Fernwandern daheim: Schluss mit Arbeiten. Einfach mal losgehen.

Wieder mal zu viel gearbeitet. Zu lange. Zu intensiv. Immer im Akkord. Doch jetzt reicht es. Jetzt ist Schluss mit Arbeiten. Ich muss raus. Fernwandern daheim. Idee und Abstimmung gestern Abend. „Planung“ heute früh. Könnte doch mal zu Fuß nach Norden. Zu den weißen Bergen hinter dem Horizont. Allein. Mal sehen, ob ich es mit mir 3 Tage aushalte. Ohne Familie, ohne Kinder, ohne alles. Oh, oh. Das wird schwer.

Rucksack packen. Mann, wer ruft denn jetzt noch an? Ach so, ist wichtig. Na gut. Schnell noch eine Mail. Och, noch ein Telefonat. Was denn nun noch? Ja, ja. Mache ich [später mal]. Fast 14 Uhr. Nun ist aber Schluss. Rechner aus. Handy aus. Und schnell weg. Sonst bin ich morgen immer noch da. Endlich geht’s los. Kleiner Umweg zum gelben Kasten. Brief muss noch weg. Puh. Geschafft. Endlich im Wald. Ganz allein.

Ohne Tagesziel. Einfach nach Norden. Brauche zwar nicht viel zum Fernwandern, aber 20 kg sind es dann doch: Ultraleichtzelt, Isomatte, Schlafsack. Paar Klamotten. Dazu trockene Brötchen, bisschen Salami und meinen Rübensirup. Thermosflasche, Gaskocher und Topf. Schokolade, Suppen und Tee. Das war’s. Ach halt, die kleine Kamera, das Stativ und einen Löffel noch. Handy, Powerbank und Stirnlampe. Vor allem aber 10 l Wasser. Denn die Bäche unterwegs sind brackig. Und ich will autark sein. Die Zivilisation meiden.

Laufen, laufen, laufen. Alles ist unspektakulär. Aufräumarbeiten im Wald.

Gab einigen Windbruch beim letzten Sturm Friederike.

Es ist kalt. Alles gefroren. Knirscht und knackt unter den Bergschuhen.

Manchmal halbgefrorener Schlamm.

Die erste Straße. Pseudobulli. Ja, ja – Träume verkaufen sich gut.

Dann wieder nur Wald. Laufen, Atmen, Denken. Selbst Träumen.

Plötzlich hechelt ein Hund heran. Geht bestimmt noch 2 km mit mir mit. Vor mir her. Die Rufe des Frauchens sind schon lange verstummt. Na, der wird sich bestimmt auskennen. Und tatsächlich biegt er irgendwann ab. Auch gut.

Das erste Dorf im Wald. Klassisch schöne Formen im Speckgürtel.

Klassisch schöne Mühle am Bach.

Alles sehr kulturell hier. Mit künstlichen Ruinen und einer parkähnlichen Anlage entlang des Baches im tiefen Tal. Nach 12 km fernwandern die erste Rast an der „Quelle der Vergessenheit der Sorgen“.

Zu schön. Ministalaktiten hängen von der Decke. Das Wasser sprudelt ein bisschen. Aber trinken würde ich es ungern. Da muss ich irgendwas machen. Ich schleppe beim Fernwandern eindeutig zu viel Wasser mit. Alles ist ultraleicht, und dann 10 Liter Wasser. Das muss besser werden. Also kurze Rast und weiter. Wiesen und Felder. Deutschland ist wirklich schön. Aber auch schön kalt im Februar. Der Wind pfeift über die offenen Flächen. Man braucht ein dickes Fell.

Kippeliges Wandern über altgepflasterte Feldwege.

Und dann eine Autobahn. Unglaublich, was für einen Lärmkorridor der Individualverkehr durch die Landschaft schlägt. Schnell weg hier.

Wieder im Wald. Plötzlich drei Leute. Man grüßt freundlich. Die ersten Gesichter heute. Nett, aber „keine Menschenseele beim Wandern getroffen“ kann ich nun nicht mehr schreiben. Dämmerung. Eine Straße. Ein leerer Bus.

Ein drittes Dorf liegt still und schweigt. Schnell durch und wieder rein in den dunklen Wald. Die Augen gewöhnen sich zwar langsam an die Finsternis und der Weg ist breit. Aber so langsam brauche ich einen Zeltplatz. Fernwandern im deutschen Winter ist so eine Sache.

Waldrandwiese, nach Osten offen. Perfekt. Aber vollkommen umgegraben von den nimmersatten Wildschweinen. Tiefgefrorener Buckelacker ist kein guter Zeltplatz. Wobei, wo es Wildschweine gibt, gibt es auch Jäger. Ich könnte doch in einem Jagdansitz übernachten. Mal suchen. Stolpere weiter über den Acker. Da ist ja einer. Verdammt hoch das Ding. Ach, den Rucksack setze ich nicht erst ab. Wird schon gehen. Und es geht. Auch wenn die Tür ein bisschen eng ist. Innen massenhaft halbstarre Fliegen.

Erstmal ein bisschen sauber machen. Den Jäger wird es freuen. Nur eng ist es hier. Hänge alle Sachen an die Decke. Den Stuhl auch. Mit angezogenen Beinen kann ich vielleicht hier drin schlafen. Oder bei offener Tür. Na mal sehen, wie lange ich das aushalte. Abendessen ist überbewertet. Noch ein Freihandfoto aus dem Schlafsack. Die Bäume schwanken so schön im Wind. Jetzt aber Türe und Augen zu. Vom Fernwandern träumen.

[Am nächsten Tag ging es dann weiter auf Suche nach Wolfsspuren durch den Russenwald.]

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