Marokko: Die alte Gebirgspiste zum Tizi-n-Tirherhouzine im Hohen Atlas
Nach den zwei Basteltagen in der Todraschlucht sind wir heute gut vorbereitet und gut ausgeschlafen die Atlasüberquerung über den Tizi-n-Tirherhouzine angegangen. Nicht jedoch, ohne uns vorher angemessen von der anderen Busbesatzung verabschiedet zu haben. Die Drei aus dem MB 406 D wollen ebenfalls heute in die Dadesschlucht aufbrechen.
Frohgemut erreichten wir die engste und beeindruckendste, aber auf keinen Fall schönste Stelle der Todraschlucht, die von Touristen nur so wimmelte.
Kein Wunder – es stand ja auch ein Rotel-Bus an der Schlucht. 14 x 3 Fenster ergeben 42 Schlafkojen im Anhänger. Wenn die alle besetzt sind, wird es eng. Ich frage mich nur, wo die früh alle mit dem Spaten verschwinden.
Aber naja, so viel mehr Platz pro Person hatten wir zu dritt im kurzen MB 407 D auch nicht. Man muss sich eben gut verstehen, dann ist Raum in der kleinsten Hütte.
Kaum für ein Foto angehalten, schaukelten wir auch schon weiter auf der recht schlechten Piste in den Hohen Atlas. Der Weg schmiegt sich immer eng an die Felsen und quert häufig das ausgetrocknete Flussbett.
Ab Tamtatouchte waren sogar mehr als 20 km/h möglich, so dass an einer plötzlich auftauchenden Querrinne sogar einmal die Vorderachsfedern durchgeschlagen sind. In dem lehmfarbenen, recht großen Dorf gibt es einige „Hotels“ und „Cafés“, wohl für die Land-Rover-Reisegruppen, die auf der Piste von der Dadesschlucht hier herüberkommen. Wir fuhren aber geradeaus zum Ait Hani. Ab da weitete sich das Tal zu einer doch beachtlichen Größe und war umsäumt von schneebedeckten Dreitausendern des Hohen Atlas.
Ab und zu stand ein Hirte oder Eseltreiber am Weg, aber sonst war nicht viel Bewegung auf der Piste durch den Hohen Atlas. Im Ait Hani ist der Abzweig nach Imilchil auf einer weißen Wand gut ausgewiesen. Nach einer Furt hinter dem Dorf hält man sich links. Das Wasser stand so hoch, dass an beiden Vorderrädern die Bremsen ausfielen und ich in Toumliline plötzlich etwas verzögerungsbehindert war. Und das auf einem Weg, der nicht viel mehr als eine Haaresbreite zwischen den Spiegeln und den Lehmwänden der engstehenden Häuschen ließ. Au weia.
Noch dazu war es umsonst, da wir nach links in den Ort, anstelle geradeaus auf der scheinbar kleineren, unbefahrenen Piste gefahren waren. Der Pfad wurde bald darauf steil und steinig und begann sich dann in engen Serpentinen den Berg hinaufzuwinden. Ich war immer in Sorge um Dieselleitung und Auspuff. Die Bremse an der Vorderachse hingegen brauchte ich ja berghoch erst einmal sowieso nicht. Die Bremsbeläge würden schon wieder trocknen. Aber die beiden Dieseltanks und vor allem die Verbindungsleitung hängen recht tief, so dass die Mitfahrer ab und zu allzu große Steine von der Piste durch den Hohen Atlas rollen mussten. Dafür hatten wir aber herrliche Ausblicke auf die Weite der Berge und die tiefen Täler im Hohen Atlas.
Am Tizi-n-Tirherhouzine (2.709 m) war der Weg plötzlich auf 50 Metern im Tiefschnee versunken.
Vor uns hatte schon ein Auto, den Spuren nach ein Land Rover oder ähnlicher Geländewagen, aufgegeben. Aber ich holte die Schaufel vom Dach und wünschte mir sehnlichst Sandbleche herbei. [Wenn ich damals genügend Sandbleche aus Kunststoff gehabt hätte, wäre so eine Schneepassage kein Problem gewesen.]
Als ich jedoch mal einen Blick über den Pass warf, ließ ich es ebenfalls sein, denn dieses Schneefeld war erst der Anfang. Die Piste war zu dieser Zeit jedenfalls unbefahrbar, zumindest für Autos. Also latschten wir ein wenig herum und schauten in die verschiedenen Täler hinunter.
Allerdings froren wir bei 0°C und eisigem Wind nach der Hitze der letzten Tage ziemlich schnell durch und waren so schon bald zurück am Bus. Der MB 407 D stand eigentlich nur deswegen noch auf der Piste, da ich ihn schräg gegen den Hang geparkt hatte. Schließlich wollte ich mich nach den ganzen Wasserdurchfahrten nicht allein auf die sowieso schon unterdimensionierte Handbremse verlassen.
Dann fuhr ich rückwärts bis zur nächsten Serpentine, wendete dort den Bus und ließ mich im zweiten Gang wieder langsam ins Tal hinunterrollen. Die vordere linke Bremse hatte sich zwischenzeitlich schon wieder erholt, aber ich brauchte sie kaum.
Die Abfahrt war, obwohl aufwärts schon einmal befahren, wieder wunderschön. Und auch die Menschen am Wegesrand winkten wieder freundlich und aufgeschlossen, wie schon ein paar Stunden vorher.
Wie krass war doch der Unterschied zwischen den breiten, ruhigen Hochgebirgstälern und der touristischen Enge der Todraschlucht, in der es vor Menschen nur so wimmelte!
Wir fuhren gleich durch bis zum Hotel Sarho oberhalb von Tinerhir, wo ich mich erst einmal unter das Auto legte. Und tatsächlich hatte meine Dieselleitung, die die beiden Tanks verbindet, wieder einmal einen Schlag abbekommen. Der Stutzen am rechten Tank bog sich arg nach hinten und tropfte. Also dichtete ich ihn wieder ab und ging nach getaner Arbeit in den Hotelpool baden. Bei 10°C diente das eigentlich mehr der Körperpflege als dem Vergnügen. Nach all dem Staub und Schweiß der heutigen 140 km harter Gebirgspiste war das aber mehr als notwendig. Am liebsten hätte ich einen langen Saunagang eingelegt. Aber stattdessen versuchte ich im Hotelrestaurant die Zeit totzuschlagen.
Allerdings war dies dann doch nicht vollkommen nutzlos, da ich so zwei sehr nette Japanerinnen kennenlernte, die mich mit auf ihr Zimmer nahmen und dort duschen ließen. Es war schon lustig, wie viele verschiedene Sorten japanischen Duschgels und Haarshampoos die beiden Backpacker dabei hatten. Aber für so eine heiße, herrliche Hoteldusche nehme ich gern auch rosa Kirschblütenshampoo in Kauf.
Tinerhir, 190.960 km
Anmerkung: Die Piste über den Tizi-n-Tirherhouzine ist etwa 2007 asphaltiert worden. Siehe hierzu die Berichte aus 2013 (mit der KTM) und 2016 (mit dem MB 711 D).