugverkäuferinnen verdient gemacht, indem sie die Restbestände entweder aufkaufen oder zerreiten und dann ersetzen ließ.
Paddeln mit dem Wind
Kaum sind wir draußen auf der Elbe, springen die Kinder wieder in den Fluss. Lassen sich ziehen oder schwimmen nebenher. Manchmal können sie sogar stehen. Schon erstaunlich, wie flach die Elbe manchmal ist.
Nur sind ringsrum die Bäume vertrocknet. Stehen fast direkt an der Elbe. Und kommen wohl mit den Wurzeln nicht bis runter zum Wasser. Den Rest erledigen die Biber. Schade drum. Dadurch gibt es aber auch keine Plätze mit Schatten für die Mittagspause. Nur eine Sandbank ohne Bäume. Klar, das ist hübsch. Aber heute sind 35°. Zum Glück funktioniert wenigstens der Butterkühlschrank.
Weiter. Heute ausnahmsweise mal mit Rückenwind. Unser Vierter baut aus zwei Paddelhälften und einem Regenponcho ein Segel, das uns wirklich bis auf 10 km/h beschleunigt. Es geht ein richtiger Ruck durchs Boot, wenn er das Segel hochhält. Seht ihr die Bugwelle? Ich paddle nicht. Hab ja die Handyknipse in der Hand.
Paddeln von Elster nach Wittenberg
Aber in Elster ist dann der Rückenwind weg. Wir fassen am Kanuclub Wasser.
Und paddeln noch ein bisschen im Gegenwind in Richtung Wittenberg.
Dann kommen schon die Türme der Stadtkirche Wittenberg in Sicht. Und der Anleger der Wassersportgemeinschaft.
Lutherstadt Wittenberg
Jetzt schnell die Boote an Land ziehen. Zelte aufbauen. Denn ein Gewitter steht am Himmel.
Wir gehen aber trotzdem in die Stadt. Wittenberg ist gerade am Abend sehr schön und sehr lebendig. Tolle Fußgängerzone rund um die Stadtkirche.
Regnet es nun noch? Oder doch nicht? Egal, wir setzen uns vor irgendein Restaurant raus auf die Straße. Gibt genügend hier in Wittenberg. Und so wird es auch ohne das Spektakel eines Stadtgewitters ein schöner Abend.
Infos zum Paddeln auf der Elbe von Greudnitz nach Wittenberg
- 35 km in 6 ½ Stunden bis zum km 213 in Wittenberg / 163 km gesamt
- Infos zur Stadt Pretzsch: Wiki
- Die Lutherstadt Wittenberg: Wiki
- Übernachtung ohne Anmeldung an der Wassersportgemeinschaft Wittenberg: Klick
- Hier gibt es unsere Kilometertabelle mit den besten Etappen, Zeltplätzen und Tipps fürs Paddeln auf der Elbe
Elbe-km | Paddel-km | Attraktionen rechts und links der Elbe | |
178,0 | re | Sanddüne Greudnitz | |
184,8 | 6,8 | li | Gierseilfähre Stadt Pretzsch: Schloss 1 km, Bäcker 1,5 km |
190,0 | 12,0 | re | Klöden |
200,3 | 22,3 | re | Elster (Elbe) mit Kanuclub und Bahnhof |
213,0 | 35,0 | re | Wassersportgemeinschaft Wittenberg mit Zeltplatz |