Dolomitenbiwak 9: Familienseilschaft über die verschneite Sellagruppe

Zur 9. Dolomitenwanderung im Jahr 2013 sind wir über den Langkofelpass zur Sella aufgestiegen – das letzte Mal in der Besetzung Papa + 3 große „Kinder“.

Mi., 30.10.2013: Nacht am Monte Pana

Dieses Jahr lagen die Herbstferien wieder außerordentlich spät. Hinzukam, dass wir erst in der 2. Ferienwoche fahren konnten bzw. wollten. Dann sind wir auch nicht wie geplant am Montag losgefahren, da bis zum Mittwoch eine Regenfront über die Alpen rollte, die wir erst noch abwarten wollten. Also gab es den Startbefehl erst am Mittwoch.

Als wir gegen 18:00 Uhr in Brixen ankamen, war es bereits dunkel. Wir füllten an dem bekannten Brunnen am Bahnhof unsere Wasservorräte auf und stiegen dann in den Bus nach St. Ulrich. Dem Fahrplan nach hätten wir dann das letzte Stück bis St. Christina, dem planmäßigen Ausgangspunkt unserer diesjährigen Wanderung, laufen müssen. Gerade, als wir den Ort verlassen wollten, habe ich jedoch einen Bus kommen sehen, der als Ziel St. Christina anzeigte. Also rannten wir schnell zur Bushaltestelle zurück und stiegen in den verspäteten Bus ein, der uns so doch noch nach St. Christina brachte. Von da aus sind wir dann den planmäßigen Weg in Richtung Langkofel gewandert. Zunächst mussten wir aber erst einmal aus der Stadt heraus, um einen Zeltplatz zu finden. Dazu liefen wir an einem extrem steilen Hang mit eingeschalteten Stirnlampen an der Straße entlang. Zum Glück kamen auf dem ganzen Weg nur 2 Autos. Da der Hang so steil war, gab es unterwegs auch keine Möglichkeit für das Biwak. Erst an der Bergstation einer Seilbahn wäre ein guter Platz gewesen. Aber die Jungs wollten lieber zu einem in der Nähe gelegenen Restaurant gehen, um etwas zum Abendbrot zu essen. Allerdings hatte das angepeilte Sporthotel Monte Pana geschlossen. Etwas oberhalb fanden wir aber eine kleine Kapelle, in deren Schutz wir das Biwak aufschlugen, eine Suppe kochten und dann ins Bett fielen.

Do., 31.10.2013: Über den Langkofelpass

Wenn man im Dunkeln im unbekanntem Gelände aufschlägt, ist der morgendliche erste Blick ins Tal immer wieder interessant. Und während es gestern Abend noch pitschnass vom Regen der vergangenen Tage war, empfing uns heute Früh strahlender Sonnenschein. Auch meine Tochter, die als erste aus dem Schlafsack gekrochen kam, war ganz begeistert von den vielen Wolken und der schönen Umgebung, so dass sie ein Foto nach dem anderen knipste.

Nebel im Tal

Nebel im Tal

Nach dem Frühstück machten wir uns dann auf in Richtung Langkofel. Dabei wollte mein Erstgeborener als der nun größte Wanderer unbedingt auch den größten Rucksack tragen. Na gut.

Wir folgten einer breiten Fahrstraße, die mit der Zeit immer schmaler und steiniger wurde, aber bis kurz unterhalb der Vicenza-Hütte immer noch befahrbar war. Unterwegs hatten wir immer schöne Ausblicke auf den mächtigen Langkofel links und den Plattkofel rechts. Dazwischen der Langkofelpass.

Aufstieg zum Langkofelpass

Aufstieg zum Langkofelpass

Während wir so ziemlich schnell Höhenmeter gewannen, stiegen auch die Wolken immer höher, aber zum Glück langsamer als wir. An der Vicenza-Hütte durften wir deshalb aber keine lange Rast machen, da uns die Wolken schon ziemlich nahe kamen. Da wir uns den Langkofel von Nordwesten her näherten, mussten wir zudem leider immer im Schatten laufen, so dass es auf Pausen auch schnell ungemütlich wurde. Ab 2300 m hatten wir dann auch die ersten Schneefelder, die sich schnell bis zu einer geschlossenen Schneedecke verdichteten. Trotzdem war der restliche Weg bis zur Demetz-Hütte unschwierig, auch wenn wir ab und zu mal knietief im Schnee versanken.

Talblick von der Langkofelscharte

Talblick von der Langkofelscharte

Da wir ursprünglich vorhatten, direkt an der Demetz-Hütte (2.681 m) oberhalb der Langkofelscharte zu zelten, schlichen wir im Schnee um die Hütte herum und fanden dann sogar einen Winterraum, der allerdings von hart gefrorenem Schnee blockiert war. Die Hütte am Langkofelpass selbst war natürlich geschlossen. Dafür begegneten uns direkt oben am Pass zwei einsame Wanderer.

Blick vom Langkofelpass zur Sella links und Marmolada rechts

Blick vom Langkofelpass zur Sella links und Marmolada rechts

Auch sonst war die Langkofelscharte durch den vielen Schnee, die Kälte und die fehlende Sonne nicht sehr einladend, vor allem wenn wir hinunter zum Sellapass blickten. Doch auch auf der Südostseite der Langkofelscharte bot sich uns ein ziemliches Wolkenspektakel: Manchmal war die Sicht bis zum Sellapass vollkommen frei, dann wieder zogen die obersten Wolkenfetzen direkt bis zu uns hoch. Wenn die Sicht frei war, sahen wir unten am Sellapass die sonnigen, grünen Wiesen, so dass wir uns entschlossen, außerplanmäßig doch noch abzusteigen.

Wie schon der Aufstieg von Nordwesten war auch der Abstieg nach Südosten zwar steil, aber unproblematisch, so dass wir ziemlich schnell auf den Grasmatten ankamen und einen Biwakplatz gefunden haben. In gewohnter Manier haben wir gleichzeitig das Biwak aufgebaut, Essen gekocht und die Rucksäcke ausgepackt. Am Abend haben die Kinder dann noch einige Runden Skat gespielt, während ich mich mit dem extra mitgeschleppten Buch auf die Sportbootführerscheinprüfung See vorbereitet und versucht habe, irgend ein System in das Prinzip der Lichterführung auf hoher See zu bekommen.

Fr., 01.11.2013: Boé-Hütte

Auch heute schien beim ersten Blick aus dem Schlafsack wieder herrlichste Sonne, während unten im Tal die Wolken festhingen. Da wir am Osthang standen, konnte uns die Sonne früh ziemlich schnell das Zelt auftauen.

Sonnenaufgang vor der Sellagruppe

Sonnenaufgang vor der Sellagruppe

Damit wir auch schnell Tee kochen konnten, hatte meine Tochter die ganze Nacht mit der Propangaskartusche im Arm geschlafen, die so am Morgen eine schöne Betriebstemperatur hatte und ordentlich Gasdruck aufbauen konnte. Durch die Sonne war es sogar so warm, dass wir erst frühstücken und dann loslaufen konnten. Zuerst mussten wir nun nur noch ein kleines Stück bis zum Sellapass absteigen und dann ein Stück an der Serpentinenstraße entlang wandern, bis wir unterhalb der senkrecht aufragenden Kletterwände den Abzweig ins Val Lasties fanden.

Auf dem trockenen Südhang wuchsen zahlreiche Silberdisteln, Herbstzeitlose und Enzian. Der schmale Pfad führte uns dann noch ziemlich weit hinunter ins Tal, bis wir nahe der Stromschnellen und Wasserfälle wieder nach oben wandern konnten. Aus Zeitmangel war dann meine Tochter die einzige, die während der Mittagspause im eiskalten Wasser baden war – und das gleich mehrfach.

Wasserfall an der Sellagruppe

Wasserfall an der Sellagruppe

Wir kamen auch heute gut voran und blieben immer oberhalb der Wolken. Doch selbst auf der Südseite hatten wir ab ca. 2.500 m immer mehr Schnee, der sich bald zu einer geschlossenen Schneedecke verdichtete.

Auf dem Zwischenkofel (2.907 m) erreichten wir den höchsten Punkt unserer Wanderung, konnten aber wegen der beginnenden Dämmerung und der Kälte nicht lange verweilen. Gerade die beiden großen Jungs wussten, dass es bis zur Hütte noch ein ziemlich weiter Weg war und drängten so auf mehr Tempo. Aber ein Gipfelfoto musste schon noch sein.

Schnee am Zwischenkofel

Schnee am Zwischenkofel

Die Boé-Hütte selbst sahen wir schon wie bei der letzten Wanderung erst im letzten Augenblick. Die Freude war natürlich groß, als alle endlich im Schutz des Winterraums waren. Wir haben erst einmal die Betten zusammengestellt und die obligatorische Nudelsuppe gekocht. Dabei war es im Winterraum so kalt, dass das Abendbrot im Schlafsack eingenommen wurde.

Sa., 02.11.2013: Abstieg im Nebel und Fahrt nach München

Während wir die letzten Tage richtiges Glück hatten, war das Wetter heute Morgen gar nicht schön: Zum Schnee hatte sich noch der Nebel und starker Wind gesellt. Also zogen wir alles an, was wir hatten und streiften auch die Gamaschen ordentlich über. Eigentlich sah der Plan vor, von der Boé-Hütte nach Nordnordost durch das Val de Misdè abzusteigen. Dies wäre auch von der Windrichtung her günstig gewesen. Allerdings ist der Einstieg ins Tal ziemlich steil, vereist und noch dazu stark verweht. Als noch einmal explizit eine Tafel stand, dass dieser Steig nur für geübte Kletterer begehbar wäre, sind wir lieber wieder zurückgegangen und haben uns an der Südroute in Richtung Sas de Pordoi versucht. Dieser Weg, den wir schon einmal gegangen sind, ist zwar prinzipiell einfach, führt aber über eine Hochebene und ist daher schwer zu finden. Da wir so gut wie nichts mehr gesehen haben und auch die Wege nicht mit Stangen gekennzeichnet waren, sind wir aber auch hier sicherheitshalber wieder umgekehrt und erst einmal wieder in den Winterraum gegangen.

In der Hütte habe ich mich erst einmal telefonisch nach dem Wetterbericht erkundigt, da wir durchaus noch ein bisschen in der Hütte bleiben und das Wetter aussitzen hätten können. Als aber keine Wetterbesserung angesagt war, habe ich mich entschlossen, den Aufstieg auch wieder abzusteigen. Da es nicht geschneit hatte, konnten wir so auch bei extrem schlechter Sicht in unseren eigenen Spuren zurücklaufen. Also bildeten wir eine Seilschaft mit den beiden jüngsten als Pfadfindern an der Spitze. So waren die besten Augen vorn und haben den Weg gesucht, während ich mich in Ruhe auf das GPS konzentrieren konnte. Mein Großer hat derweil hinten die Sicherung übernommen (und Fotos gemacht). Alle haben ihre Sache wunderbar gemacht und super zusammengearbeitet. Schon bald hatten wir unsere Spuren wiedergefunden und hangelten uns bei vielleicht 10 m Sichtweite von Wegzeichen zu Wegzeichen.

Abstieg von der Sellagruppe bei Nebel und Schnee

Abstieg von der Sellagruppe bei Nebel und Schnee

Als wir den Zwischenkofel sicher überschritten hatten, wurde die Sicht dann auch schon wieder ein bisschen besser und man konnte zumindest von Stange zu Stange sehen. Da oben kam uns dann mitten im Nebel plötzlich ein vollkommen unzureichend ausgerüstetes, älteres Pärchen entgegen, dass bei diesem Wetter ohne jegliche Ausrüstung mit Tagesrucksack aufsteigen wollte. Wir konnten sie mit einiger Mühe dazu bewegen, wieder umzukehren. Unten im Tal haben wir dann auch gesehen, warum die Wanderer so leichtfertig aufgestiegen sind: Überall rings um die Sellagruppe herrschte strahlender Sonnenschein, nur um den Gipfel herum hatte sich der Nebel festgesetzt.

Sellagruppe in den Wolken

Sellagruppe in den Wolken

Wir waren natürlich froh, endlich aus dem Nebel heraus zu sein und entledigten uns erst einmal der Winterausrüstung. Auf dem Weg zum Sellapass habe ich dann angefangen, langsam die Fahrpläne nach einer Verbindung zurück nach Hause durchzusehen. Das Ziel war eigentlich, abends noch bis ins Tal hinunter zu kommen, um dann morgen Früh mit dem 1. Zug in Richtung Norden zu fahren.

Abstieg zum Sellajoch

Abstieg zum Sellajoch

Es war aber wie jedes Jahr: Wenn es nach Hause geht, werden die Kinder immer schneller. Teilweise sind sie die Wiesen vom Sellajoch hinunter zur Straße sogar gerannt. Als wir schon ein ganzes Stück unterhalb des Sellajochs waren, bot sich uns langsam sogar die Option, noch den letzten Zug nach München zu schaffen. Das hat vor allem meinen Zweiten so angespornt, dass wir ab diesem Moment nur noch rennen durften. Er hat uns dabei so angetrieben, dass wir tatsächlich noch den 17-Uhr-Bus von Plan hinunter nach Brixen geschafft haben. Nach der Rennerei mit den schweren Rucksäcken war es wirklich eine Wohltat, wieder im Bus zu sitzen. In Brixen hatten wir sogar noch etwas Zeit, damit wir noch einige Pizzen und das restliche Abendbrot einkaufen konnten.

Nachtexpress nach München

Nachtexpress nach München

Allerdings war klar, dass wir in München keinen Anschluss mehr haben würden, so dass wir dort übernachten müssten. Also habe ich noch aus dem Zug heraus ein Hotel gebucht, in das wir kurz vor Mitternacht gleich mit dem Taxi gefahren sind. Der Fahrer hat uns begeistert seinen Hybrid-Toyota vorgeführt.

So., 03.11.2013: Bahnchaos

Eigentlich wollte ich den Kindern nach dem Hotelfrühstück noch ein wenig München zeigen, aber leider war das Wetter gar nicht schön. Wir waren also sehr froh, wieder im ICE Richtung Hamburg zu sitzen. Allerdings hatte der ICE so viel Verspätung, dass wir keinen Anschluss mehr bekamen und ewig warten mussten. Die letzten 100 km sind wir mit einem absolut überfüllten Regionalexpress gefahren. Aber trotzdem hat wie immer niemand gemeckert. Und ich hatte genügend Zeit, mich mit der Lichterführung auf See, den Kollisionsverhütungsregeln und ähnlichem Seemannsgarn zu beschäftigen.

Dolomiten-09-Karte-35km-800

St. Christina – Langkofelpass – Sellapass – Boéhütte – Sellapass – Plan: 35 km, 2.500 m Aufstieg, 2.300 m Abstieg (Karte: OpenStreetMap / gpsies.com)

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