Marokko: Flieg, Schwalbe, flieg! Durch die Sahara.
Die Nacht draußen in der Wüste war ruhig, aber etwas unangenehm, weil das Zelt wegen meiner falschen Tipps irgendwie komisch schräg stand. Es gibt ja dieses normale Schräg und ein abartiges, 3-D-Schräg, bei dem man irgendwie keine richtige Schlafposition findet. Ein Blick aus dem Zelt zeigte aber die Hauptsache: Alles war noch da. Wer sollte sich auch mit einem Moped lautlos durch den Sand davonstehlen? Überhaupt war auch ringsum (noch) niemand zu sehen.
Beim Anziehen haben die Jungs noch über meinen väterlich besorgten Hinweis gewitzelt, dass sie ihre Schuhe auf etwaige Besucher kontrollieren sollen, als sie kurz danach tatsächlich einen recht agilen Skorpion unter T*s Schwalbe fanden.
Während die Jungs das Zelt abbauten, habe ich den Tank nochmals kontrolliert, den Reifenflicken mit Konservenblech verstärkt und dann das Schwälbchen wieder zusammengebaut. Zu Essen gab es hartes Fladenbrot mit Sirup. Nach dem Frühstück kamen doch noch zwei unserer gestrigen Begleiter und sahen nach dem Rechten, ohne allerdings allzu aufdringlich zu werden. Es war für sie eher wie Reality-TV: Sie saßen auf der Düne und sahen uns zu. Es fehlte nur noch, dass sie sich Klappstühle und Chips mitgebracht hätten…
Wir packten also in Ruhe auf und starteten das Schwälbchen wegen des defekten Kickstarters, indem T* das Heck anhob und ich bei eingelegtem 1. Gang das Hinterrad kräftig drehte. Anschieben geht ja im Sand schlecht. Aber mein Standardspruch war ohnehin: „Solange die KTM läuft, ist alles gut.“
Die Jungs mussten die Schwalben mit dem ersten Gang durch die ärgsten Dünen schieben, konnten dann aber schon bald wieder fahren. Problematisch war nur, dass L* seine Maschine, wenn sie einmal aus war, im weichen Sand nicht allein anschieben konnte, sondern ich zurückfahren, das Schwälbchen auf die Seite legen und durch Drehen des Hinterrades starten musste.
Nachdem wir die Dünen überwunden hatten und wieder auf dem festeren Boden des ausgetrockneten Flussbetts fahren konnten, zeigte sich aber, dass das Schwälbchen kaum noch Leistung hatte. Entweder der Vergaser war durch meine Abdichtversuche verklebt oder der Motor hat einen Treffer abbekommen und keine Kompression mehr – beides Sachen, die ich nicht ohne Not mitten im feinsten Weichsand angehe, wenn die Karre noch halbwegs läuft.
Also haben wir am runden Tisch gemeinsam entschieden, eine Wende einzuleiten und durch den besser fahrbaren Oued Ziz zurückzukehren.
Dass dies die richtige Entscheidung war, zeigte sich eigentlich erst auf der richtigen Piste, als L* trotz Vollgas und aerodynamischer Sitzposition mit seiner „Rennschwalbe“ nur 20 bis 25 km/h fahren konnte.
An einem einzelnen Baum haben wir daher wieder einmal eine Bastelpause eingelegt, da ich den Luftfilter im Verdacht hatte. Dieser war zwar völlig verdreckt, das Auswaschen mit dem noch reichlich vorhandenen Benzin (wir hatten 10 l Reserve mit) hat aber nichts an der schwachen Leistung geändert.
Den übrig gebliebenen Benzinsud hat T* dann benutzt, um auf einem improvisierten Stövchen die letzte Essensdose warm zu machen. Der „texanische Feuertopf“ hat dann auch ziemlich gut geschmeckt.
Leider hat aber auch ein sauberer Luftfilter auch nicht zu einer Mehrleistung beim Schwälbchen geführt, sodass wir weiter mit 20 km/h dahintuckerten – zumindest solange es nicht bergauf ging.
An jedem kleineren Anstieg musste L* daher kräftig mit anschieben, damit er überhaupt hinaufkam.
Nach Taouz habe ich dann erfolglos noch die Nadelstellung kontrolliert und auf der Asphaltstraße einen Abschleppversuch gestartet. Im Prinzip hätte ich aber (mindestens) den gesamten Vergaser ausbauen, zerlegen und reinigen müssen. Angesichts der nur noch 30 km bis zum Bus und von Unmengen Dreck, Staub und Sand überall haben wir uns dann erneut für ein einfaches Weitertuckern entschieden.
Wieder am Bus, haben wir uns vor allem die schweren Stiefel ausgezogen, viel getrunken, endlich einmal die Losezeugsammlung aufgeräumt und dann lange Skat gespielt.
Mit Sonnenuntergang sind wir auf die große Düne gelaufen, die allerdings aufgrund des offenbar zunehmenden nationalen Tourismus stark von neureichen Marokkanern frequentiert war, die in ihrer Art ziemlich nervten und zudem ihren Müll enfach die Düne hinunterwarfen. Schade.
Danach liefen wir noch in das „neue“ Merzouga, in dem es wegen der ausufernden Bautätigkeiten bei gleichzeitigem Fehlen jedweder Kanalisation stank wie auf den Altberliner Rieselfeldern. Jede zweite „Kasbah“ wirbt zwar mit Duschen, WC und „Piscine“ – die Abwässer werden aber ungeklärt in einer Grube hinter der nächsten lehmverschmierten Bruchziegelwand verklappt. Wir haben uns jedenfalls nichts vorzuwerfen – geduscht oder gebadet wird nur da, wo es auch genug Wasser gibt…
Auf dem einst so stolz angelegten „Boulevard“ von Merzouga gab es leider auch vor allem nur noch Feinstaub, nicht jedoch das angepeilte Straßencafé für ein kleines Abendbrot. Recht enttäuscht kauften wir also nur Cola, Fladenbrot und Pizza, die wir in Ermangelung von Sitzgelegenheiten auf dem Rückweg verspeisten. So jedenfalls wird Merzouga zumindest für Touristen wie uns immer unattraktiver – wohl auch deswegen sind alle Campingplätze gähnend leer. Und auch wir werden schon morgen wieder wegfahren. Der Zauber ist irgendwie dahin.
Oued Ziz – Taouz – Merzouga (65 km)
…und hier geht es weiter mit der Wüstentour rund um den Erg Chebbi…