Enduro fahren im Sand: Schwer beladen auf Wüstenpisten
Sand ist nicht gleich Sand und Enduro ist nicht gleich Enduro – also ist auch Enduro fahren im Sand so verschieden wie nur irgendwas. Nun bin ich kein Profi, aber ich versuche mal an ein paar Bildern aus der marokkanischen Wüstenpiste von M’Hamid durch die KemKem nach Merzouga verschiedene Fahrsituationen für eine schwer beladene Enduro darzustellen. Sanddünen solo und ohne Gepäck fahren ist noch einmal etwas ganz anderes und verdient einen eigenen Beitrag. Ach so, und es geht hier nicht um Tipps und Tricks, wie man auch noch die letzte Zehntelsekunde aus Mensch und Maschine herausholt, sondern um sicheres Ankommen im individuellen Reisebetrieb ohne externe Unterstützung.
KTM 690 Enduro R im Reiseeinsatz
Gefahren sind wir die Piste auf der Marokkotour 2013 zu zweit auf einer KTM 690 Enduro R. Diese letzte noch verbliebene, echte Enduro wiegt leer 140 kg und hat 67 PS. Zu zweit und mit vollständiger Zeltausrüstung, Lebensmitteln, Wasser, Ersatzteilen und Benzin haben wir insgesamt ca. 320 kg gewogen. Das Gesamtgewicht ist also durchaus vergleichbar mit einer solo gefahrenen BMW R 80 G/S oder einer BMW R 100 GS – die „neueren“ Vierventiler (BMW R 1100, R 1150 oder R 1200 GS) dürften alle schwerer sein.
Wir sind komplett alleine gefahren ohne Begleitfahrzeug oder ähnliches. Wie man auf den Fotos sieht, stehe ich auf Ortlieb-Taschen statt schwerer Koffer. Das spart einerseits Gewicht und verringert andererseits das Verletzungsrisiko bei Stürzen bzw. beim „Füßeln“.
Enduro fahren im Sand: Topographie lesen
Wüstenpisten fahren
Für Außenstehende ist so eine Wüstenpiste ziemlich langweilig: Eigentlich gibt es die ganze Zeit vorwiegend nichts zu sehen. Dieses Nichts besteht meist aus mehr oder weniger starken Wellblechpisten, ist mit jedem Motorrad völlig unproblematisch zu fahren und sieht dann z. B. so aus:
Auf Bildern werden natürlich immer nur die interessanten Stellen vorgeführt, wie zum Beispiel diese Querung von ein paar Palmen. Allerdings ist diese Passage mit einer schweren Enduro schon ziemlich blöd zu fahren, da der Sand unberechenbar tief und ziemlich verspurt ist. Im Prinzip sollte man hier mit ziemlicher Geschwindigkeit rein fahren. Nur so kommen die Räder aus dem Sand raus und können die Kreiselkräfte (Danke, Markus!) die Enduro nebst Ladung stabilisieren. Ist man jetzt langsam, sinkt das Vorderrad ein, der Nachlauf verringert sich und das Vorderrad fängt an zu flattern. Wenn hier nicht straff beschleunigt wird, endet dies wohl oder übel entweder mit den Naben im Sand oder in einem Kopfsprung.
Wadis (Oued) mit der Enduro fahren
Es ist also wichtig, die Topographie und deren Auswirkungen auf eine Sandpiste zu lesen. Während offene Abschnitte eher fest und auch mit einer schwer beladenen Enduro gut zu fahren sind, machen vor allem die „Flusstäler“ und Niederungen Ärger. So ein meist trockener Fluss (Oued) ist außer auf der Karte immer daran zu erkennen, dass es plötzlich einen Hauch von Vegetation gibt. Das können ein paar Palmen sein, meist sind es aber nur ein paar trockene Büsche, die sich wie ein Band durchs Nichts der Wüste ziehen. Das nächste Foto zeigt so ein sehr kleines Flusstal. Wenn es hier alle paar Jahre mal regnet, strömt das Wasser quer durch die Wüste (und danach blüht alles wie verrückt). Problematisch beim Queren ist, dass sich in jeder Senke der weiche Sand sammelt. Kurz Gas geben hilft aber. Und wach bleiben, denn wenn man träumt und den tiefen Sand nicht rechtzeitig sieht, kann es einem bei tiefenentspannt reisemäßiger Bummelgeschwindigkeit schnell den Lenker aus der Hand reißen. Wer aber ohnehin nur mit Vollgas unterwegs ist, merkt so eine Senke gar nicht. Er sieht aber auch nicht viel vom Land außerhalb der Staubwolke des Vordermanns.
Fluch und Segen von Salzböden
Gibt es in einem Flusstal (Wadi/Oued) häufiger Wasser, bilden sich aufgrund der aufsteigenden Salze harte Horizonte, die heller sind als der übrige Sand. Im folgenden Foto aus dem Oued Ziz sind gut die kräftigen und zahlreichen Büsche zu erkennen, die auf einen relativ hohen Grundwasserstand hindeuten. Die hellen Flecken sind diese salzigen, recht harten Bereiche.
Dieser harte Salzboden lässt sich im Prinzip ganz gut fahren. Problematisch sind jedoch die dunkleren Bereiche zwischen den harten Salzhorizonten. Dort kann entweder nur ein bisschen Sand auf dem Salz liegen oder die Salzdecke eingebrochen sein. Es wechseln somit immer harte Bereiche (langsam fahren!) und weiche Bereiche (schnell fahren!). Vor allem die Übergänge sind schwer einzuschätzen. Böse sind auch die harten Salzgrasbüschel, die man besser nicht unter die Räder nimmt. Es sei denn, man will springen üben wie ein junger Ziegenbock.
Das folgende Foto zeigt ganz gut eine harte Stelle und den umgebenden, weichen Sand mit Bruchstücken.
Die Farbe des Sandes
Beim Enduro fahren im Sand erstaunt immer wieder, wie unterschiedlich gefärbt Sand sein kann. Je dunkler und „orangener“ der Sand ist, umso griffiger ist die Piste. Meist gibt es hier kiesige Bruchstücke von härteren Fragmenten, die aus Sand bestehen, der mit aufgestiegenen Mineralien zusammengebacken ist.
Ein helles Gelb zeigt ziemlich trockenen, aber nicht ganz so tiefen und ziemlich homogenen, weichen Sand an.
Unangenehm hingegen ist grauer Sand. Das ist eigentlich schon gar kein Sand mehr, sondern nur noch fast bodenloser, staubähnlicher Weichsand. Fährt man in so ein Weichsandfeld (fech-fech) hinein, versinkt man unmittelbar in einer tiefen Staubwolke.
Enduro fahren im Sand hängt auch vom Zustand der Piste ab
Kennzeichen einer Piste ist, dass sie gerade nicht befestigt ist. Der Pistenzustand hängt also auch davon ab, wie stark und von welchen Fahrzeugen sie benutzt wird. In der Regel fährt man neben einer Piste mit der Enduro viel besser im Sand als direkt auf der Piste, die oft von Allrad-LKW’s oder Geländewagen zerwühlt ist. Ihr solltet also immer versuchen zu erkennen, wo der Sand tiefer ist oder ob es vielleicht auch Ausweichmöglichkeiten gibt. Wo es allerdings viele Ausweichmöglichkeiten gibt, führen oft zahllose Spuren direkt nebeneinander. Und gerade dort, wo es eben keine Ausweichmöglichkeiten gibt, fahren alle Fahrzeuge in derselben Spur und wühlen die Piste entsprechend tief durch. Das sind aus meiner Sicht auch die mit einer Enduro am schwierigsten zu fahrenden Bereiche. Trotzdem ist eine gut befahrene Piste meist die bessere Wahl, da es hier recht unwahrscheinlich ist, dass in der Spur plötzlich Steine oder sonstige Hindernisse liegen. Auch im nächsten Foto sieht man gut, dass neben der Piste zahlreiche Steine liegen, die für Fahrer und Reifen sehr unangenehm sein können.
Grundlagen der Enduro Fahrtechnik im Sand
Eigentlich geht es bei der Fahrt über eine Wüstenpiste nicht um eine Fahrt komplett im Sand, sondern um die Bewältigung von versandeten Stellen, die insgesamt vielleicht 5 bis 10 % der Gesamtstrecke einnehmen. Und für diese Stellen lässt sich eigentlich nur eine Regel aufstellen: Vollgas und durch. Wenn möglich stehend. Gewichtsverlagerung zum Hinterrad schied bei uns aus, da wir zu zweit gefahren sind. Also nochmal zusammengefasst:
- Geschwindigkeit hilft immer
- Wer Angst hat, wird stürzen und wer stürzt, hat Angst.
- Ein niedrigerer Luftdruck macht breitere Reifen und hilft viel, macht aber auch viel Arbeit.
- Lieber feiner Sand auf der Piste als grobe Steine offroad.
- Besser 20 Klimmzüge trainieren als 100 Reiseberichte lesen: Ihr solltet die voll gepackte Maschine bei 30°C in voller Montur mindestens zehnmal hintereinander aufheben und dann noch fahren können.
- Ein etwaiger Sozius muss völlig angst- und schmerzfrei sein. (Ich könnte das nicht.)
Vorbereitung der Enduro für Pistenfahrten
Und obwohl die KTM vorn und hinten Reifenhalter verbaut hat, habe ich den Luftdruck nicht abgesenkt: Lieber etwas mehr Stress im Sand als ein zerrissener Reifen. Hier scheiden sich aber die Geister. Ganz penible Enduro-Fahrer senken natürlich vor jedem Weichsandfeld den Luftdruck ab und pumpen danach ordentlich wieder auf. Dafür aber bin ich nun wirklich zu faul.
Wenn man also die Wahl hat, sollte die Enduro für Sandfahrten folgende Eigenschaften haben:
- Die gesamte Fuhre sollte möglichst leicht sein.
- Am meisten spart es sich an Koffern und Gepäck.
- Ortlieb-Taschen statt Alu-Koffer sparen fast 20 kg.
- Baut einen Schalter für das Dauerlicht ein oder zieht die Sicherung.
- Fett und Öl zieht Sand magisch an: Die Kette läuft am besten trocken.
- Vorderrad so groß wie möglich
- Reifenhalter vorn und hinten verbauen
- Werkzeug zum Radausbau und Reifenwechsel (lange Montiereisen!)
- Ersatzschläuche, Flickzeug und Pumpe dabeihaben und benutzen können
- Gewicht eher hinten als vorn, eher unten als oben
- Leder, Handschuhe und Helm (in dieser Reihenfolge) helfen gegen spitze Steine und Dornen.
- Hatte ich schon erwähnt, dass die Enduro leicht sein sollte?
- Ähm, muss der Campingklappstuhl unbedingt mit?
- Wozu braucht man Ersatzschuhe? Spiegelreflex? 5 Objektive? Reiseliteratur?
Und denkt immer daran, Michael Müller und sämtliche Ralley- oder Reiseteilnehmer fahren ganz entspannt solo und haben Drinks, Rettungsassistenten und Klappstühle im Begleitwagen – den hat der normale Nachmacher aber nicht dabei. Also lieber einmal zu vorsichtig als zu draufgängerisch. Aber genau das ist das Dilemma beim Sandfahren, denn ein bisschen Speed braucht es schon…
Und eine Bitte an die Allrad-LKW- und Geländewagen-Fahrer
Der worst case für das Enduro fahren im Sand sind aber liegen gebliebene Sandbleche oder eingegrabenen Steine aus früheren Bergungsversuchen schwerer Fahrzeuge. Die können einen Kopf und Kragen kosten. Also, liebe Allrad-LKW- und Geländewagen-Fahrer: Denkt an die Enduro-Fahrer und räumt euer Zeug weg. So ein paar herangeschleppte, große Steine im Weichsand können für Motorradfahrer sonst sehr unangenehm enden.
Reiseberichte zur Wüstenpiste
Und hier findet ihr die Reiseberichte zum ersten Teil der Piste von M’Hamid zur KemKem (siehe Karte).
Und hier ist der Link zum zweiten Teil der Wüstenpiste. Dazwischen war Zelten angesagt. Natürlich im Ultraleichtzelt mit 1,5 kg.
Habt ihr noch Fragen oder Hinweise zum Enduro fahren im Sand? Dann schreibt mir einen Kommentar.